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»Die Walküre«

Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an den Ring und Ihre Rolle denken?

Wie nur wenige andere Werke ist der Ring des Nibelungen zwar kein Lebenswerk, doch zumindest ein Lebensabschnittswerk. Rund ein Vierteljahrhundert lang beschäftigte Wagner die Erschaffung dieses 17stündigen Zyklus. Von der Konzeption bis zur Vollendung und Uraufführung aller vier Teile lag nicht nur viel persönliche Biografie, sondern maßgebliches kompositorisches und dichterisches Schaffen sowie bewegte europäische Geschichte. Daraus entstand ein gewaltiges Ideen-Amalgam, das Wagner in diese Tetralogie hineinverpackte: Die soziale Vision eines ganzheitlichen Gesellschaftstheaters nach antikgriechischem Vorbild stand zumindest zeitweilig im Raum; politisch-umstürzlerische Überlegungen ragten immer wieder in den Schaffensprozess hinein; natürlich auch die Philosophie, wobei Ludwig Feuerbachs kritische Auseinandersetzung mit der Religion von einiger Bedeutung war und Wagner eigenes Geschriebenes und Gedachtes in Arthur Schopenhauers Werk wiederzufinden meinte. Das primäre Vorhaben, aus alldem ein vor allem auf Episoden aus der Sagensammlung der Edda zurückgehendes einteiliges Nibelungen-Drama zu schaffen, misslang Wagner allerdings bei seinem ersten Versuch. Er erkannte die dramaturgische Notwendigkeit, die zunächst entworfene Geschichte mit der zentralen Figur des jugendlichen Helden Siegfried zu erweitern – und zwar um zeitlich vor der ursprünglich konzipierten Handlung liegende Geschehnisse, um auf diese Weise die Motivation der handelnden Personen und die inhaltlichen Strukturen schlüssig zu untermauern. Der Götterdämmerung (ursprünglich Siegfrieds Tod) stellte Wagner Siegfried (ursprünglich Der junge Siegfried) voran, und diesem wiederum Die Walküre. Die drei Dramen sollte schließlich noch ein großes Vorspiel – Das Rheingold – gleichsam als Auftakt einleiten und zur Tetralogie ergänzen.


ERIC OWENS – Wotan / Wanderer

Wenn ich an den Ring denke, der doch immer wieder innerhalb einer Woche aufgeführt wird, fällt mir auf, wie gut der stimmliche Bogen für Wotan/Wanderer geschrieben ist. Im Fall von Rheingold ist die Rolle des Wotan nicht zu groß, die Walküre ist das stimmliche Herzstück, der Wanderer im Siegfried ist der lyrischste von allen, weniger deklamatorisch, auch wenn er ein bisschen höher liegt. Ich singe ihn gerne, und er tut meiner Stimme sehr gut! Wenn man also alle drei Partien mehr oder weniger hintereinander singt, braucht man einen Komponisten, der für Sängerinnen und Sänger eine entsprechende Feinfühligkeit zeigt. Mir persönlich gefällt der Wanderer vom Charakter her am besten: Er ist nicht mehr so ungestüm und unüberlegt wie früher. Im Rheingold mag er zwar sympathisch wirken, er versucht, so schlau wie Loge zu sein, aber er ist nicht ehrenhaft. Er hält nicht, was er verspricht. Und er scheint sich nicht um die Folgen zu kümmern (wie übrigens fast alle Figuren egoistisch sind, außer Fasolt, der an Freia hängt und dem Wagner eine wirklich schöne Musik gegeben hat). In der Walküre ist Wotan etwas geerdeter – weil er Kinder hat, das verändert ihn. Aber die Frage ist, ob er das Richtige tut, wenn er schließlich Frickas Wünschen nachgibt? Man könnte sagen, ja, denn er versucht, ihr gegenüber ehrlicher zu sein. Aber wie kann man jemanden, der sein eigenes Kind opfert, gerecht nennen? Darauf habe ich keine Antwort.


