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© James Hole

Wagner geht ins Musical

Oliver Làng im Interview mit Lise Davidsen
 

Manon Lescaut stirbt. Desdemona betet. Eliza hätte gerne die ganze Nacht getanzt. Und dazwischen reitet, Sie wissen schon, der Vater mit seinem Kind. Wie man das alles unter einen Hut bekommt? Und noch dazu Lieder von Grieg, Sibelius, Wagners Tannhäuser und ein bisschen Operette? Das wird uns Lise Davidsen bravourös beweisen, wenn sie am 28. September ihr erstes Solistinnenkonzert an der Wiener Staatsoper gibt. Jene norwe- gische Sopranistin, die hier bisher in der Titelrolle von Richard Straussʼ Ariadne auf Naxos, als Sieglinde in der Walküre von Wagner und als Ellen Orford in Benjamin Brittens Peter Grimesbegeisterte. Denn stets und schnell waren sich Zuhörerinnen und Zuhörer einig: hier ist eine unglaublich präsente, sichere und mu- sikalische Stimme zu erleben, ein enormes Maß an darstellerischer Prägnanz, gepaart mit Ausdruckstiefe und Aussage.

OL Im Rahmen des Solistinnenkonzerts singen Sie ein breites Repertoire, das sich zwischen Oper und Lied bewegt. Inwieweit versuchen Sie, die einzelnen Werke miteinander zu verbinden und Themenkreise über die Genres hinaus zu entwickeln?

LD Das Programm des Abends ist nicht zwangsläufig auf musikalischer Ebene miteinander verbunden, dafür aber durch die Texte oder durch meine persönlichen Erfahrungen und Geschichte mit der Musik. Das Konzert setzt sich auch aus Oper und Lied zusammen, weil es Ausschnitte meines gesamten Repertoires repräsentiert – und das ist etwas, was ich an einem Abend wie diesem gerne mache.

OL Zwischen Schuberts Erlkönig und der Litanei auf das Fest Allerseelen sehe ich einen Zusammenhang, in dem Sinne, dass sich das »Ruhn in Frieden alle Seelen« aus der Litanei auch auf das tote Kind im Erlkönig bezieht. Ist das so gedacht?

LD Ja, da haben Sie Recht. Zwischen diesen beiden Liedern gibt es in diesem Konzert eine Beziehung, das »Ruhn in Frieden« ist für das Kind – und für jede und jeden.

OL Dient der Abend auch dazu, so viel Repertoire wie möglich zu zeigen? Oper, Lied, Operette und Verdi, aber auch Wagner darf nicht fehlen usw.?

LD Ich würde nicht sagen »so viel wie möglich«, es geht mir eher um eine gute Mischung für einen solchen Abend, eine Mischung, die dem Publikum eine große Bandbreite an Musik und Stimmungen bietet.

OL Schon die ersten drei Arien – von Manon Lescaut, Amelia und Desdemona – zeichnen Bilder von Verzweiflung, Ungerechtigkeit und Tod. Haben Sie diese Arien ausgewählt, weil die Figuren Sie interessieren, weil die Themen verwandt sind, oder konzentrierten Sie sich auf die Musik? 

LD Der Anfang mit italienischer Oper soll dem Wiener Publikum eine neue, andere Seite von mir zeigen. Im Grunde ist es aber eine Mischung aus Partien, die ich schon gesungen habe und solchen, die ich gerne singen würde – und sie sind zufällig auch durch die Geschichten dieser Frauen verbunden. Viele der Rollen, die ich singe, haben in höchstem Maße mit Verzweiflung und Tod zu tun. Es wäre daher schwierig, entsprechende Arien in einem solchen Programm zu vermeiden, und dann womöglich auch gleich mehrere dieser Art für einen Abend zu versammeln. 

OL Das Programm zeigt zum Ende hin eine Tendenz zur Heiterkeit, es endet mit einem Musical. Ist das Teil einer Programmdramaturgie?

