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© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor
Brendan Saye (Onegin)
© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor
Hyo-Jung Kang (Tatjana) & Brendan Saye (Onegin)
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Hyo-Jung Kang (Tatjana) & Brendan Saye (Onegin)

Eine Rolle voller Schattierungen

Die Rolle des Onegin im gleichnamigen Ballett von John Cranko ist für die meisten Tänzer »a dream come true«. Der in Vancouver geborene und an Canada’s National Ballet School ausgebildete Brendan Saye ist seit der Saison 2022/23 Erster Solist am Wiener Staatsballett und wird an der Seite von Hyo-Jung Kang als Tatjana sowie mit Aleksandra Liashenko als Olga und Arne Vandervelde als Lenski in der Jänner-Serie zum ersten Mal die titelgebende Partie des Onegin tanzen. Im Interview spricht er über seine Auseinandersetzung mit Crankos berühmtem Ballett und zieht nach seinem ersten halben Jahr in Wien Bilanz.

Im Jänner wirst du das erste Mal als Onegin auf der Bühne stehen. Was bedeutet es für dich, diese Rolle zu tanzen?

BRENDAN SAYE: Onegin war eines der ersten Ballette, das ich sah, als ich an der National Ballet School in Kanada studierte. Seither begleitet es mich. Rex Harringtons Abschiedsvorstellung als Onegin war großartig. Seine Rolleninterpretation ist sehr bekannt und für mich eine große Inspiration. Das Narrativ in Onegin ist eher untypisch für ein Ballett, da der Protagonist auch der »Bösewicht« in der Geschichte ist. Das macht es interessant. Ich bin es gewohnt, Rollen zu tanzen, bei denen die männliche Hauptrolle ein gutes Herz hat, nach Liebe sucht, ein Prinz ist …, aber einen Charakter zu portraitieren, der auch Dämonen und eine gewisse Dunkelheit in sich trägt, ist aufregend. Die Nuancen und Schattierungen von Onegins Persönlichkeit zu finden, ohne ihn zweidimensional als rein böse darzustellen, ist die Herausforderung in dem Ballett. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung und darauf, diese ungewöhnliche, konfliktreiche Liebesgeschichte auf der Bühne zu zeigen.

Mit 18 Jahren hast du bereits die Rolle des Lenski, der im Duell von Onegin erschossen wird, studiert. Wie unterscheiden sich die beiden männlichen Hauptrollen? Welche ist für dich als Tänzer spannender?

BS: Lenski und Onegin sind Traumrollen für jeden Tänzer, die viele Möglichkeiten – sowohl tänzerisch als auch darstellerisch – bieten. Als ich Lenski geprobt habe, war ich jünger und damals war es genau richtig, sich dieser Rolle anzunehmen. Als junger Mann konnte ich mich mehr mit der weichen und romantischen Seite von Lenski identifizieren. Er ist ein Künstler, lebendig, kreativ und leidenschaftlich. Onegin erfordert ein anderes Set an technischen und darstellerischen Werkzeugen und es wäre schwierig, dieses als junger Tänzer abzurufen. Für die Darstellung des dunklen, gequälten Mannes braucht man gewisse Erfahrungen und ein anderes künstlerisches Verständnis. Ich bin jetzt 32 Jahre alt und habe viele ähnliche Rollen wie Oberon in Frederick Ashtons The Dream, der listig und geheimnisvoll ist, oder auch Tybalt in Alexei Ratmanskys Romeo and Juliet getanzt. Das war hilfreich und hat mich auf Onegin vorbereitet. Diesen jetzt zu tanzen, fühlt sich genau richtig an.

Was sind die größten Herausforderungen in Onegin?

BS: Um wieder auf die beiden männlichen Rollen zu sprechen zu kommen: Lenski ist technisch eine sehr anspruchsvolle Rolle. Für Onegin sind die größten Herausforderungen die Arbeit am Charakter und das Partnering, welches außergewöhnlich schwierig ist, was ich aber sehr genieße.

Deine Tatjana ist Hyo-Jung Kang, mit der du bereits in Dornröschen gemeinsam auf der Bühne standest. Kannst du einen Einblick in die Beziehung von Tatjana und Onegin geben?

