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© Michael Pöhn

MIT KINDERN im Gespräch

»Musik ist die universale Sprache der Menschheit«, schrieb Henry Longfellow 1835 in seinen Reiseaufzeichnungen Outre-mer. Der amerikanische Schriftsteller äußerte sich unter dem Eindruck einer Europareise. Seine Belege für die Universalität der Sprache Musik stammen darum auch sämtlich aus dem alten Kontinent: In der Schweiz, in Tirol, in den Karpathen, in Schottland und England – überall werde gesungen. 2019 erweiterte ein Team von Forscher*innen der Universität Harvard Longfellows okzidentalen Universalismus gewissermaßen auf die ganze Welt: Ihre Auswertung musikethnologischer und anthropologischer Daten aus mehr als hundert Jahren ergab, dass tatsächlich in allen untersuchten Kulturen, zu allen Zeiten und in allen Weltgegenden musiziert wurde. Auch mit der Stimme: Jede der untersuchten Gesellschaften kannte Gesang. Ist damit also endgültig belegt, dass die gesamte Menschheit mit einer Sprache spricht – oder singt? Wer zum ersten Mal Erfahrungen mit bisher unbekannter, unvertrauter Musik macht, würde wahrscheinlich einer Präzisierung zustimmen: Musik ist universal wie Spache – sie wird von allen Menschen in vielen verschiedenen Gestalten genutzt. Und sie vermittelt sich in der Kommunikation. Sie zu verstehen, emotional oder intellektuell, bedeutet, sie im Austausch zu erfahren. Musiktheater wiederum wendet sich in Sprache, Musik und Darstellung an sein Publikum und setzt sich so mit ihm in Verbindung. Der Regisseur Grischa Asagaroff und der Arrangeur Alexander Krampe haben mit dem Barbier für Kinder ein beliebtes Opernwerk, Gioachino Rossinis Barbiere di Siviglia, für ein bestimmtes Publikum übersetzt – für Kinder ab sechs Jahren. Herausgekommen ist ein Stück, das sein Publikum anspricht: Der Barbier für Kinder verbindet die bekannten Melodien aus Rossinis Werk mit Erzählung, Moderation und Interaktion. Mit großem Erfolg – die bisherigen Serien des Barbier für Kinder wurden vom jungen Publikum mit Begeisterung aufgenommen. Die Ansprache scheint geglückt. Wie ist nun die Erfahrung »auf der anderen« Seite der Kommunikation? Wie haben die Sängerinnen und Sänger ihr junges Publikum in den Vorstellungen des Barbier für Kinder erlebt?

»Ich liebe die Energie in einem Raum voller Kinder, die von der Musik und der Bühnenhandlung mitgerissen werden«, sagt Hiroshi Amako. Der britische Tenor sang in vielen Vorstellungen den Grafen Almaviva und wird diese Partie auch in der kommenden Serie interpretieren. »Das beginnt schon vor der Vorstellung«, ergänzt Patricia Nolz, die in den vergangenen Serien als Rosina im Einsatz war. »Wenn man in der Garderobe den Lautsprecher aufdreht und das Geschrei und das Gelächter aus dem Saal hört – ich möchte das gar nicht werten, aber es ist eine ganz andere Einstimmung als mit einem erwachsenen Publikum«. »Ich erinnere mich an meine erste Vorstellung in dieser Produktion«, erzählt Michael Arivony, zuletzt als Figaro und nun als Doktor Bartolo zu sehen. »Ich fuhr mit meinem Motorroller auf die Bühne und hupte, und alle Kinder begannen sofort zu lachen. Das war unvergesslich. Die Reaktionen sind so unmittelbar, das ist sehr inspirierend.« Und herausfordernd, darin sind sich Patricia Nolz und Hiroshi Amako einig. »Kinder lassen dich auch merken, wenn etwas keinen Sinn ergibt«, so Hiroshi Amako. »Gerade, was Humor anbelangt«, ergänzt Patricia Nolz. »Kinder sind direkt und ehrlich als Publikum. Wenn sie etwas lustig finden, dann lachen sie sofort und laut und schreien auch einmal etwas rein. Wenn aber ein Gag von uns nicht aufgeht, ist die Reaktion genauso unmittelbar – es gibt dann nämlich keine, oder sogar eine negative. Es ist sehr spannend, so eine ungefilterte Interaktion zu erleben.«

