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© Martyna Galla

Musik gewordene Reinheit

Wenn man in Ihren Auftrittskalender schaut, springen einem förmlich die Rollendebüts entgegen. Wie kommt es zu dieser Häufung?

Aleksandra Kurzak: Das hat in erster Linie damit zu tun, dass sich meine Stimme begonnen hat zu verändern. So etwas ist natürlich immer ein kontinuierlicher Prozess, der bei mir – wie bei vielen Kolleginnen – durch die Schwangerschaft intensiviert wurde. Die Serie an Rollendebüts wurde durch die Rachel in La Juive eröffnet und dann kam tatsächlich eine neue Partie nach der anderen.

Das führt naheliegender Weise zu einem großen Studierbedarf?

Aleksandra Kurzak: Ja, derzeit bin ich laufend am Studieren von neuen Rollen. Im bin sozusagen im Lernmodus. Mein Gehirn ist dadurch aber extrem aufnahmefähig! (lacht) Mir machen diese vielen neuen Figuren und Rollen aber grandiosen Spaß! Und glücklicherweise bin ich mit einem guten Erinnerungsvermögen gesegnet – daher geht sich das alles nebeneinander aus. Ich habe ja jahrelang zahlreiche Koloraturenpartien gesungen, Blonde, Zerbinetta, Königin der Nacht und viele andere. Dass jetzt Mimì, Liù, Nedda, die drei Frauenrollen in Les Contes d’Hoffmann, Micaëla, Alice, Vitellia kamen, ist eine große Veränderung. Aber – wie gesagt – es ist wunderschön! Schon als Kind wollte ich immer Verdi und Puccini singen…

Da aber auch Ihr Kalender nicht unendlich viele Auftrittstage haben kann, bedeuten viele neue Partien auch, dass Sie sich von einigen anderen verabschieden müssen.

Aleksandra Kurzak: Wobei ich durchaus manches gerne in einiger Zeit wieder singen würde. Im heutigen Opernbetrieb ist es allerdings so, dass manche Opernhäuser gerne in Schubladen denken. Jemand der das Fach X singt, bekommt nur Rollen aus diesem Fach. Bisher hat man gesagt: Aleksandra Kurzak kann eine Königin der Nacht singen. Also hat man mir das angeboten. Jetzt wird umgedacht – und ich bekomme andere Rollen. Mir ist aber wichtig, dass man mehreres nebeneinander im Repertoire haben kann. Stimmen entwickeln sich und Stimmen können sehr flexibel sein. Es ist durchaus machbar, Rollen aus unterschiedlichen Schubladen zu gestalten.

Aber strengt dieses Zwischen-Schubladen-Wechseln die Stimme nicht an?

Aleksandra Kurzak: Man muss vorsichtig sein und auf seine Stimme, die sehr fragil ist, aufpassen. Man kann ja nicht wie ein Instrumentalist zum Geigenbauer gehen und sagen: „Da ist was kaputt gegangen, bitte reparieren Sie mir mein Instrument.“ Man muss immer an die Folgen denken! Die Stimmbänder sind nicht austauschbar. Ich bin jedenfalls sehr behutsam.

Sie sangen im Verdi-Fach bisher Alice, Traviata, Gilda, Nannetta – und jetzt Desdemona. Bevor wir über die Desdemona sprechen – was kommt in der nächsten Zeit noch?

Aleksandra Kurzak: Elisabetta und Luisa Miller. Bald!

Desdemona: Ist das eine Traumpartie für Sie?

Aleksandra Kurzak: Es ist vor allem musikalisch ein Traum! Ich bin geradezu verliebt in diese Rolle: Grandios geschrieben, mit einem ganz großen Bogen, mit fantastischen Legatostellen und einer großartigen Piano-/Pianissimo-Kultur. Es liegt so eine unglaubliche Unschuld in dieser Figur, eine Sauberkeit der Seele, eine Reinheit des Herzens! Verdi hat bei der Desdemona zu 98% geschrieben: dolce, piano, mit Gefühl. Es muss engelsgleich klingen, wenn die Desdemona singt, ganz ohne Ballast und Störungen. Man denkt bei Otello ja immer an das große Orchester, an viel Kraft und Dramatik. Das stimmt auch – wenn man an Jago und Otello denkt. Die Desdemona ist aber anders gelagert: Was die Dramatik anbelangt, so hat sie nur einige diesbezüglich ausgerichtete Takte. Im Grunde ist sie das (musikalische) Gegengewicht zu Jago.

