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Geschenk und Arbeit

OL Die übliche erste Frage: Wie hat alles angefangen?
KM Mein Vater war Dirigent von Kirchenchören und ich hatte daher schon früh die Möglichkeit, Proben zu besuchen. Und sehr schnell verliebte ich mich in das, was ich hörte – und versuchte, es zu imitieren. Bald sang ich im Chor Knabensopran: die hohen Stimmen faszinierten mich also von Anfang an. Ich trat in Kirchenchören auf, in der Schule: es war eine allmähliche, aber laufende Fortentwicklung. Im Gymnasium folgten die ersten Soloauftritte und ich erlebte das besondere Gefühl, wie es ist, die Bühne allein für sich zu haben. Das war ein Moment, der mich berührte und bewegte. Und auch wenn es so etwas wie einen zweiten Berufsplan gab – Buchhaltung –, erkannte ich bald, dass ich für die Musik stärker brannte als für alles andere. Das Finanzwesen: das hätte mich interessiert, aber im Vergleich mit einer Bühnenkarriere schien es mir weniger attraktiv.

OL Worin liegt für Sie die Attraktion des Bühnenberufs? Möchten Sie die Musik teilen? Möchten Sie einfach musizieren, wenn es sein muss, auch nur für sich selbst?
KM Ich würde sagen, dass es hier um mehrere Dinge geht. Zunächst ist da sicherlich der Gedanke des Teilens, des Weitergebens an andere. Das führt zu einem anderen Aspekt, zu der Verbindung mit dem Publikum: es ist schön, sich mit Zuschauerinnen und Zuschauern während einer Vorstellung verbunden zu fühlen, mit Ihnen in einen Kontakt zu treten. Und ich freue mich, wenn es gelingt, einen anderen oder eine andere zu berühren. Das Dritte ist ganz einfach: Ich liebe das Singen. Und viertens fühle ich mich mit einer Stimme gesegnet und möchte nicht, dass dieses Geschenk verloren geht. Nicht zuletzt gibt es noch eine Freude: Mir macht das Proben, das Erarbeiten einer Rolle Spaß. Ich mag diesen Prozess, die Vorbereitungen und das Wachsen einer Partie, einer Produktion. Diese Atmosphäre auf der Probebühne, das allmähliche Entstehen eines Opernabends. 

OL Und dass 2.200 Menschen Ihnen an einem solchen Opernabend zuhören – das sorgt für eine weitere Freude?
KM Es ist schon eine Nervensache zu wissen, dass nun so viele Menschen einem folgen! Doch es wird einfacher, wenn man an die Arbeit denkt, die man im Vorfeld geleistet hat. Man hat die Musik studiert, den Text, man hat die Proben gemacht, man weiß, wann man auf der Bühne an welcher Stelle steht. All das gibt mir Sicherheit.

OL Sie verfügen über eine unvergleichlich schöne Stimme, staunen Sie mitunter selbst über sich im Sinne von: Oh, das bin ja ich!
KM Wissen Sie, ich mag meine eigene Stimme auf Aufnahmen eigentlich gar nicht hören! Selbst wenn ich aus Studienzwecken eine Probe oder Aufführung nachhöre, brauche ich ein bisschen Abstand. Es wird aber schon besser, ich gewöhne mich daran. (lacht) Sie haben aber Recht, es ist manchmal tatsächlich so, dass ich mir denke: Dieser Sänger – das bin ich? Ist ja unglaublich! Man darf aber nicht vergessen, dass zu all dem harte Arbeit gehört. Eine Stimme allein reicht noch nicht, das sind vielleicht 20%. Alles andere muss noch dazukommen, also Ausbildung, Arbeit, Sprachstudium. Wie ich es vorhin gesagt habe: Die Stimme ist ein Geschenk, aber sie ist nur eine Anlage, kein Endprodukt. 

