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© Michael Pöhn
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VIER FRAGEN

AL Die Frau ohne Schatten war eine Art Einstandsgeschenk von Strauss am Beginn seiner Direktionstätigkeit an der Wiener Staatsoper. das Werk wurde also für dieses Orchester, dieses Haus, diese Akustik geschrieben. Was heißt das für einen Interpreten?

CT Als Strauss seine Opern geschrieben hat, sind ihm als Ideal in der Tat zwei Orchester vorgeschwebt: Die Wiener Philharmoniker und die Dresdner Staatskapelle, die sich ja in wesentlichen Punkten so ähnlich sind wie zwei Geschwister – nicht umsonst haben in beiden Stammhäusern dieser Klangkörper auch wichtige Strauss-Uraufführungen stattgefunden. Natürlich kann hier ein Dirigent dadurch auf wunderbare Aufführungstraditionen und eine enorme Werkkenntnis aufbauen – das ist eine Klaviatur, auf der man dann ganz anders spielt als in anderen Häusern: In Wien und Dresden ist eine schier unendliche Farbpalette verwirklichbar, man kann auf ein kammermusikalisches Spiel herunterfahren und, wenn es sein muss, sofort wieder hochfahren. Dass die Wiener Staatsoper nach dem Wiederaufbau die gleiche gute Akustik aufweist wie zu Strauss’ Zeiten, ist ein zusätzliches Glück und erhöht die Freude am gemeinsamen Musizieren noch einmal beträchtlich. Darüber hinaus wird man in Wien und Dresden irgendwie das Gefühl nie ganz los, dass die Tür plötzlich aufgeht und Strauss hereinkommt.

AS Das bedeutet eine ähnliche Ehre wie ein Engagement in Bayreuth. Richard Strauss und die Wiener Staatsoper sind einfach unzertrennlich miteinander verbunden.

AL Die Handlung der Frau ohne Schatten birgt so manche Vieldeutigkeit, Rätselhaftigkeit, Frage. Inwieweit ist die Musik, die Partitur diesbezüglich klarer als das Libretto?

AS Das ist eine interessante Frage. Die Musik ist stets eine universelle Sprache. Der Zuhörer muss das Libretto gar nicht kennen und versteht trotzdem, was gemeint ist. Gerade in unserer Inszenierung wird sehr schnell deutlich, was zB. mit dem »Falken« gemeint ist. Dieser ist nicht bloß ein Jagdvogel, sondern symbolisiert unter anderem die Eifersucht des Kaisers.

CT Wissen Sie, ich finde, dass Frau ohne Schatten inhaltlich in die Troubadour-Sektion gehört. Auch dort begreift man nicht so leicht, wer wessen Bruder ist, welches Kind nun ins Feuer geworfen wurde etc. Und ehrlich gesagt, interessiert uns das gar nicht so sehr. Manches in der Handlung darf durchaus ein Geheimnis bleiben – die Frau ohne Schatten ist schließlich ein Märchen. Aber die Partitur ist wunderbar eindeutig. Strauss hat uns, den Ausführenden wie dem Publikum, durch seine farbige Musik eine Geschichte gegeben, der man folgen kann, eine Musik, durch die der Inhalt tatsächlich klarer wird.

AL Es gibt in einer anderen Strauss-Oper, in Capriccio den herrlich ironischen Satz: »Das unheilbare Gebrechen unsrer Opern ist der betäubende Lärm des Orchesters...die Sänger werden gezwungen zu schreien.«

CT (lacht) Natürlich weisen die meisten Strauss-Opern einen sehr großen Orchesterapparat auf – dementsprechend muss der gute Kapellmeister das Orchester stets dämpfen, zurücknehmen, abschattieren, die fantastische Instrumentierungskunst von Strauss durchsichtig und durchhörbar machen. Wenn die Musiker zu laut spielen, werden ja nicht nur die Sänger zugedeckt, sondern zusätzlich die vielen wunderbaren Farben, die Strauss ins Orchester gelegt hat, nicht mehr wahrnehmbar. Es ist ein großes Missverständnis, wenn manche im Zusammenhang mit Strauss-Opern immer an den Beginn von Also sprach Zarathustra denken oder an das Heldenleben. Nein, hier geht es darum, Ariadne, Arabella, Capriccio im Ohr zu haben. Und an dieser Stelle muss ich wieder das Loblied auf das Staatsopernorchester singen, denn hier muss man nicht ständig wiederholen, dass die Musiker auf die Sänger zu achten hätten. Hier herrscht eben eine Klang-, Musizier- und Begleitkultur.

AS Hahaha, dazu kann ich nur sagen, wenn ich als Sänger schreien würde, wäre ich wie jeder Fussballfan im Stadion nach spätestens 10 Minuten stockheiser. Aber Spaß beiseite: gerade in Wien mit dem hohen Orchestergraben, braucht man als Sänger schon ein gutes Material und eine solide Technik, um immer gehört zu werden. Aber andererseits ist der Klang der Wiener Philharmoniker so wunderbar, dass man sich als Sänger gerne auch mal übertönen, sprich überwältigen lässt.

AL Unabhängig von den großen Höhepunkten eines Werkes, hat jeder Interpret seine ganz besonderen zusätzlichen Lieblingsstellen. Wie sieht es für Sie in diesem Punkt mit der Frau ohne Schatten aus?

AS Ich finde die schon oben erwähnten psychologischen Bilder (zum Beispiel der Falke) sehr spannend und perfekt getroffen. Musik und Text bilden in diesem Werk eine einzigartige Symbiose. Ich freue mich, dabei zu sein.

CT Neben dem herrlichen Zwischenspiel nach der ersten Szene und dem ganz eindringlichen »Dritthalb Jahr« der Färberin, möchte ich hier besonders auf den Schluss des ersten Aufzuges hinweisen: Wenn dieser Wächter-Choral gelingt, dann hat man schon einen Kloß im Hals – nicht umsonst herrscht im Auditorium nach dem Verklingen des letzten Tones zunächst meist eine ganz eigenartige Stille. Mich fasziniert aber genauso Strauss’ grundsätzliche Fähigkeit, Atmosphäre schaffen zu können, sowie sein theaterpraktisches Gespür, seine perfekte Dramaturgie: Jeder Aktbeginn in der Frau ohne Schatten steht in einem bestimmten Verhältnis zum davor gehenden Aktschluss, und es ist natürlich nicht zufällig, dass er dem ruhigen Schluss des ersten Aufzuges als Kontrast einen extrem stürmischen Schluss im zweiten Aufzug gegenüberstellt.
 

RICHARD STRAUSS
DIE FRAU OHNE SCHATTEN

14. 17. 21. 24. OKTOBER 2023

Musikalische Leitung CHRISTIAN THIELEMANN
Inszenierung VINCENT HUGUET

Kaiser ANDREAS SCHAGER
Kaiserin ELZA VAN DEN HEEVER
Amme TANJA ARIANE BAUMGARTNER
Barak MICHAEL VOLLE
Färberin ELENA PANKRATOVA