BS: Spannend ist, dass der größte Pas de deux eine Traumsequenz ist. In dieser Szene ist man nicht der kalte Onegin, den man fast im gesamten Ballett portraitiert, sondern man verkörpert eine Fantasie Tatjanas. Das Duett ist sehr romantisch, man tanzt ihre Imagination von der Beziehung, die die beiden haben könnten. Das ist eine weitere Schicht des Charakters, die ich als Tänzer des Onegin aufdecken muss. Die Beziehung von Tatjana und Onegin ist sehr komplex. Tatjana ist zu Beginn jung, naiv, beinflussbar. Sie ist verliebt in eine Idee von Liebe. Wenn sie auf Onegin trifft, verliebt sie sich Hals über Kopf. Onegin hingegen ist dieser arrogante, gelangweilte Mann, der kein Interesse zeigt. Er nimmt sie wahr, aber ist nicht näher an ihr interessiert und nimmt keine Rücksicht auf ihre Gefühle. Das wird deutlich, wenn er ihren Liebesbrief zerreißt. Er will nur eine gute Zeit haben bzw. dass die Zeit schnell vergeht … Die Beziehung der beiden ist also von Beginn an einseitig bis zu dem tragischen Höhepunkt des Duells: Tatjanas verachtender Blick, der ihn realisieren lässt, was er getan hat, wird zum Wendepunkt. Onegin setzt sich zum ersten Mal mit seinen Taten auseinander, es findet ein kathartischer Moment für ihn statt, der die nächsten zehn Jahre seines Lebens definiert. Wenn er schließlich wieder auf Tatjana trifft, wird ihm bewusst, was er hätte haben können und in der gesamten Zeit nicht gefunden hat. Die jeweils unerwiderte Liebe ist maßgeblich für die tragische Beziehung der beiden und verspricht viel Dramatik.

Hast du einen Lieblingsmoment in dem Ballett?

BS: Das ist schwer, es gibt so viele schöne Momente. Zum Beispiel während des ersten kurzen Pas de deux von Tatjana und Onegin im ersten Akt. Die beiden laufen über die Bühne, lernen sich kennen. Tatjana bleibt stehen und schaut nach unten. Onegin hebt sie in einer Drehung hoch, die Musik erhöht sich ebenfalls. Das ist der Moment, in dem sie sich vollends in ihn verliebt, während er unbeeindruckt bleibt. Der Spiegel-Pas de deux ist großartig. Allein Onegins Auftritt aus dem Spiegel, wenn man all das verkörpert, wonach sich Tatjana sehnt. Das ist ein magischer Moment und das einzige Mal, wo wir ein glückliches Liebesduett tanzen. Ich liebe auch die Szene im zweiten Akt, nachdem Lenski erschossen wurde und Onegin in einem schwarzen Cape in einer langen Diagonale über die Bühne geht. Er realisiert hier vollkommen, zu was für einem Menschen er geworden ist. Das ist ein sehr starker Moment für mich. Und natürlich auch der finale Pas de deux. Tatjana schickt Onegin weg und damit verliert sein letzter Lebensanker den Halt. Onegin hat alles verloren, seine Ehre und seine Integrität. Diese letzte Szene ist voller Verzweiflung und das ist unglaublich zu fühlen und zu tanzen.

Reid Anderson, der das Ballett selbst viele Jahre getanzt hat und ein enger Vertrauter von John Cranko war, hat mit dir an der Rolle gearbeitet. Wie wichtig war die Zusammenarbeit für den Probenprozess?

BS: Ich habe Reid Anderson kennengelernt, als ich Lenski studiert habe. Er hat mich damals für die Rolle vorgeschlagen. Reid ist nicht jemand, der jede noch so kleine Körperhaltung kritisiert. Er gibt den Tänzer*innen viel Raum, um sich der Rolle anzunehmen und einen eigenen Weg zu finden. Was ihm umso wichtiger ist, ist das tiefe Verständnis für die Intentionen der Charaktere. Daran hat er intensiv mit mir gearbeitet und das war sehr wertvoll für meine eigene Auseinandersetzung. Die Choreographie kennt er in- und auswendig, aber das Teilen seines Wissens über die Rollen und was Cranko mit ihnen aussagen wollte, war das Wichtigste für mich. Wenn man so eine große Rolle zum ersten Mal tanzt, ist es wichtig, jemanden wie ihn an der Seite zu haben, der den Samen pflanzt, aus dem man dann wachsen kann.

Die erste Hälfte der Saison ist bereits vorbei. Wie bist du in Wien angekommen?

BS: Sehr gut. Die Tänzer*innen und das Team des Wiener Staatsballetts haben mich unglaublich warm empfangen und waren sehr unterstützend. Es ist ein besonderes Gefühl, auf der Bühne zu stehen und zu spüren, dass jede*r dir die Daumen drückt. Das ist nicht in jeder Compagnie der Fall. Martin Schläpfer ist ein aufmerksamer, fantasievoller und leidenschaftlicher Direktor und Choreograph. Es ist großartig, mit ihm zu arbeiten und gemeinsam im Studio zu sein. In dieser tollen Stadt zu leben und in diesem wunderschönen geschichtsträchtigen Opernhaus zu arbeiten und ein Teil davon zu sein, macht mich glücklich. Von meiner Garderobe kann ich die Sänger*innen auf der Bühne singen hören, das ist jedes Mal ein bisschen magisch.

Worauf freust du dich besonders in der kommenden Zeit?

BS: Meine Premiere in George Balanchines Symphony in C, welche Teil des Ballettabends Im siebten Himmel ist, war ein tolles Erlebnis. Ich habe viele Balanchine-Ballette getanzt, aber noch nie Symphony in C. Meine Partnerin ist Olga Esina und es ist großartig, mit dieser brillanten Tänzerin die Bühne zu teilen.

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