OL Und sagt Ihnen Ihre Stimme, wo es langgeht? Oder sagen Sie Ihrer Stimme, wohin sie sich entwickeln soll?
KM Ich glaube, das meiste von dem, was wir tun, läuft mental ab. Ich muss mir also ein geistiges Bild davon machen, wie ich klingen will und wie es beim Publikum ankommen soll. Mit anderen Worten: Ich habe eine Vorstellung von einem Ton und hoffe, dass er so erklingt, wie ich ihn im Kopf habe. Aber natürlich gibt es eine Reihe anderer Faktoren, die auch einen Einfluss auf die Stimme und ihre Entwicklung haben: die Gesundheit, die Lebensumstände und vieles mehr. Derzeit bin ich froh, dass meine Vorstellungen meiner Stimme und der tatsächliche Klang übereinstimmen.

OL Ihre Vorstellungen umfassen wahrscheinlich nicht nur den aktuellen Klang Ihrer Stimme, sondern auch Ihre Zukunft. Wie weit reichen entsprechende Pläne und Überlegungen? Fünf Jahre? Zehn Jahre? 
KM Ich denke, dass die meisten Sängerinnen und Sänger eine Vorstellung davon haben, wohin sich die Karriere in den nächsten Jahren entwickeln soll. Oder zumindest einen entsprechenden Wunsch. Vieles kann man ja nicht vorhersagen. In meinem Fall ist es so, dass ich weiß, dass ich noch viel Arbeit vor mir habe, was meine stimmliche, musikalische und darstellerische Entwicklung anbelangt. Daher ist ein Ort wie das Opernstudio ideal. Und auch wenn das Leben als freie Sängerin oder als freier Sänger das Ziel vieler ist, denke ich, dass für mich in den nächsten Jahren ein Ensemble der ideale Ort ist. 

OL Aber Sie haben eine Liste an Rollen, die Sie vorbereiten und in den nächsten Jahren singen wollen?
KM Natürlich, es sind zehn Partien, die ich zum Teil auch schon gesungen habe. Mozart: Ferrando und Tamino, Donizetti: Ernesto, Nemorino, Tonio, Strauß: Alfred, Strauss: Narraboth, Nicolai: Fenton, Lehár: Camille de Rosillon. 

OL Junge Sänger wie Sie haben den Vorteil, dass Sie aus einer riesigen Auswahl an Aufnahmen wählen können: Auf Plattformen wie YouTube kann man Arien in teils hunderten Aufnahmen nachhören. Ist das ein Segen? Oder gibt es auch Gefahren?
KM Ich höre mir natürliches vieles an und man kann so etliches von älteren Kollegen lernen. Wenn ich zum Beispiel mit technischen Fragen zu kämpfen habe, kann ich darauf achten, wie es andere gelöst haben und es für mich umzusetzen versuchen. Man muss allerdings auch aufpassen. Ich schätze Jonas Kaufmann sehr und versuchte eine Zeitlang, wie er zu klingen – was natürlich ganz falsch ist, allein schon, weil wir zwei ganz unterschiedliche Fächer abdecken. Ganz allgemein soll man niemals jemanden imitieren, sondern seinen eigenen Weg finden. 

OL Wie alles im Leben hat auch der Beruf des Opernsängers nicht nur seine glücklichen Seiten, sondern auch Herausforderungen.
KM Eine ganz offensichtliche ist die Einsamkeit, das bekommt man auch von Kolleginnen und Kollegen zu hören. Oftmals ist man nicht zuhause, lebt in anderen Städten, fern von der Familie. Daher ist es ganz wichtig, sehr kontaktfreudig zu sein, nicht nur daheim zu sitzen, Freunde zu treffen, vielleicht auch Musik zu erleben, die aus einem anderen Genre kommt. Es darf nicht nur sein: Arbeit – daheim. Sondern es muss auch ein soziales Leben geben, das einen Ausgleich schafft. Wie gesagt, gerade auch, weil man oftmals im Ausland und in fremden Städten auftreten darf.

OL Und wie wichtig ist das Leben außerhalb eines Opernhauses, um die verkörperten Rollen mit echtem Leben zu füllen? 
KM Ganz wichtig! Man muss raus, Erfahrungen sammeln, sonst bekommt man ja einen Tunnelblick! Freundschaften pflegen, Bücher lesen, das Leben kennenlernen – das führt dazu, dass man seine Vorstellungswelt erweitern kann. Und das kommt dem Leben auf der Bühne zugute!