KS RICARDA MERBETH – Brünnhilde

Was mich an dieser Rolle stets beeindruckt, ist die enorme Spannweite, die diese Figur bietet: Die Brünnhilde beginnt in der Walküre als gehorsames Kind, sie wird zur ungehorsamen und schließlich zur von Wotan bestraften Tochter; in Siegfried geht es weiter zur erwachenden Liebenden und in der Götterdämmerung kommen wir zur gedemütigten, dann rächenden und schließlich versöhnenden Frau – meine liebste Brünnhilde, übrigens. Das alles ist vom Darstellerischen her eine beachtliche Herausforderung, weil man so große Extreme miteinander verbinden muss! Jedes Mal bin ich bewegt, wenn ich diese so komplexe Figur darstellen darf – und ich hoffe, dass auch das Publikum sich stets aufs Neue berühren lässt. Natürlich geht es aber nicht nur um den Figurencharakter, auch musikalisch ist Brünnhilde gleichermaßen erfüllend wie herausfordernd: In der Walküre die Hojotohos am Beginn und dann die Mittellage, die man bieten muss; die Siegfried-Brünnhilde fordert eine sehr gute Höhe und in der Götterdämmerung braucht man eine Kombination aus allem Vorhergehenden. Was mich am Ende aber immer besonders bewegt, ist, dass die Götterdämmerung mit dem Liebesmotiv von Sieglinde – »O hehrstes Wunder« – endet. Das gibt mir stets Hoffnung: den Neuanfang am Ende lese ich als Zeichen, dass es immer wieder weitergeht bzw. weitergehen wird!

MICHAEL NAGY – Alberich

Bei der Beschäftigung mit dem Ring des Nibelungen – das erste Mal mit Alberich –, diesem Opus summum, was allein die schiere Länge der Opern angeht, empfinde ich mich als geradezu archäologischer Entdecker: je tiefer man eintaucht, desto feinsinniger, überraschender und vielgestaltiger erscheint der oberflächliche Konflikt zwischen Gut und Böse. Insbesondere bei Alberich weicht mit zunehmender Beschäftigung die anfängliche Abneigung einer gewissen, fraglos dunklen Sympathie und wirft die Frage auf: Gibt es so etwas wie das uneingeschränkt Schlechte? Wir wissen, dass der Ring maßgeblich unter dem Eindruck der gesellschaftlichen Entwicklungen und Folgen der Deutschen Revolution 1848 komponiert wurde. Ist der Ring also auch eine Art revolutionärer, utopischer Gegenentwurf zur umbrechenden Ordnung? Musikalisch verblüfft (und überfordert) mich persönlich die Meisterschaft, mit der Wagner Motive, »Leitmotive«, entwirft, behandelt, durchführt und auch verschränkt. Nicht nur jene, die eindeutig Personen zugeordnet sind, sondern und insbesondere auch solche, die Gemütszustände auf konzise Weise in Musik zeichnen.

SIMONE SCHNEIDER – Sieglinde

Seit ich die Sieglinde singe, gehört sie zu meinen Lieblingsrollen. Der Grund dafür liegt natürlich in den wundervollen, ausladenden Phrasen, die man hier singen darf, aber auch besonders in den eher stillen Momenten des ersten Aktes, bei den ersten Begegnungen, Blicken und Berührungen zwischen Siegmund und Sieglinde, die so perfekt in der Musik beschrieben werden: Wenn sie ihm das Wasser bringt und sie sich anblicken, später den Wein und sie sich das erste Mal berühren, oder wenn Sieglinde ihm das Schwert weist, nur mit Blicken, da Hunding sie beobachtet – das alles ist so intensiv darzustellen, weil es eben auch musikalisch so perfekt ausgedrückt wird. Diese Momente verschaffen mir immer wieder Gänsehaut – vor allem in einer Inszenierung wie in Wien. Ein weiterer Grund, weshalb ich die Sieglinde so liebe, ist der kurze Auftritt im dritten Akt: Sieglinde hat eigentlich mit dem Leben abgeschlossen. Das zeigt sich in der Musik, weil man sehr tief in der eingestrichenen Oktave zu singen anfängt. Doch dann schwingt sie sich auf, körperlich und musikalisch, als sie von Brünnhilde erfährt, dass sie guter Hoffnung ist, um letztendlich mit dem wunderbaren »O hehrstes Wunder«-Motiv zu enden, welches das Motiv ist, das am Ende des gesamten Zyklus im Orchester als letztes erklingt. Das ist der besondere Aspekt, wenn man in diesem Werk mitwirkt: dass ich als Sieglinde ein Teil des großen Ganzen bin, ein Rädchen in diesem riesigen und faszinierenden Ring-Gewerk – auch das macht das Singen dieser Rolle so erfüllend!

