Cookie-Einstellungen

Dieses Tool hilft Ihnen bei der Auswahl und Deaktivierung verschiedener Tags / Tracker / Analysetools, die auf dieser Website verwendet werden.

Essentiell

Funktional

Marketing

Statistik
© Flagship Media

Herzenswünsche und Handwerk

Clemens Unterreiner hat keine der Sprossen der Staatsopern-Laufbahn ausgelassen: Stehplatzbesucher, Statist, Kinderopern-Sänger, reguläres Ensemblemitglied: nichts fehlt. Kein Wunder, dass der Bariton das Haus am Ring immer wieder als seine Heimat bezeichnet. Im Gespräch blickt er vor – und zurück.

Wir schreiben September 2018, die neue Saison beginnt. Ein kurzer Rückblick: Wie lief die letzte?

Clemens Unterreiner: Sie hat mit dem Spieler von Prokofjew gleich einmal toll begonnen! Der Spieler ist ja kein „normales“ Repertoirestück, sondern ein bisschen ein frisches Gewürz in unserem Spielplan. Es muss ja nicht immer Traviata oder Tosca sein, es macht ja auch großen Spaß, diese weniger populären Stücke zu erarbeiten und neue Akzente zu setzen. Mit dem Potapitsch hatte ich eine kurze, aber prägnante Rolle; und es war schön, mit Karoline Gruber, einer österreichischen Regisseurin zu arbeiten. Eine wichtige Premiere war für mich auch Dantons Tod: ich sang den Hermann (und coverte den Danton) – und wir hatten ein fantastisches Team. Vor allem über den Regisseur Josef Ernst Köpplinger habe ich mich sehr gefreut, wir kennen einander ja schon so lange! Und selten habe ich so eine gute Stimmung auf der Probe erlebt, selten einen so präzise arbeitenden Regisseur.

Sind diese angesprochenen „neuen Akzente“ für einen Sänger auch deshalb attraktiv, weil sie dem Publikum eben nicht so präsent sind?

Clemens Unterreiner: Ja, genau auch darum! Für mich als Künstler ist es spannend, dieses Repertoire zu erarbeiten, weil die Charaktere noch weniger bekannt sind. Es gibt nicht so wahnsinnig viele prägende Vorbilder, man kann viel leichter etwas schaffen, was es noch nicht gegeben hat. Ich mag diese Verantwortung.

Es gab in der letzten Spielzeit aber auch noch andere Auftritte, den Cuno in der Freischütz- Premiere, aber auch viel Repertoire.

Clemens Unterreiner: Ja, viele unterschiedliche Rollen in unterschiedlichen Stilen und Opern. Dazu kann ich nur sagen: Unglaublich, wie breit dieses Haus aufgestellt ist, oder? Ich freue mich, dass unser Direktor ein so großes Vertrauen in mich setzt – auch in der aktuellen Spielzeit!

Heuer steht der Albert in Werther auf Ihrem Plan. Für Sie eine besondere Oper, da Sie ja im Großen Haus im Werther debütierten.

Clemens Unterreiner: Ja, und nur mit einem Wort: „Klopstock“. Ich sag’s ja immer: Es gibt keine unbedeutenden Rollen. Dieses „Klopstock“ war der Grundstein meiner Laufbahn hier. Mit dem Albert habe ich nun in dieser Oper alle Bariton-Partien – ausgenommen den Werther in der Baritonfassung – durch. Angefangen als Brühlmann, dann Johann und jetzt Albert. Ich durfte ihn ja schon beim Staatsopern-Gastspiel im Oman ausprobieren – umso mehr freue ich mich, ihn hier zu singen. Man kann also sagen: Ich kenne Werther von allen Seiten.

Macht das die Vorbereitung einfacher – oder sogar schwieriger, weil Sie auch eine andere Rolle derselben Oper im Kopf haben?

Clemens Unterreiner: Viel einfacher. Ich habe für den Albert kaum Vorbereitung gebraucht. Weil ich die Oper so oft von der Bühne aus erlebt habe.

Was ist dieser Albert für Sie? Opfer? Täter? Beides?

Clemens Unterreiner: Albert ist ein wenig ein passiver Typ, natürlich weiß er genau, was passiert und was da vor seiner Nase stattfindet, aber er versucht, die Fassade einer heilen Welt aufrecht zu erhalten. In sich ist er eine sehr stabile Figur, die am Schluss verbittert. Für ihn ist die Welt zerbrochen.

Das klingt nach Opfer. Er weiß aber, was er am Ende tut.

