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© François Roelant

AKKORDE in Moschus

Weitere Informationen & Karten »Salome«


Inspizienz und Beleuchtung, Werkstätten, Musikalische Studienleitung und Requisite: Viele der Menschen, die an einer Opernproduktion mitarbeiten, bekommt das Publikum nur in Ausnahmefällen zu sehen. Ihre Arbeit geht in das Gesamtkunstwerk eines Opernabends ein, in die Klang- und Bildwelten, aus denen er sich zusammensetzt. Für die neue Salome-Produktion arbeitet ein ebenfalls unsichtbarer Akteur daran, dem Gesamtkunstwerk eine außergewöhnliche Facette hinzuzufügen. In enger Zusammenarbeit mit Regisseur Cyril Teste kreiert der französische Parfüm-Doyen und Duftkünstler Francis Kurkdjian die olfaktorische Dimension des Kunstwerks. Ein Porträt.


2008 wurde der damals 39-jährige Francis Kurkdjian mit dem Titel »Chévalier de l’ordre des Arts et des Lettres« ausgezeichnet. Diese Auszeichnung wurde 1957 gestiftet, um Personen auszuzeichnen, »die sich durch ihr Schaffen im künstlerischen oder literarischen Bereich oder durch ihren Beitrag zur Ausstrahlung der Künste und der Literatur in Frankreich und in der Welt ausgezeichnet haben«. Die Definition, die das französische Kulturministerium zur Verfügung stellt, ist weit gefasst und würde nichtsdestoweniger vielleicht zuerst an Musikerinnen und Schriftsteller denken lassen. Und doch passt sie genau auf den 1969 in Paris geborenen Francis Kurkdjian.

Kurkdjians erster Beruf ist der eines Parfümeurs. Seine Duftkreationen für internationale Modelabels machten ihn schon früh international bekannt. Ebenso früh entwickelte Kurkdjian ein Interesse dafür, seine Fähigkeiten als Erdenker von Geruchswelten und -erzählungen über den Parfümmarkt hinaus einzusetzen: nämlich in der Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern. Der Grundstein für dieses Interesse, so Kurkdjian, wurde schon in seinem Elternhaus gelegt: »Ich hatte das Glück, von Eltern und Großeltern großgezogen zu werden, die mich früh in die Welt der Künste einführten. Ich nahm Ballett- und Klavierunterricht, besuchte Museen und Ausstellungen, und ich tauchte in die Welt der Mode ein: Meine Großväter waren ein Schneider und ein Kürschner, und meine Mutter, der ich sehr nahestand, arbeitete mit Christian Dior. Ich wuchs mit einer großen Neugierde und einer Begeisterung für die Handwerkskunst auf.« Den Ausschlag für die Berufswahl gab schließlich eine andere Kunstform: Der 14-jährige Francis sah den Film Le Sauvage von Jean-Paul Rappeneau, in dem Yves Montand einen Parfümeur spielt, der auf einer entlegenen venezolanischen Insel arbeitet. »Danach sagte ich meinen Eltern, dass ich Parfümeur werden würde. Ich hatte meine Bestimmung gefunden!«

Seine Ausbildung erhielt Francis Kurkdjian am Institut supérieur international du parfum, de la cosmétique et de l’aromatique alimentaire in Versailles. Sein erster Arbeitgeber, der Duftstoffproduzent Quest International, beauftragte ihn 1994 mit der Kreation eines Duftes für Jean-Paul Gaultier. So entstand Le Mâle, ein Duft, der zu einem modernen Klassiker werden sollte. Die Liste der Häuser, für die Kurkdjian in der Folge Düfte kreierte, ist illuster: Escada, Dior, Yves Saint Laurent, Versace, Giorgio Armani. Mit seinem 2009 gegründeten Maison Francis Kurkdjian schuf sich der Parfümeur dann die Freiheit, seine eigene Vorstellung der Parfümkreation umzusetzen. »Ein Duft ist für mich vor allem eine Möglichkeit, mich selbst auszudrücken«, sagt Francis Kurkdjian dazu. »Ich verwende Gerüche, wie ein Maler Farben einsetzt, ein Musiker Noten spielt und ein Schriftsteller Worte schreibt. Jeder neue Duft ist eine Weise, eine Geschichte zu erzählen.«

Ist die Kreation von Parfüms also eine Kunstform? Nein, präzisiert Kurkdjian. Bei einem Parfüm, das in Flaschen gefüllt und verkauft werde, handle es in seinem Verständnis nicht um ein Kunstwerk – »auch wenn Kunst den Ausschlag für eine Kreation geben kann.« Der Grund dafür liege in den Schranken, die einem solches Parfüm für das gesetzt seien, was ihm in seiner Arbeit wichtig ist: Das Geschichtenerzählen. »Bei manchen Gefühlen – Schmerz oder Trauer, alles, was mit dem Tod zu tun hat – ist es unangemessen, sie in einem Parfüm auszudrücken. Nachdem ich das verstanden hatte, begann ich, mit Künstlerinnen und Künstlern zusammenzuarbeiten. So kann ich das konventionelle Konzept von Duft hinterfragen und auch in meiner Arbeit das ganze Spektrum von Emotionen erkunden, unkonventionell denken und Risiken nehmen.«

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Francis Kurkdjian mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Die Arbeiten, die dabei entstanden sind, sind faszinierend multidisziplinär. Eine Arbeit für die Künstlerin Sophie Calle beruhte etwa auf die »Erinnerung an den Geruch einer Dollarnote«; für die Installation Mawtini des syrischen Künstlers Hratch Arbach (2014, eine Zusammenarbeit mit der Komponistin Sivan Eldar) versah Kurkdjian 20.000 wächserne Nägel mit den Gerüchen von Erde, Blut und Jasmin.

