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Das Staatsopernorchester: Cellist Gerhard Iberer

Ein später Nachmittag im opernnahen Kaffeehaus Tirolerhof. Trotz des zähen Adventverkehrs kommt Gerhard Iberer pünktlich und vor allem gut gelaunt zum Gespräch, allerdings ohne Cello. Auf die Frage, wo er es denn anderthalbStunden vor der Vorstellung „geparkt“ hätte, erfahre ich, dass an diesem Abend ein sogenanntes Dienstinstrument an der Reihe wäre. Viele der Philharmoniker, erklärt er mir, besäßen gleich zwei unterschiedliche dieser Art – eines in der Operund ein weiteres im Musikverein, was einerseits helfen würde die alltägliche Schlepperei zu verringern und andererseits ermöglicht, dem eigenen Instrument gelegentlich Schonpausen zuzugestehen. Zu seinem privaten Violoncello, auf dem er natürlich ebenfalls regelmäßig spielt, hat er hingegen eine regelrechte Liebesbeziehung aufgebaut. „Ein Juwel, angenehm zu spielen und mit einem eigenenCharme im Klang“, wie Iberer stolz betont. Seit 1982 sein Eigentum hat es durchaus schon den Neid so mancher Kollegen auf sich gezogen.
Fast zeitgleich zu diesem so wesentlichen Erwerb wurde Iberer fix ins Staatsopernorchester aufgenommen,wobei er freilich als Substitut schon einige Jahre früher hinzugestoßen war und auf diese Weise sogar noch Konzerte und Opernaufführungen unter Karl Böhm miterleben durfte. „Damals habe ich etwas für einen Orchestermusikersehr Bedeutendes gelernt“, erinnert sich Iberer schmunzelnd. „Ich war gezwungen quasi ohne Dirigenten und mit dem Konzertmeister zu spielen beziehungsweise die Ohren aufzusperren und auf die Kollegen zu hören – denn dem, was der verehrteDr. Böhm geschlagen hat, konnte man zu dieser Zeit nur mehr bedingt etwas entnehmen.“
Der Name Böhm taucht übrigens in der Vita Gerhard Iberers schon im Jahr 1978 auf, als er nämlich als junger Student den von den Wiener Philharmonikern veranstalteten Dr. Karl Böhm-Wettbewerb für den Streichernachwuchs gewann und sich durch diesen 1. Preis gewissermaßen die Tür in den Orchestergraben der Staatsoper öffnete. „Die erste Zeit ist freilich für keinen im Orchester leicht“, so Iberer. „So manches kann man als Frischling nicht durch technisches Üben allein erlernen. In den berühmten goldenweichen Wiener Klang zum Beispiel muss man erst hineinwachsen.Auch eine Oper von Strauss lässt sich nicht einfach von Blatt spielen – selbst wenn der betreffende junge Musiker die Noten zu Hause studiert hat undtheoretisch beherrscht. Es dauert einfach, bis man eine Salome oder Elektra so spielt, dass man selbst zufrieden sein kann – und das auch nur, wenn man sich reinwirft, sich ranhält“. Mittlerweile gehört der gebürtige Steirer, wie er amüsiert feststellt, mitseinen bald 59 Jahren zu den ältesten im Orchester, in der Cellogruppe ist er nach eigenen Worten gar „der Stammesälteste“.
Fragt man Gerhard Iberer nach Lieblingskomponisten, möchte er sich nicht festlegen, wenn er auch zugibt, dass sich seine diesbezüglichen Vorlieben im Laufe der Jahre gewandelt haben: nicht mehr alles von Puccini und Schubert, dafür vielleichtmehr von Schostakowitsch und Prokofjew. Aber ganz grundsätzlich spricht er lieber über Lieblingskompositionen und besondere Aufführungen bestimmter Werke als über Lieblingskomponisten. Für ihn unvergessen etwa Schuberts 3. Symphonie unter Carlos Kleiber in Mexiko oder der Nibelungenring unter Christian Thielemann in der Wiener Staatsoper. Groß geschrieben ist für Gerhard Iberer darüber hinaus generell die Kammermusik, sowohl als ideale Musizierformation in der das stetigefine tuning in Sachen Aufeinanderhören und Zusammenspiel vorgenommen wird als auch als Möglichkeit der Repertoire-Horizonterweiterung. Demgemäß verwundert auch sein Urteil nicht, wenn er meint: „32 Jahre Quartett-Spiel haben für mich deutlich gemacht: Die besten Kompositionensind hauptsächlich für Streichquartette geschrieben worden.“
Interessant ist es mit ihm auch über das vieldiskutierte Thema Musikalität zu plaudern. Angeboren oder doch erworben? Nach Gerhard Iberers persönlicher Erfahrung ist das Umfeld in der Kindheit auch in puncto Musik äußerst prägend. „MeinGroßvater war Berufsmusiker in Berlin, mein Vater Geiger beziehungsweise Geigenlehrer, Musik daheim daher omnipräsent – selbstverständlich hat dieser Umstand und auch die Tatsache, dass wir eine instrumentale Ausbildung erhielten, mich und meine Geschwister diesbezüglich stark geformt.“
Das Cello wurde es dann aus vielerlei Gründen: Das ursprüngliche Altflöte-Spielen machte ihm Spaß, das spätere (kurze) Klavierspiel überhaupt nicht und das „Gekratze“ der Geschwister auf der Geige war abschreckend. „Also entschied ich mich für dasVioloncello und da mir der Aufwand für die Matura größer schien als das instrumentale Hochschulstudium, wählte ich als bequemer Mensch den Weg des Berufsmusikers.“ Danach ging es recht schnell: Mit 15 kam er (mit einer Ausnahmeregelung, da dasHochschulzugangsalter nicht unter 17 liegen durfte) an die Akademie in der Expositur Oberschützen, mit 20 zum philharmonischen Solocellisten Wolfgang Herzer nach Wien und dann folgte kurz darauf der bereits erwähnte Dr. Karl Böhm-Wettbewerb.Seit seinem 14. Lebensjahr spielte Iberer außerdem regelmäßig in diversen Jugendorchestern große Konzertliteratur – eine wichtige Erfahrungsetappe, die seiner Meinung nach in der heutigen Ausbildung oft zu kurz käme.
Impulsiv wird er, wenn man ihn nach der oft zitierten Routine fragt die er für sich kategorisch ausschließt. Selbst nach 38 Dienstjahren. Neue Sänger, neue Dirigenten, neue Werke oder neue Sichtweisen auf bereits bekannte Werke, inspirierendePersönlichkeiten beim gemeinsamen Musizieren – lauter Gründe also, die einen Musiker antreiben können unentwegt Besonderes zu geben, machen Routine für ihn schlichtweg unmöglich. Nach wie vor erlebt Gerhard Iberer Sternstunden, deren Intensitätihn noch Stunden nach einer Vorstellung nicht loslässt und weiterträgt. Nach wie vor kann ihn Musik emotional packen und tief berühren, sei es beruflich, sei es im privaten Rahmen, wenn er gemeinsam mit seiner Frau Aufnahmen berühmterSänger wie Piero Cappuccilli oder Fritz Wunderlich anhört. Und so erweitert er gerne die von seinem verstorbenen Kollegen, dem legendären philharmonischen Soloflötisten Wolfgang Schulz getätigte Aussage: „Die Oper ist mein Leben“ in „Die Musikist mein Leben“.


Andreas Láng