Clemens Unterreiner: Das stimmt natürlich, aber er befindet sich in einer Art emotionaler Lähmung. Wir kennen das ja alle: Man sieht etwas, müsste reagieren, blickt aber nur gebannt auf das Geschehen. Ich glaube, Albert geht es ähnlich. Aber selbstverständlich weiß er, wie es enden wird. Möglicherweise will er es einfach nicht glauben. Er sieht sich jedenfalls im Recht und ist einer, der sich womöglich die Sache schönredet, um sich selber ins rechte Licht zu rücken. Das machen ja viele Menschen so… Aber das Nur-Täter-Profil: das möchte ich nicht so gerne zeigen. Albert ist komplexer. Und diese komplexen Farben will ich beisteuern.

Nächste wichtige Rolle: Marcello in La Bohème.

Clemens Unterreiner: Wen würde das nicht freuen? Marcello ist ja auch einer, den ich seit vielen, vielen Jahren kenne. Zunächst als Kind – La Bohème gehört zu den Opern, die sich leicht vermitteln und die man in jungen Jahren schon anschauen kann. Dann als Statist und später als Schaunard. Jetzt den Marcello zu singen ist einfach ein Traum! Noch dazu in dieser Inszenierung, die ich seit jeher kenne und in der ich schon so viele Weltgrößen erlebt habe. Ich freue mich auch schon sehr auf Mariam Battistelli, meine Musetta. Eine so großartige Sängerin – das wird eine Freude. Nein wirklich: La Bohème ist reine Freude und ein Herzenswunsch.

Es kommt aber auch der Papageno in der Zauberflöte. Wohl auch ein Herzenswunsch?

Clemens Unterreiner: Und was für einer! Ich habe ihn schon oft gesungen, nur eben noch nicht an der Wiener Staatsoper. Ich hatte jedoch immer ein Urvertrauen: es kommt schon noch! Und jetzt ist es da. Wissen Sie, meine Karriere ist ja keine schnelle Karriere, dafür verbrenne ich auch nicht. Man gibt mir die nötige Zeit, um mich zu entwickeln und Schritt für Schritt mein Repertoire zu erweitern. Das ist sehr gut für mich – und dafür bin ich auch sehr dankbar.

Gar keine Ungeduld manchmal?

Clemens Unterreiner: Doch, natürlich. Das kennt jeder. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass alles, was ich mit Krampf betreibe, nicht funktioniert. Wohingegen alles, was ich auf mich zukommen lasse, ein glückliches Ende nimmt.

Also der Papageno.

Clemens Unterreiner: Ich sagte vorhin, dass ich mit der Bohème aufgewachsen bin. Aber natürlich auch mit der Zauberflöte. Wer von uns denn nicht? Der Papageno ist eigentlich am einfachsten zu singen, aber es ist sehr schwer, ihn wirklich gut zu geben. Denn man muss den richtigen Ton treffen. Nicht zu akademisch, aber auch nicht zu sehr Volksschauspieler – zumindest nicht an der Staatsoper. Die Mischung macht’s aus. Mein erster Gesangslehrer hatte ja so recht, als er mir am Anfang sagte: „Clemens, wir lernen jetzt Bühnensprechen. Du wirst es brauchen!“ Und ich brauche es, in Opern, in Operetten – und als Papageno. Dabei geht es nicht nur darum, verständlich zu artikulieren, sondern sich auch die Stimme nicht zu ruinieren. Das zu können ist viel wert und ich bin sehr dankbar, dass ich’s lernen durfte. Jedenfalls: Es kommt eine ereignisreiche Spielzeit mit vielen schönen Aufgaben. Dementsprechend habe ich auch meinen Kalender schon freigeschaufelt: Ich muss Zeit haben, diese Partien zu studieren. Hier Ensemblemitglied zu sein ist nicht nur ein Glück, sondern auch eine Verantwortung. Und singen auch ein Handwerk, dem man sich widmen muss und das SEHR ernst genommen werden will! Die Stimme ist eine anspruchsvolle Geliebte – kümmert man sich nicht aufopfernd um sie, belastet man sie zu sehr oder betreibt man Raubbau, verlässt sie einen. Genau deshalb konzentriere ich mich sehr auf die kommende Saison im Einklang mit Körper, Geist und Natur. In der Ruhe liegt die Kraft – so funktioniert die Stimme!

Das Gespräch führte Oliver Láng


Werther | Jules Massenet
22., 25., 28. September 2018

KARTEN & MEHR