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© Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Die Lust am künstlerichen Schaffen

In den letzten Jahren hat Herbert Lippert sein Repertoire um wesentliche Partien erweitert – zuletzt kamen etwa mit den beiden Neuproduktionen Lulu und Dantons Tod der Alwa und Camille Desmoulins dazu, vor einem Jahr sprang er kurzfristig mit der herausfordernden Rolle des Paul in der Toten Stadt ein, aber auch ein Bacchus (Ariadne), Siegmund (Walküre), Lohengrin, Golizyn (Chowanschtschina), Boris (Kátja Kabanová) zählen zu seinen jüngeren Erwerbungen. Neu für viele Zuschauer war auch Lipperts bildnerische Ader, mit der er sich dem Staatsopernpublikum im vergangenen Herbst vorstellte. Dass er außerhalb der Staatsoper auch noch als Miterfinder und Leiter des innovativen O-MIA Projektes (Operette Made in Austria) zusätzlich neue Wege geht, stellt seine Vielseitigkeit noch deutlicher unter Beweis. Zeit also für ein Gespräch!

Manche Ihrer Kollegen benötigen Monate, um eine neue große Rolle einzustudieren. Sie hingegen legen in kürzester Zeit ein Rollendebüt nach dem anderen hin – was ist Ihr Geheimnis?

Herbert Lippert: Es handelt sich weder um ein Geheimnis noch um irgendein persönliches Verdienst. Ich habe lediglich den Vorteil, dass ich als ehemaliger Wiener Sängerknabe schon mit acht, neun Jahren unter bedeutenden Dirigenten auf der Bühne gestanden bin. Mir ist das professionelle musikalische Denken, Fühlen, Agieren, also der gesamte musikalische Seinszustand sozusagen zum zweiten Ich geworden, ich habe es gewissermaßen mit der Muttermilch eingesogen. Dadurch fällt es mir leicht, fokussiert und musikalisch stringent zu arbeiten, Partien in zwei oder gar einer Woche zu lernen. Außerdem sind meine fünf Kinder mittlerweile alle aus dem Haus und so bleibt einem zwangsläufig mehr Zeit für den Beruf.

Aber es wäre doch trotzdem schöner und gemütlicher, wenn Sie mit einem größeren Zeitreservoir an die einzelnen neuen Rollen herangingen…

Herbert Lippert: Das gemütliche Arbeiten ist nicht meine Sache. Ich habe es mir schon hunderte Male vorgenommen, manches schon im Voraus, quasi für den Fall der Fälle, zu lernen. Aber es geht einfach nicht. Und mit dem Einspringen in einer neuen Partie ist das so eine Sache – man kann sich auf einen psychologischen Joker stützen.

Der da wäre?

Herbert Lippert: Ich kann mir einreden, dass ich die überaus kurze Vorbereitungszeit als Ausrede hätte, wenn ich versagte. Natürlich weiß ich, dass diese Ausrede in Wahrheit nichts nützt, wenn es tatsächlich schief ginge. Und glücklicherweise ist es auch bis jetzt noch nie schief gegangen. Aber trotzdem beruhigt dieser Joker – der nicht existierte, wenn ich die Partie schon ein halbes Jahr früher gelernt hätte.

Somit wären Sie im Falle einer langen Vorbereitungszeit beim jeweiligen Debüt nervöser?

Herbert Lippert: Ganz sicher.

Ende März haben Sie erstmals den Camille in der Danton-Neuproduktion gesungen. Wie herausfordernd ist diese Rolle?

Herbert Lippert: Sie liegt ideal für mich – die Tessitura könnte man mit jener des Matteo in der Arabella vergleichen. Und sie bietet sowohl musikalisch wie gestalterisch so viele Möglichkeiten! Allein das fünfte und sechste Bild sind kompositorische Geniestreiche. Es ist schon interessant: Jetzt wo ich altersmäßig einem Tamino oder Don Ottavio entwachsen bin, interessieren mich diese früheren oft gesungenen Rollen gar nicht mehr. Stattdessen habe ich viele Partien in klassischen modernen Opern lieb gewonnen – in der Lulu, in Cardillac, im Totenhaus und jetzt eben in Dantons Tod. Ich spüre: Das sind jetzt im wahrsten Sinn des Wortes meine Rollen.

In Ihrer Freizeit malen Sie gerne. Beeinflussen sich Ihre beiden künstlerischen Tätigkeiten gegenseitig?

Herbert Lippert: Eigentlich nicht. Natürlich ist die Malerei ebenso ein Kunsthandwerk wie das Singen und im Falle meines Winterreisezyklus besteht tatsächlich eine Verbindung zwischen der darstellenden und der bildenden Kunst. Aber im Prinzip hat bei mir das eine mit dem anderen nichts zu tun. Ich male, um mich abzulenken, um mich zu regenerieren. Nach einer anstrengenden Bühnenorchesterprobe ist es für mich ein Labsal, zum Beispiel ein großes Ölbild zu schaffen. Andere gehen fischen, ich gehe malen.

Vergangenes Jahr kam es zu den ersten O-MIA Konzerten, am 15. und 16. Mai finden in der Wiener Stadthalle die nächsten statt. Ist dieses nicht eben kleine Projekt auch eine Art Regenerationsprozess?

Herbert Lippert: Die Idee zu O-MIA haben wir mit Ildikó Raimondi entwickelt und fünf Jahre lang vorbereitet. Wir wollten nicht mitansehen, wie der Gattung Operette durch Kitsch und Larmoyanz der Garaus gemacht wird und beschlossen, die Operette und ihre großartigen Schlager ins Heute zu transferieren. Nicht, indem wir die Operette so darstellen wie anno dazumal, sondern mit Hilfe aller vorhandenen multimedialen Möglichkeiten. Dass ich zusätzlich zu den Auftritten auch die Projektleitung übernommen habe, kostet zwar viel Ressourcen und Zeit, legt aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen, neue Kraftreserven und Kraftquellen frei.

Sie haben also drei Jobs: Sie singen, malen und organisieren eine multimediale Konzertreihe…

Herbert Lippert: Meine Frau hat fünf Kinder groß gezogen und hat letztlich acht Jobs ausgeübt – dagegen sind meine drei lächerlich.

Andreas Láng