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Zeit lassen wie beim guten Wein

Im Jahr 2005 galt Pavol Breslik noch als „Nachwuchssänger des Jahres“ – als er fünf Jahre später, genauer im Jänner 2010 als Nemorino an der Wiener Staatsoper debütierte, war er bereits vom Hoffnungsträger zum internationalen Publikumsliebling avanciert. Seither war er im Haus am Ring auch noch als Lenski und Don Ottavio zu erleben. Nun stellt er sich dem Wiener Publikum als Verdi-Sänger bzw. als Alfredo in der Traviata vor. Das folgende Gespräch führte Andreas Láng.

Sie singen viel Belcanto – worin unterscheiden sich die Herausforderungen zwischen Verdi einerseits und Bellini beziehungsweise Donizetti andererseits?

Pavol Breslik: Nun, ich kann vorerst nur von Alfredo und Fenton sprechen, weitere Verdi-Partien kommen wohl erst in den nächsten Jahren. Was also den Alfredo betrifft, so ist die Tessitura ja nicht sehr hoch – viel spielt sich in der Mittellage ab und der einzige von Verdi geschriebene hohe Ton des Alfredo ist bekanntlich das b und nicht das traditionell gesungene c. Die meisten Belcanto-Partien die ich gesungen habe sind hingegen schon etwas höher gelegen, obwohl ich das ganz hohe Belcanto-Fach, wie etwa Puritani nicht in meinem Repertoire habe.

Gibt es eine musikalische Entwicklung innerhalb der Partie des Alfredo, an der man sieht, dass sich Alfredo als Mensch verändert?

Pavol Breslik: Ja! Für mich ist er ab dem Zeitpunkt, an dem er herausfindet, dass ihn Violetta verlässt, als Figur interessanter. Am Anfang ist Alfredo ein Schwärmer, ein Verliebter, der sich nur zögernd etwas traut. Aber dann kommt die Verzweiflung und mit der Verzweiflung sein Vater, zu dem er ein sehr zwiespältiges Verhältnis hat, später das Flora-Bild: Da lässt sich musikalisch wie schauspielerisch sehr viel machen, zumal die Rolle auch vokal dramatischer wird und man als Interpret mehr Power zeigen kann.

Darf man eine so gefühlsbetonte Rolle wie den Alfredo direkt aus dem Bauch singen, sich also komplett der momentanen Intuition hingeben?

Pavol Breslik: Das sollte man, glaube ich, niemals wirklich. Natürlich ist das Bauchgefühl beim Singen unheimlich wichtig, aber es gibt eine Vielzahl an Sängern, die sich mit dem Nur-aus-dem-Bauch-Singen die Karrieren ruiniert haben. Ich habe in jeder Oper, in jeder Partie Passagen, bei denen ich ausschließlich an die Technik denke – natürlich weiß niemand außer mir, um welche Passagen es sich handelt (lacht).

Kann man auf diese Weise das Singen genießen?

Pavol Breslik: Ich habe einmal meine Professorin gefragt, wann ich endlich alles auf der Bühne zu genießen beginne. Nun, sie hat gemeint: Du bist nicht dafür da, dass Du genießt, das Publikum soll genießen. Aber natürlich macht das Ganze Freude, sonst würde ich es ja nicht machen.

Und wenn Sie selbst im Publikum sitzen, genießen Sie dann?

Pavol Breslik: Ich gehe oft in Opernaufführungen, aber dennoch sind es wohl nur eine Handvoll Abende, die ich komplett genossen habe. Das hat nicht mit der Qualität des Gebotenen zu tun, sondern damit, dass ich ununterbrochen beobachte: Wie macht der andere diese Stelle, wie meistert er jene Herausforderung.

Wenn man in kurzer Zeit plötzlich oben ist, ist man dann insgesamt gespannter oder entspannter?

Pavol Breslik: Das weiß ich nicht, ich bin noch nicht ganz oben (lacht). Aber ich weiß was Sie meinen: Natürlich ist der Druck größer, wenn man auf wichtigeren Bühnen steht – man muss quasi beweisen, dass man zu Recht auf einer höheren Etage angekommen ist. Aber das ist nur eine Sache für den Hinterkopf.

