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Eine neue Wiener Julia

Nach Donna Anna, Violetta und Antonia singt Marina Rebeka im Haus am Ring nun die weibliche Titelfigur in Gounods Roméo et Juliette.

Andere Künstler, so die Sopranistin Marina Rebeka, zeigen ihre Gefühlswelt indem sie zum Beispiel Bilder malen, Skulpturen schaffen, dichten, komponieren – sie selbst drückt all das, was sie erfüllt, bewegt, anspornt, ihr Freude, Ängste und Hoffnungen macht, wie sie die Musik versteht und wie sie das zu Erzählende sieht, kurz ihr gesamtes Inneres durch die Stimme, durch den Gesang aus. Aus diesem Grund ist Marina Rebeka letztendlich ja auch Sängerin geworden.

Sie haben einmal erzählt, dass Sie junge Leute, die nicht wissen, ob sie das Zeug zu einem Sänger haben und deshalb bei Ihnen Rat suchen, zunächst einmal fragen, von wem die Initiative ausgeht: Möchten die Eltern, dass das Kind singen soll oder ist es der ausdrückliche Wunsch des Betreffenden selber? Eine Chance hätten nämlich im Allgemeinen nur Zweitere. Wie war das nun bei Ihnen?

Marina Rebeka: Ich habe als Kind, so wie die meisten bei uns in Lettland, in einem Chor gesungen, aber was eine Oper ist, davon hatte ich überhaupt keine Ahnung. Ich muss ungefähr 13 gewesen sein, als mich mein Großvater in eine Opernvorstellung mitnahm. Auf meine Frage, was denn „Oper“ sei, lautete seine Antwort: „Das wirst du gleich erfahren.“ Ich habe es erfahren und mich unsterblich in sie verliebt. Liebe auf den ersten Ton sozusagen. Gegeben wurde damals übrigens Norma und ich erzählte in der Pause jedem der es hören wollte – oder auch nicht hören wollte –, dass ich erstens den Beruf der Sängerin ausüben und zweitens diese Partie singen werde. Selbstverständlich wurde ich von allen mild belächelt. Als ich dann tatsächlich Gesang zu studieren begann, hielt ich es daher so gut es ging, geheim, wollte es nicht an die große Glocke hängen. Und was soll ich sagen? Vor ein paar Wochen stand ich in Triest als Norma auf der Bühne (lacht).

Dass aus dem nicht gerade großen Lettland so viele gute Sänger und Musiker herkommen, hat, wie man oft hört, mit der von ihnen angesprochenen Chortradition zu tun?

Marina Rebeka: Nicht nur mit ihr. Sicherlich singen und tanzen die meisten von uns sehr gerne, aber eine große Auswirkung hat vor allem das sehr strenge und facettenreiche Ausbildungssystem, dann der hohe Stellenwert, den die Musik an sich in unserem Land genießt und die Tatsache, dass wir lange von der Außenwelt abgeschnitten waren. Was kannten wir schon vom Westen in puncto Musik? Die Schallplatten! Und wir dachten, so wie die Sänger auf einer Aufnahme aus der Mailänder Scala der Wiener Staatsoper oder der Met singen, so wäre das durchschnittliche Niveau, das es zu erreichen gilt, wenn wir „draußen“ ebenfalls Fuß fassen wollten. Dass auch die ganz großen Sänger dieser Aufnahmen schlechtere Abende hatten, gelegentlich stimmlich angeschlagen waren, kam uns nicht in den Sinn.

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Sie singen heute an den wichtigsten Bühnen der Welt ein recht breites Repertoire, haben also einen großen praktischen Überblick – können Sie in wenigen Worten sagen, was das Spezielle an den französischen Rollen ist, immerhin sind Sie jetzt im Februar bei uns als Juliette zu hören?

Marina Rebeka: Interessant ist, dass die französischen Komponisten des 19. Jahrhunderts die Sopranrollen zumeist folgendermaßen gestaltet haben: am Anfang soll die Stimme eher leicht sein und sehr hoch hinaufreichen – die Juliette etwa geht bis zum hohen d, nicht anders die Leïla in den Perlenfischern oder Massenets Manon, um noch zwei Beispiele zu nennen – dann wird die jeweilige Partie im Laufe der Handlung mit der fortschreitenden Entwicklung der Figur immer tiefer und dramatischer. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist bei französischen Opern, wenn wir jetzt Rossini mit seinen Koloraturen ein bisschen ausklammern, die Bedeutung des Textes und ihre musikalische Ausdeutung: Die Worte sind gleichsam ein Spiegel von dem, was wir in der Musik hören und umgekehrt.