Und wie steht es um die Rollenanlage? Inwiefern werden die Charaktere, die Rossini und sein Librettist Cesare Sterbini geschaffen haben, für das junge Publikum aufbereitet? »Die komischen Aspekte werden besonders betont«, erklärt Michael Arivony. »Es wird aber auch besonders auf die Sprache geachtet, die Textverständlichkeit und die Silbenbetonung. Der Wortwitz in der deutschen Sprache soll herüberkommen, das ist sehr wichtig.«

»Rosina ist schon im Originalwerk eigentlich eine freche und mutige Figur«, erklärt Patricia Nolz. »Im Kinderbarbier von Grischa Asagaroff sind diese Aspekte und das Witzige, das Gewiefte besonders betont. Hier geht es weniger um das arme Waisenkind, das vor allem einen guten Mann finden will, als um ein Mädchen, das alles tun würde, um sich nicht zu langweilen – und so auch dem Doktor Bartolo ein wenig das Leben zur Hölle macht«, wie die Sängerin lachend hinzufügt.

Stoff und Produktion finden alle drei Sänger*innen gut für Kinder geeignet. »Der Barbiere war die erste Oper, die ich als Kind in Großbritannien live gesehen habe.«, erzählt Hiroshi Amako. »Ich denke, es ist ein guter Einstieg in die Opernwelt – die Musik ist natürlich fantastisch, aber auch auf die Geschichte kann man sich gut einlassen. Die Charaktere sind larger-than-life, aber zugleich sehr zugänglich, es ist ein bisschen, als würde man einen Cartoon sehen!« Michael Arivony weist auf die bunte, phantasievolle Szenerie mit ihren vielen witzigen Elementen hin und betont auch, dass die Charaktere durch die aufsehenerregenden Kostüme und die pointierte Inszenierung die ganze Aufführung hindurch auch für kleinere Kinder gut in Erinnerung und unterscheidbar bleiben. Der Sänger sieht aber auch eine Botschaft für das junge Publikum: »Im Endeffekt sagt das Stück: Sei einfach du selbst, das lohnt sich immer.« Patricia Nolz wiederum hat eine besondere Entdeckung auf der Ebene der Musik gemacht: »Kinder lieben Koloraturen, vor allem besonders schnelle. Das erwachsene Publikum weiß diese Gesangstechnik als Vokalakrobatik und Ausdrucksmittel zu schätzen. Kinder finden den Koloraturgesang oft einfach wahnsinnig lustig amüsieren sich köstlich dabei!«

In der Übersetzung durch eine besondere Bearbeitung und Inszenierung erhält Gioachino Rossinis musikalische Sprache von ihrem jungen Publikum eine überraschende Antwort – was könnte geglückter und beglückender sein? Vielleicht die Erinnerung, den Barbier für Kinder als eine der ersten Vorstellungen nach einem langen Lockdown zu singen. Hiroshi Amako: »Ich erinnere mich, wie unglaublich es war, die Kinder im Publikum zu hören. Ich konnte hören, wie sie in bestimmten Momenten, wenn die Handlung besonders spannend war, nach Luft schnappten. So etwas gibt unglaublich viel Energie.« »Ich glaube, es war der erste Auftritt nach sechs oder sieben Monaten«, erinnert sich Patricia Noltz. »Es war ein so schöner und auch symbolischer Wiedereinstieg, vor den Kindern als Publikum wieder zu eröffnen. Das hat mich sehr berührt.«

In der kommenden Serie haben die Sänger*innen und das (junge) Publikum nun ein weiteres Mal die Möglichkeit, in Austausch zu treten und herauszufinden, wie ihre gemeinsame Sprache klingt.