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© David Jerusalem

Ich denke in Emotionen

Andreas Schager ist unbestritten eines der sängerischen Aushängeschilder unseres Landes: Wann immer die größten internationalen Bühnen Wagner- oder Strauss-Opern ansetzen, kommen sie hinsichtlich der Hauptpartien nicht nur nicht am Namen des aus Niederösterreich stammenden Tenors vorbei, sie suchen ihn geradezu. Genauso wie sie ihn gerne als Tamino oder als Max besetzen. Im vergangenen Dezember ist der Gefeierte endlich auch an der Wiener Staatsoper zu hören gewesen – in der gefürchteten Partie des Apollo in Daphne. Mit dem Freischütz folgt nun, ein halbes Jahr später, seine erste Premiere im Haus am Ring.

Ihre Energie ist atemberaubend, Ihre Ruhe ebenfalls: Sie gehen mit einer Freude und Lockerheit auf die Bühne hinaus, als ob Sie zu einer privaten Feier gingen. Sie scheinen zudem keine Müdigkeit und Erschöpfung zu kennen – selbst nach einem Tristan nicht. Wie machen Sie das?

Andreas Schager: (lacht) Zum einen bin ich auf einem Bauernhof aufgewachsen und entsprechend geerdet. Zum anderen wurde ich so erzogen, dass ich mich meinen Möglichkeiten gemäß entwickeln konnte – dafür bin ich sehr dankbar. Und schließlich gibt es noch einen Aspekt, der oft nicht genügend beachtet wird: In einen Auftritt steckt man nicht nur Energie hinein, man erhält sie zur Potenz wieder zurück. Ich werde also im Laufe einer Vorstellung richtiggehend aufgetankt – warum sollte ich dann erschöpft sein? Sie haben den Tristan erwähnt … ich bin nach einer Aufführung dieser Oper durch die wunderbare Musik, durch den Umstand, dass ich mitwirken durfte, so voller Energie, dass ich richtiggehend das Gefühl habe: „Machen wir es gleich noch einmal!“

Aber Sie singen selbst bei den Proben zum Teil vollständig aus, gerade so, als ob es sich um die Premiere handeln würde…

Andreas Schager: Naja, den einen oder anderen Spitzenton lasse ich schon weg. Nein, im Ernst: Vielleicht klingt das komisch aus dem Mund eines Sängers, aber ich denke niemals technisch. Ich sage also nicht: Da kommt beispielsweise ein Quintsprung, da eine hohe Note, die ich folgendermaßen vorbereite usw. Ich denke und fühle vielmehr in Emotionen: Hier bin ich zärtlich, dort aggressiv, da kommt ein wütender Ausbruch – und diese Gefühle, Zustände, Situationen versuche ich vokal umzusetzen und zu transportieren. Dadurch lebe ich in der Musik und tue mir stimmlich nicht weh. Und das nicht nur bei den Aufführungen, sondern eben auch bei den Proben. Mit anderen Worten: Das technische Rüstzeug sollte so in Fleisch und Blut übergegangen sein, dass man sich um das Wesentliche, um die Musik kümmern kann.

Für manche scheinen Sie als Heldentenor vom Himmel gefallen zu sein…

Andreas Schager: In Wahrheit habe ich eine wahre Ochsentour – vor allem als Operettensänger – hinter mir, für die ich ebenfalls dankbar bin. Mit Bussen von einer Stadt zur nächsten, hier Wiener Blut, dort Zigeunerbaron – und manchmal sogar zwei Vorstellungen an einem Tag. Und der Barinkay im Zigeunerbaron ist bei Gott eine ordentlich herausfordernde Partie – Johann Strauß hat dieses Werk ja nicht umsonst als Oper und nicht als Operette bezeichnet. Als ich den ersten Siegfried angeboten bekam, habe ich die Partie durchgeblättert, mir die Tessitura angesehen und vor allem das Ausmaß, die Anzahl der Seiten. Und als ich bemerkte, dass sie „nur“ ungefähr zweimal so lang ist wie der Barinkay, dachte ich mir: Quasi Doppelvorstellung Zigeunerbaron, das sollte klappen.

Und vom Siegfried können Sie so ohne Weiteres zum Tamino zurückschalten?

Andreas Schager: Der Tamino ist nur eine Rolle mit einer anderen Geschichte, ein anderer Raum den ich betrete. Aber im Prinzip gehe ich genauso vor, wie schon vorhin beschrieben: Ich erfühle Takt für Takt die in die Partitur gelegten Emotionen.

Sie sind derzeit im Opernbereich so gut wie ausschließlich im deutschen Fach zu Hause. Wie groß ist der Wunsch nach einem Ausflug ins italienische Repertoire?

Andreas Schager: Sehr groß. Die Frage nach dem Otello stellt sich klarerweise fast automatisch. Nur: Wünsche sind eine Sache und die Praxis des Opernalltags manchmal eine andere. Adam Fischer hat einmal zu recht gesagt, dass ein Intendant ein Werk nur ansetzen sollte, wenn er die notwendigen Sänger aufbringen kann. Gehen Opernhäuser nun an die große Aufgabe heran, einen Ring neu herauszubringen, dann werden naturgemäß noch vor dem Regisseur die Sänger für die Brünnhilde und den Siegfried gesucht. Dementsprechend früh wird geplant, früher jedenfalls als bei italienischen Opern. Mein Kalender ist daher bis 2022 randvoll mit den „einschlägigen“ Partien, da ist vorerst leider kein Platz für einen Otello.

Kommen wir zum Max: In der neuen Produktion sind Sie vor allem ein Künstler, ein Komponist.

Andreas Schager: Als ich meinen ersten Max sang, hat der leider schon verstorbene Robert Herzl zu mir gesagt: „Du, das ist leider eine undankbare Rolle.“ Und er hatte irgendwie Recht: Die schöne, bekannte Arie, in der wirklich alles drinnen ist, kommt schon zu Beginn dran, und dann verläuft die – nicht sehr lange – Partie immer mehr. Max ist am Ende nur bedingt präsent. Außerdem ist er ein Versager, was ihn zu Unrecht als schwach erscheinen lässt. Das ist auch einer der Gründe, warum er fälschlicherweise oft zu lyrisch besetzt wird. So wie der Erik im Fliegenden Holländer, den Wagner ausdrücklich nicht larmoyant, sondern kernig, männlich gewünscht hat, muss auch der Max etwas darstellen…

Agathe hat sich ja nicht zufällig in ihn verliebt…

Andreas Schager: Eben, er war ja zunächst beispielsweise der beste Schütze. Auf jeden Fall begrüße ich den Ansatz unseres Regisseurs bei der aktuellen Produktion. Dadurch, dass die eigentliche Handlung sich mit den Visionen und Vorstellungen des Komponisten überschneidet, vieles durch die Brille des Max gesehen wird, ist er deutlich stärker mit der Gesamtgeschichte verwoben und gewinnt demzufolge an Profil. Ja, ich freue mich auf diese Produktion.

Das Gespräch führte Andreas Láng


Carl Maria von Weber
Der Freischütz

Premiere: 11. Juni 2018
Reprisen: 14., 17., 20., 25., 28. Juni 2018


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