Sie haben gesagt, dass Sie von Verdi vorerst nur Alfredo und Fenton im Repertoire haben – wann kommt der Rigoletto-Herzog?

Pavol Breslik: Das weiß ich nicht. Ich singe in Konzerten ab und zu Ausschnitte wie „La donna è mobile“, die Arie oder das Quartett, aber das ist so etwas wie ein Lernprozess.

Wonach suchen Sie sich neue Partien aus? Gibt es so etwas wie einen Stufenplan: Man muss Rolle x singen, weil man dort etwas lernt, was für Rolle y notwendig sein wird?

Pavol Breslik: Für mich geht es immer genau um die Partie die ich gerade singe oder neu lerne – weiter nach vorn blicke ich nicht. Natürlich wäre es schön, wenn man nach dem Des Grieux und dem Roméo den Hoffmann machen kann. Aber es geht nicht darum, was schön wäre, sondern um die stimmliche Entwicklung. Ich kann also nicht krampfhaft etwas erlernen wollen, um dadurch später eine Partie in mein Repertoire aufzunehmen, die nicht für meine Stimme geeignet ist.

Sie singen sehr viel Mozart …

Pavol Breslik: Ich habe mit Mozart angefangen, weil es zum damaligen Zeitpunkt das Richtige für meine Stimme war, später kamen immer wieder Ausflüge in ein anderes Repertoire, um zu sehen, wie sich die Stimme und mein Körper dabei anfühlen – und es hat geklappt (lacht). Aber ich kehre stets zu Mozart zurück – Mozart ist wie ein Autoservice.

Gibt es ganz spezielle Mozart-Partien, die sich besonders gut als Autoservice-Rollen eignen?

Pavol Breslik: Die Mozarts die ich am häufigsten singe sind Tamino, Belmonte und Ottavio. Ferrando habe ich vor ein paar Jahren abgelegt.

Sie singen auch Lenski und bereiten derzeit Manon vor: Ist das Ihre Entscheidung, dass Sie Französisches und Russisches dazunehmen?

Pavol Breslik: Ja. Lenski mache ich, weil es von Anfag an eine meiner Lieblingsrollen war. Und das französische Repertoire ist unglaublich schön und ich liebe darüberhinaus die Leidenschaft, die die französische Musik enthält. Der Des Grieux in der Manon ist tatsächlich erst in der Vorbereitungsphase, denn die Rollen müssen im Körper wachsen und – das ist grundsätzlich so – je mehr Zeit man sich lässt, desto besser ist es für die Partie. Es ist wie beim guten Wein – man muss die Zeit abwarten, bis man den Barolo öffnen kann.

Gehören Sie zu den Sängern, die während des Singens bewusst das Publikum vergessen oder zu jenen, die ständig an die Zuhörer denken?

Pavol Breslik: Ich vergesse das Publikum, zumal ich kurzsichtig bin (lacht). Nein, ganz im Ernst, ich schaffe mir auf der Bühne eine kleine Welt – wie unter einer Glasglocke – und achte nicht auf das, was im Zuschauerraum passiert.

Proben Sie gerne?

Pavol Breslik: Früher haben zwei, drei Wochen ausgereicht für eine Neuproduktion. Heute benötigen die Regisseure – nicht die Sänger – fünf bis sechs Wochen und das kann schon zu viel

werden. Die Interpreten sollten ja frisch an Kräften und Emotionen bleiben und sich nicht in der Probenzeit auspowern.

Apropos Emotionen: Wie schnell ist man sie nach den Vorstellungen los?

Pavol Breslik: Meist bin ich nach einer Aufführung bis drei in der Früh wach, da ich nicht einschlafen kann. Ich lese, unterhalte mich mit Computerspielen oder analysiere die Vorstellung: Man bleibt nämlich emotional im Theater und spielt dort noch lange weiter.