GIORGIO BERRUGI – Siegmund

Spricht man über die Mythologie, so denken heute vielleicht etliche an Fantasy-Stoffe wie Herr der Ringe. Siegmund hingegen ist ganz anders, er ist eine moderne, echte, reale Figur, ein ungemein menschlicher Charakter, mit vielen Widersprüchen – aber sehr offen. Was mich an ihm am meisten beeindruckt, ist seine psychologische Komplexität: ein einzigartiges Beispiel unter allen Figuren im Ring! Aufgewachsen wie ein Wolf, getrennt von der Menschheit, in ständigem Kampf gegen Feinde. Doch anstatt ein wortkarger, von Gewalt getriebener Rohling zu werden, wird er von Freundschaft und der Natur angezogen, er trägt eine seltene Zärtlichkeit in sich und hat einen Sinn für Poesie. Und er sucht auch nach Liebe. Natürlich, Siegmund ist auch heißblütig und es gibt Momente, in denen ihn der Zorn packt. Aber er sucht keine Gewalt, im Gegenteil: er versucht ja, Sieglinde zu helfen. Da er außerhalb der Gesellschaft aufgewachsen ist, kennt er keine Regeln und Gesetze wie das Verbot der Geschwisterliebe. Und in manchen, auch sozialen, Belangen, ist er einfach wie ein kleines Kind. Für mich ist es jedenfalls ein großes Privileg, diese Partie singen zu dürfen, die zu 90 Prozent anders ist als reiner Forte-Gesang voller Dramatik und Gewalt – selbst wenn Siegmund ein Kämpfer ist. Denn es steckt viele Süße in der Partie, viel Zärtlichkeit und Schönheit!

BURKHARD FRITZ – Siegfried (Götterdämmerung)

Es ist faszinierend, dass man als Heldentenor bei Wagner die Möglichkeit hat, gleich zweimal Vater und Sohn verkörpern und so die Familiengeschichte aus mehreren Blickwinkeln betrachten zu können: Parsifal-Lohengrin und Siegmund-Siegfried. Aber während die Väter relativ unbeschadet aus den Werken hervorgehen, finde ich die Söhne charakterlich etwas schwierig. Im Falle von Siegfried: Dass er durch einen magischen Trank innerhalb weniger Takte alles vergisst und erst in dem Moment des Todes erkennt, was er angerichtet hat: das ist als Figur heutzutage nicht einfach zu zeichnen. Natürlich: Durch sein Aufwachsen im Wald weiß er kaum mehr als das, was ihm Drache und Waldvögelchen erzählt haben. Er hat einfach, und das merkt man ja auch im Umgang mit den Rheintöchtern, keine soziale Kompetenz. Nun fragt man sich womöglich, warum Brünnhilde ihn dennoch liebt? Vielleicht aus einem Überwältigungsmoment heraus. Er hat sie aus der fast unüberwindbaren Situation gerettet. Ob aber eine Ehe der beiden 30 Jahre lang gehalten hätte? Spannend ist jedenfalls immer im Ring, dass so vieles besprochen wird, was uns heute betrifft: von Verträgen bis zu zwischenmenschlichen Beziehungen. Und so kann sich jede und jeder fragen, was aus dem, was eben verhandelt wurde, auf das eigene Leben anwendbar ist.


Text Oliver Láng