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© Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Giselle ou les Wilis

In dem auf den französischen Schriftsteller Théophile Gautier (1811 bis 1872) zurückgehenden Ballett werden sie im zweiten Akt zur alles beherrschenden Macht: Die Wilis.

Von ihrer Königin Myrtha mittels eines „Zauberzweiges“ zur Mitternachtsstunde aus den Gräbern geholt, entfesseln sie tänzerische Kräfte, die für männliche Besucher des Friedhofs zumeist tödlich enden – das uralte Motiv des Totentanzes präsentiert sich hier im Gewande des „sich zu Tode Tanzens“.

Doch wer oder was sind Wilis eigentlich? Laut Reinhard Pohanka (Tatzelwurm und Donauweibchen: Österreichs Naturgeister und Sagengestalten) berichtet bereits der spätantike Historiker Prokopios von Caesarea im 6. Jahrhundert über die Verehrung so genannter Vilen im slawischen Kulturraum, eine Praxis, die bis ins 12. Jahrhundert – offenbar aufgrund ihrer häufigen Verbreitung – von der Kirche ausdrücklich verboten wurde. Die Vilen sind tanzfreudige Schutzgeister der Natur, die einen Lebensbaum haben. Stirbt dieser, stirbt auch die Vila. Desgleichen geschieht den Vilen, falls sie ein Haar verlieren.

Die Vilen = Wilis sind einigen Quellen zufolge insbesondere im slowakischen Sagengut Wiedergängerinnen, junge Frauen, die vor der Hochzeit gestorben sind und aus Gram über ihr unerfüllt und ohne Nachkommenschaft gebliebenes Leben somit im Jenseits keine Ruhe finden können.

Heinrich Heine (1797 bis 1856) und Alphonse Karr (1808 bis 1890) setzten den Wilis literarische Denkmäler – Karr mag sich in seiner Funktion als erster amtierender Präsident der Ligue populaire contre la vivisection, einer Vereinigung, die sich gegen Tierversuche und Tierquälerei wandte (Ehrenvorsitzender der Ligue war Victor Hugo), den Schutzgeistern der Natur besonders verbunden gefühlt haben.

Elena Tschernischovas Version präsentiert uns Giselle als illegitimes Kind des Herzogs von Kurland und damit als Halbschwester von Bathilde, der Verlobten Albrechts, womit die Figur und der Handlungsgang weitere Tragik erhält – der Versuch Giselles, Albrecht als jenseitige Wili vor dem „Tanztod“ zu bewahren, erscheint so noch intensiver.

Tschernischovas Konzept, das Ballett in Schwarz- Weiß zu zeichnen, bezieht sich demnach nicht nur auf das Erscheinungsbild der Ausstattung, sondern auch auf die charakterliche Orientierung der Figuren – eine Strategie, welche durch den traditionellerweise „weißen“ zweiten Akt, ein bedeutendes Ballet blanc, inspiriert und sinnhaft wird.

So gelangt Giselle aus der Realität der grauen Schatten in das reine Weiß des Jenseits, ein Weiß, das jedoch nur für Giselles seelische Reinheit steht, ist es im Falle der Wilis doch auch manchmal trügerisch – Hilarion wird es gar zum Verhängnis.

2011 zum letzten Mal gezeigt, erobern die Schutzgeister des romantischen Balletts nun wieder die Bühne im Haus am Ring.

Oliver Peter Graber


Giselle
22., 23., 24. (vormittags)
26., 28. September
1., 9. Oktober 2017
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