Man braucht also für eine Juliette genau genommen zwei unterschiedliche Stimmen?

Marina Rebeka: Und für die Traviata womöglich, wie man des Öfteren hört, gar drei Stimmen? Nein, das sehe ich nicht so. Die Voraussetzungen sind eine gute Höhe, sichere Koloraturen, eine lyrische Basis und keine allzu kleine Stimme.

Eduard Hanslick hat seinerzeit kritisiert, dass Gounods Roméo et Juliette zu wenig bombastisch wäre, zu lyrisch?

Marina Rebeka: Aber genau das ist ja die Stärke dieser Oper! Natürlich, verglichen mit einer Grand opéra, wo es immer pompöse Aktionen auf der Bühne gibt, passiert in Roméo et Juliette diesbezüglich nicht so viel, aber ein „mehr“ würde in diesem Fall die ganze Oper zerstören. Es gibt ja ohnehin musikalisch dramatische Stellen wie die Einleitung oder die Giftarie der Juliette, aber bei einer Liebesgeschichte von zwei sehr jungen Leuten ist die Lösung mit den zahlreichen, zentralen Duetten der Protagonisten, wie sie von Gounod geschaffen wurde, ideal.

Welche Passagen liegen Ihnen in diese Oper am meisten am Herzen, Passagen, bei denen Sie am liebsten zum Publikum sagen würden: „Da hören Sie her, wie großartig das jetzt gerade ist!“?

Marina Rebeka: Ich mag zunächst die erwähnten Duette: jenes Madrigal-Duett im ersten Akt, bei dem sich Roméo und Juliette kennen lernen und ineinander verlieben, dann das berühmte Balkonduett im zweiten Akt, das auf Grund der Form eher eine große Scena ist, weiters das Liebesnachtsduett und das dramatische Schlussduett der beiden Sterbenden. Natürlich liebe ich die große schon erwähnte Giftarie ganz besonders und auch die Szene mit der ersten Hochzeit ist wunderbar. Merkwürdigerweise gehört die populäre „ Je veux vivre“-Arie der Juliette am Beginn nicht zu meinen Favoriten, da geht es für mein Empfinden seelisch weniger in die Tiefe, als bei den späteren Auftritten.

Es wird immer wieder gesagt, dass man in den Opern von Gounod deutlich dessen Affinität zur Kirchenmusik durchhört.

Marina Rebeka: Es gibt in Roméo et Juliette beziehungsweise in Gounods Opern ganz generell eindeutig eine Verbindung zwischen Religion, Poesie und Humanismus. Aber seine Werke für die Bühne sind insgesamt viel zu leidenschaftlich, um sie als Kirchenmusik in Kostüm und Maske zu klassifizieren – vom Inhaltlichen ganz zu schweigen. Und auch die immer wieder aufkeimende quasi-leitmotivische Kompositionsweise ist eindeutig der Praxis des Musiktheaters geschuldet.

Wenn Sie für die Musik der Juliette eine Äquivalenz in der Malerei suchen müssten, welcher Maler, welche Stilrichtung würde Ihnen einfallen?

Marina Rebeka: Nun … Rembrandt ist zu dunkel, Claude Monet farblich nicht kräftig genug… vielleicht van Gogh, nicht im Stilistischen natürlich, aber in Hinblick auf die kräftigen, saftigen Farben.

Andreas Láng


Roméo et Juliette

23., 26. Februar 2016, 1. März 2016

Besetzung

Marco Armiliato | Dirigent

Jürgen Flimm | Regie

Patrick Woodroffe | Bühne und Lichtarchitektur

Birgit Hutter | Kostüme

Renato Zanella | Bewegungsregie

Marina Rebeka | Juliette, Tochter Capulets

Juan Diego Flórez | Roméo

Gabriel Bermúdez | Mercutio

Alexandru Moisiuc | Frère Laurent

Margaret Plummer | Stéphano

Carole Wilson | Gertrude

Carlos Osuna | Tybalt

N.N. | Benvolio

Mihail Dogotari | Paris

Marcus Pelz | Grégorio

Il Hong | Capulet

Viktor Shevchenko | Le Duc