LD Ja, absolut. Opern enden ja so oft mit dem Tod, da finde ich es gut, dass ein Abend wie dieser ein etwas heitereres Finale hat. Es ist so, als würde man ein gutes Essen mit einem süßen Dessert beenden und nicht mit etwas Schwerem, das einem danach im Magen liegt!

OL Versuchen Sie, eine Brücke zwischen dem Opern- und Lied-Genre zu schlagen? Indem Sie etwa die Arien etwas liedhafter gestalten, da Sie ja ohnedies kein Orchester im Graben haben?

LD Man bat mich um ein gemischtes Programm mit Klavierbegleitung. Zwar ist das Singen von Opernarien mit Klavier etwas ganz anderes als mit Orchester, aber letztlich sind die Arien immer noch dieselben und auch stimmlich ist es dasselbe. Vielleicht habe ich in Bezug auf die Dynamik mehr Freiheiten, aber ganz grundsätzlich, was den Stil und die Interpretation betrifft ist es dasselbe wie mit einem Orchester.

OL Welche Rolle spielt das Lied in Ihrem Leben? Es ist ja ein Genre, zu dem Sie immer wieder zurückkehren, Sie haben auch etliches aufgenommen. Ist es für Sie eine Ergänzung zum Operngesang?

LD Der Liedgesang hatte für mich immer eine große Bedeutung. Anfangs nützte ich ihn, um mir selbst Raum und Zeit zu geben, stimmlich zu wachsen, inzwischen aber widme ich mich diesem Genre, weil ich es so liebe. Liedgesang ist eine andere Art, um mit dem Publikum zu kommunizieren und überhaupt eine andere Art zu arbeiten: Er ist intimer und ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich sowohl Lied als auch Oper singen darf. Und auch in diesem Konzert beides anbieten darf!

OL Sie singen im Rahmen des Solistinnenkonzerts Lieder von Grieg, Sibelius und Schubert: Wenn Sie diese drei Komponisten miteinander vergleichen – was ist für Sie das Verbindende und was das Trennende?

LD Für mich ist Edvard Grieg derjenige, der mir am nächsten steht. Die Lieder wurden in meiner Muttersprache, also auf Norwegisch, geschrieben und ich habe ein Album mit seinen Liedern aufgenommen. Doch auch Sibelius ist ein Komponist, von dem ich viel gesungen habe. Beide sind für mich sehr »skandinavisch«, auch wenn ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, was das eigentlich bedeuten soll. Jedenfalls ist Sibelius sehr direkt und vielleicht ein bisschen »sachlicher« als Schubert.

OL Warum haben Sie die entsprechenden Lieder ausgewählt? Um eine Geschichte zu erzählen oder weil sie Ihnen besonders am Herzen liegen?

LD Ich würde sagen, es ist eine Mischung aus beidem. Es sind außerordentliche Lieder, die großartige Poesie und Musik miteinander verbinden. Und da es sich um Lieder handelt, die ich seit Beginn meiner Karriere gesungen habe und singe, weiters, weil sie auch mit meiner Heimat verbunden sind, erhalten sie für mich eine tiefe Bedeutung.

OL Bei Opernarien gibt es einen Handlungs-Hintergrund, es gibt einen singenden Charakter und etliches mehr – all das spielt eine Rolle bei der Interpretation. Wie sieht es mit einem Lied aus? Erdenken Sie sich all diese Hintergründe?

LD Ich denke, dass es in Liedern immer eine Geschichte gibt und manchmal auch eine Figur. Mitunter kommt es mehr von der Sängerin oder dem Sänger, die oder der gerade singt. Gerade diese Variation und Vielfalt im Liedgesang sowie die Tatsache, dass die Interpretation des Textes enorm persönlich sein kann, liebe ich sehr!



LISE DAVIDSON

SOLISTINNENKONZERT

28. September 2023, 20 Uhr

Werke von SCHUBERT, GRIEG, SIBELIUS, BEETHOVEN, VERDI, WAGNER, LEHÁR & LOEWE

Klavier JAMES BAILLIEU

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