Geht Ihnen der dramatische Aspekt nicht ab?

Aleksandra Kurzak: Nicht, solange die Musik so berückend schön ist. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Desdemona hat gewissermaßen einen Charakter, und der ist die Engelshaftigkeit. Man muss dieses Lyrische mit sehr vielen Farben auskleiden, damit sie nicht eindimensional wird. Eine Nedda – die ich eben an der Met sang – hat ganz viele unterschiedliche Wesenszustände, da kann man aus Allem schöpfen. Die Desdemona eben nicht; aber umso intensiver muss man in die Details hineingehen, muss ihre Seelenschönheit musikalisch darstellen.

Liegt in ihrer Reinheit auch eine Stärke?

Aleksandra Kurzak: Unbedingt, würde ich sagen. Gerade dieses „Gute“, das Desdemona verkörpert, ist auch stark. Sie zweifelt nicht, sie liebt. Und das aus ganzem Herzen. Eine solche Herzenskraft muss man als Mensch erst einmal aufbringen! Sie ist schon eine sehr starke Persönlichkeit…

Vergleichbar mit der Liù, die Sie bald an der Wiener Staatsoper singen werden?

Aleksandra Kurzak: Ja, durchaus mit ihr vergleichbar. Wobei Liù sogar noch einen Schritt weiter geht. Sie wird ja nicht ermordet, sondern opfert sich aus Liebe selbst.

Reicht es Ihnen nach Desdemona und Liù dann mit den aufopfernden Frauen?

Aleksandra Kurzak (lacht): Glücklicherweise singe ich so viele unterschiedliche Frauenrollen, dass ich da leicht einen Ausgleich finden kann. Mit einer Desdemona und Liù kann man sich übrigens gar nicht langweilen: sie sind beide so dankbar geschrieben, dass man aus dem Genießen nicht herauskommt.

In beiden Serien – Otello und Turandot – stehen Sie mit Ihrem Mann Roberto Alagna auf der Bühne. Ist Ihr Beruf daheim ein Thema? Oder versuchen Sie außerhalb des Theaters nicht über Theater zu reden?

Aleksandra Kurzak: Wir sprechen ganz viel über das, was wir machen. Da sind wir nicht anders als ein Ärzte-Ehepaar, das über Operationen spricht oder Rechtsanwälte, die über juristische Fragen reden. Es ist ja auch naheliegend: Wir lieben beide die Oper so sehr, dass wir einfach darüber sprechen müssen – und uns auch freuen, dass der andere auch darüber spricht. Allein die Frage: „Wie war dein Tag?“ führt ja sofort zu einem Fachgespräch…

Wie viel Kritik darf in diesen Fachgesprächen vorkommen?

Aleksandra Kurzak: Wir dürfen den jeweils anderen kritisieren. Aber wir geben einander keine Ratschläge. Wie etwas zu verbessern ist … das kann man nur selber herausfinden.

Und proben Sie im Wohnzimmer auch Szenen?

Aleksandra Kurzak: Nein, ganz bewusst nicht. Wir reden über szenische Fragen nie. Einfach, weil wir beide gerne improvisieren und manchmal kleine Änderungen einflechten – um das Spiel frisch zu halten. Ich frage Roberto nicht: „Wie wirst du mich heute Abend umbringen?“ Das Theaterspielen soll spontan entstehen.

Sind Sie doppelt so nervös, wenn Sie mit Ihrem Ehemann auftreten? Oder nur halb so aufgeregt?

Aleksandra Kurzak: Ich bin, ehrlich gesagt, nie nervös. Wenn ich weiß, dass ich gut vorbereitet bin, ist alles gut. Aber ich bin ungeduldig! Ich möchte vor einer Vorstellung immer schon, dass es endlich losgeht. Und dass ich auf die Bühne darf. Natürlich höre ich hinter der Bühne besser zu, wenn Roberto singt – ich wiIl ja, dass alles gut geht. Aber wenn ich mit ihm vor den Vorhang trete, denke ich dennoch in erster Linie an mich. Vielleicht klingt es ein wenig egoistisch – aber das gehört zum Beruf!

Oliver Láng


Otello | Giuseppe Verdi
12., 15., 18., 22. März
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