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Das Staatsopernorchester: Hornist Wolfgang Vladar

Eigentlich wollte er Tierarzt werden. Musik, das war Hobby, Interesse, Leidenschaft, eine große Liebe von Kindesbeinen an, genährt durch die Musikbesessenheit des Vaters, der als Heizungstechniker die meisten Billeteure des Wiener Musikvereins zu seinen Kunden zählte und über diesen Weg für sich und seine drei Söhne auf nicht ganz koschere Weise immer wieder Zutritt zu den ausverkauften philharmonischen Abo-Konzerten erhielt. Oder die entsprechenden Übertragungen aus dem Radio aufnahm und regelmäßig abspielte. Klassische Musik war also allgegenwärtig und somit kaum etwas näherliegender als das Erlernen eines Instrumentes. Über die Umwege Klavier und den großväterlichen Wunsch Geige wurde es für Wolfgang Vladar schließlich das immer schon heißgeliebte Horn. Aber noch waren mit dieser Entscheidung keinerlei Berufsabsichten verbunden. Auch noch nicht, als sich mit 16, 17 Jahren die ersten taschengeldaufbessernden „Geschäftln“, also Auftritte in diversen kirchenmusikalischen Formationen mehrten. Ja, selbst dem gewonnenen Probespiel in das Volksopernorchester, knapp nach der Matura am Wiener Musikgymnasium, war ein eher lustvolles „Warum-soll ich das-nicht-auch-Versuchen“ als ein bewusst geplanter Start ins professionelle Musikerdasein vorangegangen. „Ich glaube, ich war schon zwei Jahre fix engagiert, als mir definitiv klar wurde: ‚Das ist ja jetzt dein Beruf!‘“ Und so besitzt in seinem Fall der oft beschworene, aber selten wirklich wahre Spruch bis heute Gültigkeit: Wolfgang Vladar konnte seine Lieblingsbeschäftigung zum Brotberuf machen und hat bis heute nie das landläufige Gefühl arbeiten gehen zu müssen.
Als er dann nach zehn Volksopernjahren, quasi als Krönung, das Probespiel ins Staatsopernorchester und in Folge zu den Wiener Philharmoniker gewann – ging mit einem Mal ein von jeher unbewusster, ferner Traum in Erfüllung: Als Hörender mit dem unverwechselbaren Klang dieses Orchesters aufgewachsen, wurde er endlich Teil desselben. Teil dieses gemeinsam atmenden und gemeinsam musizierenden Organismus, in dem jedem Ton, jeder Phrase, jedem Bogen – kurz: jedem Detail ein besonderer Wert beigemessen wird und der jeweils einzelne, einem Kammermusiker gleich, seine persönlichen Stimmungen und Gefühle im ständigen Aufeinanderhören zum Ausdruck bringt. „Wie sehr dieses Orchester als Einheit zu begreifen ist, zeigt ein kleines Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit“, schmunzelt Vladar: „Vor einigen Jahren gab es mitten in einer Vorstellung des Fliegenden Holländer unter Seiji Ozawa einen kompletten kurzzeitigen Stromausfall und zwar just in dem Moment, in dem das gesamte Orchester drei Forte-Akkorde zu spielen hatte. Beim ersten Schlag waren die Lichter noch an, die anderen beiden erfolgten in völliger Dunkelheit. Aber sie erfolgten – und zwar präzise zusammen. Andere Orchester hätten vielleicht gar nicht weitergespielt oder die Einsätze wären ungenau gewesen, aber bei uns existiert ein Gleichklang im Erfühlen der nächsten Phrase, der nächsten Harmonie.“
Opern-Sänger sprechen gerne von der für die Stimme heilsamen Wirkung von Liederabenden beziehungsweise Mozart-Gesang. Wie sieht es diesbezüglich für Hornisten aus? Was schadet, was nutzt, worauf sollte man achten? Die Antwort Wolfgang Vladars mag aufs erste vielleicht überraschen: Richard Strauss, mit den durchaus hohen Anforderungen, käme dem Ansatz und dem Spiel entgegen, ein deutlich leichter zu spielender Belcanto-Komponist wie Donizetti oder Bellini hingegen nicht. „Wenn Sie einen leichten Holzsessel“, so Vladar, „50 Mal aufheben und niederstellen, bekommen sie nicht einmal einen Muskelkater, wenn jemand aber denselben Sessel fünf Minuten lang in der Waagrechten erhoben halten muss, kommt er bald an eine physische Grenze. Das ist vergleichbar mit dem Hornspiel: Strauss’ Vater war Hornist und damit wusste er genau, was er von Hornisten erwarten konnte. Das Problem beim Belcanto ist, dass es hier oft seitenweise in derselben Lage dahingeht und sich die Muskulatur des Hornisten dadurch verkrampft.“
Wolfgang Vladar spielt übrigens ein Instrument der Österreichischen Hornmanufaktur Jungwirth das, wie er meint, den Intentionen einen Klang interpretatorisch zu färben, sehr entgegenkommt. Dass das Wiener Horn im Spiel grundsätzlich fehleranfälliger wäre als das international verwendete Doppelhorn, stimme für die heutigen Instrumente allerdings nicht mehr. „Früher war der Spitzname Glücksspirale für das Wiener Horn tatsächlich angebracht, da bei jedem Instrument zumindest ein Ton schlecht spielbar war. Heute ist der Instrumentenbau so weit fortgeschritten, dass solche Schwierigkeiten definitiv der Vergangenheit angehören.“ Zum Am-Leben-Erhalten des persönlichen musikalischen Feuers gehört wohl auch der Diskurs mit Gleichgesinnten, sei es, in Wolfgang Vladars Fall, mit den Musiker-Brüdern Stefan und Michael, sei es mit Kollegen, sei es mit Dirigenten. „Einer meiner wichtigen Lehrmeister war sicherlich Nikolaus Harnoncourt. Von ihm konnte man in jeder Probe, durch jedes Gespräch etwas lernen, und selbst wenn er in manchen Details nicht recht hatte – seine auf einem fundierten Quellenstudium basierenden Argumentationsketten konnten allemal neue Sichtweisen eröffnen, die einen in der eigenen Interpretation weiterbrachten“. Und diese persönlichen Interpretationsansätze sind beileibe auch im Orchesterspiel von Bedeutung, vor allem dann, wenn Dirigenten auf den Plan treten, die den vor ihnen sitzenden Klangkörper als kostbares Instrument betrachten, dessen positive Eigenheiten genutzt werden möchten: „Ein Christian Thielemann zum Beispiel, lässt sich gerne von uns Musikern etwas anbieten – und da schadet es natürlich nicht, eigene Vorstellungen zu haben.“


Andreas Láng