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Das Staatsopernorchester: Kontrabass-Stimmführer Jurek Dybal

"Man ist erst ein erfüllter und gewissermaßen geprüfter Musiker“, lacht der Kontrabassist Jurek Dybał, „wenn man in der Oper gespielt hat.“ Denn, so fügt er hinzu, mehr als sonst muss man sich hier auf seine Kollegen verlassen, muss spontan reagieren und seine Aufmerksamkeit auf viele unterschiedliche Dinge lenken können. „Da sind die Sänger, die Bühne, der Dirigent, das Orchester – und vieles passiert im selben Moment!“ Ein regelrechter Wahrheitstest ist dieses Opernspielen, so Dybał, ein Wahrheitstest, „ob man ein richtiger, spontaner Musiker ist.“ Und dieses Gleichzeitige, Unmittelbare und Gemeinsame ist es auch, was ihn am Dienst im Orchestergraben der Wiener Staatsoper besonders anzieht. Dass Jurek Dybał für den Musikerberuf geboren ist – das war für ihn bereits im Alter von fünf Jahren klar. „Es gab bei uns daheim stets ein Ritual“, erzählt er. „Jeden 1. Jänner sind wir zu meiner Tante gefahren und haben alle gemeinsam das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Fernsehen angeschaut. Das war eine Familientradition, die streng eingehalten wurde.“ Eine Tradition, die nicht ungewöhnlich scheint, wenn man bedenkt, das alle Familienmitglieder aktive Musiker waren. „Irgendein Instrument hat jeder gespielt, entweder professionell oder als Hobby. Das Musizieren hat einfach zum guten Ton gehört.“ So traf der junge Jurek mit seinem Klavierstudium auch den richtigen Ton: „Ich wollte natürlich den Chopin- Wettbewerb gewinnen“, meint der gebürtige Pole. „Und auch wenn mir das nicht gelungen ist, die Liebe zu Chopin ist mir bis heute geblieben!“ So gesehen war es ein geradezu zuvorkommender Zug des Schicksals, dass Jurek Dybałs Sohn – mit dem Namen Fryderyk – auf den Tag genau 200 Jahre nach dem großen Komponisten geboren wurde …
Noch während des Klavier-Studiums nahm Dybał als zweites Instrument den Kontrabass dazu – und verliebte sich spontan in den Klang und die Möglichkeiten des Instruments. Ein herausragender Lehrer, das gute Unterrichtssystem Polens und sein Talent fügten sich gut zusammen, und schon stieg der junge Musiker die Erfolgsleiter hinauf. Die erste Stufe war das Gustav Mahler- Jugendorchester, bei dem er Claudio Abbado kennen lernte. „Er war so etwas wie ein Mentor für mich, er war einer jener Menschen, die mir Musik ‚gezeigt‘ haben“, erinnert sich Dybał. Dann wechselte er zum Mahler Chamber Orchestra, von dort zu den Münchner Philharmonikern, wo er zwei Jahre lang blieb. Schließlich überredeten ihn zwei Musikerkollegen aus dem Staatsopernorchester, es doch bei einem Probespiel im Haus am Ring zu versuchen. Gesagt – getan. Beim ersten Anlauf schaffte es der Kontrabassist ins Orchester: „Es war kurz vor Weihnachten. Ich weiß noch, wie ich glücklich nach München zurückfuhr – und die Wiener Stelle hatte.“
Heute, nach etlichen Jahren im Staatsopern- Orchestergraben, ist die Liebe zum Beruf ungebrochen – und sogar noch größer geworden. „Puccini zum Beispiel habe ich nur durch das Orchesterspiel lieben gelernt: vielleicht ist er technisch nicht die größte Herausforderung, aber um ihn wirklich gut zu spielen, braucht es ganz viel Erfahrung! Seine Musik hat mir eine neue, große Welt eröffnet, die ich mit jedem Mal mehr schätze.“ Auch das deutsche Fach, etwa Richard Strauss, der die technisch anspruchsvollsten (und daher für Dybał interessantesten) Kontrabass-Stimmen geschrieben hat, schätzt er. Ebenso wie die Musik des Belcanto: „Wenn man Donizetti oder Rossini gut präsentiert, ist für mich diese Musik die reinste Freude!“
Doch ist das alles nur die halbe Wahrheit. Denn in Wahrheit hat Jurek Dybałs Tag 48 Stunden, die er zwischen dem Orchestermusiker-Sein und seiner zweiten Karriere als Dirigent aufteilt. „Begonnen hat es während meines Kontrabass-Studiums. Bei einem Kammermusik-Festival ist die Idee aufgekommen, als Abschlusskonzert einen Kammerorchester- Abend zu gestalten. Also habe ich mich – als dirigierender Musiker – auf die Bühne gestellt und die Veranstaltung geleitet.“ Kollegenlob und Freude an dieser Betätigung weckten in ihm den Wunsch nach weiteren ähnlichen Erlebnissen.
Also bekam er Dirigentenunterricht, nahm an Meisterkursen teil und schnupperte in die Welt auf der anderen Seite des Dirigentenpults hinein. Dybał gründete bald sein erstes eigenes Orchester, übernahm später das Orchester der königlichen Hauptstadt Krakau Sinfonietta Cracovia. Mit dieser verwirklicht er ein breites Programm, das auch die großen symphonischen Werke einschließt. Tourneen führen ihn um die Welt, von Deutschland nach Japan, von Korea nach Russland. Gastdirigate absolvierte er u.a. mit dem Wiener Kammerorchester, Wiener Concert- Verein, Orchestre Philharmonique de Monte Carlo; ein Auftritt mit dem RSO Wien ist geplant. Natürlich, meint er, habe der Orchestermusiker Dybał durch den Dirigenten Dybał einen anderen, schärferen Blick auf Dirigenten gewonnen. „Ich weiß gewissermaßen, wie es in der Küche ausschaut“, lacht er. Aber auch der Dirigent Dybał habe den Orchestermusiker in ihm verändert. „Die Freude am Spiel ist noch größer geworden, weil ich einen besseren Einblick in die Details und in die Strukturen habe.“ Auch als Operndirigent ist er inzwischen unterwegs: An der Schlesischen Oper brachte er Pendereckis Ubu rex heraus – und erhielt prompt den renommierten Theaterpreis Goldene Maske wie auch den Jan-Kiepura-Preis als bester Dirigent des Jahres. „Und Penderecki bezeichnete unsere Aufführung als die beste, die er von seiner eigenen Oper je erlebt habe“, meint Dybał. Preise ist er gewöhnt: Seine Aufnahmen – u.a. bei Sony Classical – wurden vielfach ausgezeichnet (International Classical Music Award, ECHO Award, Pizzicato Supersonic Award, Crescendo Joker Award). Darüber hinaus leitete er Nymans The man who mistook his wife for a hat mit Tomasz Konieczny in Krakau und war als Dirigent vom Nibelungenring für Kinder in der AGRANA STUDIOBÜHNE WALFISCHGASSE zu erleben. Weiters ist er Direktor des International Krzysztof Penderecki Festival – level 320. All das subsumiert Dybał in das weite Gebiet des gemeinsamen, beglückten Musizierens. Sich selber sieht er weniger als Dirigent, denn als „Konzertmacher“ oder als musikalischer Leiter, der die Energie kanalisiert und leitet. Einen Einfluss auf die Musik haben – das bleibt nach wie vor sein Credo: als Kammermusiker, Orchestermitglied – und als musikalischer Leiter!

Oliver Láng