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© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Digitaler Probenprozess

Eine Probe für Hans van Manens Ballett Live im Ballettsaal. Die Tänzerin zieht ihre Spitzenschuhe an, bereitet sich auf die nächsten zwei Stunden vor. Die Kameramänner bauen das Equipment auf und beraten sich gemeinsam mit Henk van Dijk, der noch vor einigen Tagen anreisen konnte. Ganz normale Tätigkeiten vor einer jeden Probe, doch etwas ist anders. Statt Rachel Beaujean, Associate Artistic Director des Het Nationale Ballet Amsterdam, die Live mit dem Wiener Staatsballett einstudiert, steht ein Bildschirm aufgebaut am Spiegel. Proben in Zeiten von Covid-19. Corona Proben. Corona-taugliche Proben. Auch der Probenprozess von Mahler, Live bleibt davon nicht verschont. Rachel Beaujean, die in den Niederlanden lebt, kann aufgrund verschärfter Beschränkungen nicht zum Probenstart und für die ersten beiden Probenwochen nach Wien reisen. Was bereits im ersten Lockdown erfolgreiches Kommunikationsmittel weltweit war, hält nun auch Einzug in den Ballettsaal – die Zoom-Konferenz. Und so sitzt Rachel Beaujean in ihrem Büro in Amsterdam und leitet die Probe aus der Ferne. Wie soll das nun gehen? Ohne die Bewegungen zeigend anzuleiten? Ohne Korrekturen direkt am Körper vornehmen zu können? Schnell findet man sich in dem Dilemma des Sprechens über den Tanz, über die Flüchtigkeit von Bewegungen wieder: Wie kann etwas beschrieben werden, wofür es keine Worte gibt? Die Grenzen der Zoom-Probe werden in den Momenten deutlich, in denen es die Einschränkungen des Screens nicht möglich für Rachel Beaujean machen, ihren gesamten Körper, vor allem die Glieder unterhalb der Knie, zu zeigen. So muss sie Beschreibungen finden, statt die Bewegungen direkt zeigen zu können: »Eat the floor with your legs.«. Erstaunlicherweise finden die Einstudiererin und die Tänzerin schnell eine gemeinsame Ebene der Kommunikation und des Verständnisses: Denn die Sprache des Körpers ist doch universell.

Live, ein Ballett, welches sich mit der Gleichzeitigkeit von Bildübertragung und Live-Performance auseinandersetzt, verlegt nun auch den Probenprozess zumindest teilweise ins Digitale. So wie die Uraufführung der Choreografie 1979 neue Wege für das Ballett und die Vereinigung von Tanz und Film eingeschlagen hat, so werden im Jahr 2020 andere Möglichkeiten des gemeinsamen Probens trotz fehlender Anwesenheit aller Beteiligten mit ebendiesem Ballett erforscht. Die Bildmedien, die seit Beginn ihrer Einführung und mit zunehmender Popularität vom reinen Mittel des Archivierens zu einer intensiven intermedialen künstlerischen Auseinandersetzung inspirieren, sind auch hier für das Gelingen eines kreativen Austausches trotz räumlicher Distanz ausschlaggebend. 

Mittlerweile ist Rachel Beaujean in Wien angekommen, probt mit den Tänzerinnen und Tänzern vor Ort und betreut die Endproben für das Ballett auf der Bühne der Wiener Staatsoper.