Mit Salome-Regisseur Cyril Teste hat Francis Kurkdjian bereits 2017 zusammengearbeitet. Für Testes Produktion Festen nach Tomas Vinterbergs gleichnamigem Film erdachte Kurkdjian drei Gerüche, die an dem Abend punktuell zum Einsatz kamen: Die moosige Feuchte eines Waldes zum Beginn, der Geruch eines erkalteten Kamins in der Mitte des Abends und im letzten Teil ein Duft: Das Parfüm der verstorbenen Tochter der Familie, der großen Abwesenden in Vinterbergs Geschichte. Das künstlerische wie technische Gelingen dieses Projekts brachte Cyril Teste nun dazu, Francis Kurkdjian auch zur Mitarbeit an der neuen Salome einzuladen, die er für die Wiener Staatsoper inszeniert.

»Cyril und ich teilen dieselbe Vision«, erklärt Francis Kurkdjian. »Wir erzählen Geschichten auf unsere je eigenen Weisen, jeder in seiner eigenen Sprache. Er ist mein Auge, ich bin seine Nase. Ich mag auch, wie er kreative Menschen zusammenbringt und das Ökosystem organisiert, das so entsteht.«

Kurkdjians Beitrag entsteht im Gespräch: »Wir setzen uns hin und reden, ich höre mir an, wie er die Geschichte sieht, welche Art von Gefühlen er durch Geruch vermitteln will. Manchmal fordere ich ihn heraus. Unsere Gespräche sind sehr flüssig, das liegt am Respekt, den wir jeweils für die Arbeit des anderen haben.« Im Fall von Salome habe Teste ihn mit seiner Vision für die Hauptfigur eingenommen, mit der Auseinandersetzung mit der ganzen Figur, ihrem Leben vor dem Einsetzen der Opernhandlung und den Lösungen, die der Regisseur dafür für die Bühne gefunden habe. Die beiden seien sich schnell einig darüber gewesen, dass der berühmte »Tanz der sieben Schleier« eine eigene, spezifische Geruchsnote haben müsse. Wie sich diese genau zusammensetzen werde, gibt der Duftkünstler noch nicht preis, aber er verrät einige der Inspirationen zu den Salome-Duftwelten, auf die ihn die Auseinandersetzung mit Cyril Testes Gedanken gebracht hat: »Eine Moschusnote zwischen Offenheit und Sinnlichkeit, Sexualität. Etwas Tiefes, Anziehendes, unschuldig und betäubend.«

Im Theaterraum ist der Geruchsbeitrag eine Herausforderung: Der Duft verteilt sich im Raum, verschiedene Gerüche überlagern sich, der Umgang mit diesem Aspekt muss bei der Arbeit mitbedacht werden. Aber ist das Nachhallen, das Nachwirken in einem Raum nicht auch etwas, das Musik und Duft – wenn auch auf verschiedene Weisen – teilen? Francis Kurkdjian kommt aus einer musikalischen Familie, spielt selbst seit seinem siebten Lebensjahr Klavier. Die Parallelen zwischen Musik und Duft sind für ihn offenkundig – bis in die Sprache hinein. »Gerade im Französischen verwenden wir zum Teil dieselben Worte, um Bestandteile unserer Arbeit zu beschreiben. ›Akkorde‹ und ›Noten‹ etwa sind auch in der Arbeit des Parfümeurs wichtige Begriffe.«

Wenn am Beginn von Salome die ersten Noten erklingen, wird sich also bald auch das Geheimnis um jene Akkorde lüften, in die Francis Kurkdjian seine Kreation für die Neuproduktion von Richard Strauss’ verstörendem Meisterwerk gesetzt hat. 

Der Regisseur teilt seine Vision für die Inszenierung mit dem Duftkreateur, der entwickelt daraus seine Idee des Salome-Duftes, der dann für die Vorstellungen in der Oper hergestellt wird. Aber wie findet dieser besondere, zusätzliche sinnliche Eindruck den Weg zu den Nasen des Publikums? »Über die reguläre Lüftungsanlage der Staatsoper«, erklärt Peter Kozak, der technische Direktor des Hauses. »In Abstimmung mit der Regie wird der Duftstoff zu einem vorher genau bestimmten Zeitpunkt in einige der Zuluftschächte im Keller des Hauses eingesprüht und breitet sich so im Zuschauerraum aus. Wenn einige Zeit später kein neuer Duftstoff mehr nachgesprüht wird – auch der Zeitpunkt dafür ist natürlich genau festgelegt – läuft die Lüftungsanlage regulär weiter. Frische Luft strömt nach, die Abluft wird durch die entsprechende Anlage unter dem Luster ins Freie transportiert. Und der Duft verflüchtigt sich.«

SALOME
2. (Premiere) / 4. / 8. / 10. / 12. Februar 2023
Musikalische Leitung Philippe Jordan
Inszenierung Cyril Teste
Künstlerische Mitarbeit Céline Gaudier
Bühne Valérie Grall
Kostüme Marie La Rocca
Licht Julien Boizard
Video Mehdi Toutain-Lopez
Video-Livekamera Rémy Nguyen
Choreographie Magdalena Chowaniec
Dramaturgie Sergio Morabito
Mit u.a. Malin Byström / Iain Paterson / Gerhard Siegel / Michaela Schuster / Daniel Jenz / Patricia Nolz