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Das Haus als Heimat

Seit 2012 gehört die Mezzosopranistin Margarita Gritskova zum Staatsopern-Ensemble. Nach ihrem Debüt als Tebaldo in Don Carlo sang sie ein stetig erweitertes Repertoire, das von der Maddalenain Rigoletto über die Rosina in Il barbieredi Siviglia bis zu Idamante in Idomeneo und die Cenerentola reicht. Im Gespräch mit Oliver Láng erzählt sie von ihrem Leben im Haus am Ring.

Sie stammen aus St. Petersburg und leben seit einigen Jahren hier in Wien. Viel Zeit verbringen Sie – naheliegender Weise – an der Wiener Staatsoper. Wieweit ist dieses Haus zu einer zweiten Heimat geworden?

Margarita Gritskova: Ich fühle mich hier sehr wohl: sowohl am Haus, zwischen all den Kollegen und in dieser guten Atmosphäre, als auch in dieser wunderschönen Stadt. All das, was in der Wiener Staatsoper um mich herum passiert, macht mich sehr glücklich! Ich singe großartige Rollen, bin bei Premieren dabei, kann mich in Ruhe entwickeln – das alles ist keine Selbstverständlichkeit und ist daher etwas Besonderes für mich. Und dank der heutigen Reisemöglichkeiten ist es ja nicht so schwierig, wenn ich meine Familie und Freunde in St. Petersburg besuchen möchte. Und sollte sich das zeitlich nicht ausgehen, können sie ja nach Wien kommen. Das gilt übrigens auch für meine Gesangslehrerin.

Lässt es sich benennen, wie viele Stunden Sie pro Tag in der Staatsoper sind?

Margarita Gritskova: Das kann man so nicht sagen, weil es sehr unterschiedlich ist. Vor Premieren zum Beispiel sind es pro Tag viele, viele Stunden. Man braucht ja Zeit, um eine neue Rolle zu entwickeln, es gibt musikalische und szenische Proben, Ensembleproben und Soloproben und noch vieles mehr. Aber auch, wenn gerade keine Neuproduktion auf dem Plan steht, gibt es natürlich Einstudierungen für neue Rollen, Korrepetitionen fürs Repertoire und so weiter.

Sind Sie jemand, der diese Probenzeit genießt?

Margarita Gritskova: Ich mag diese Zeit besonders, weil wir uns alle in einem Prozess befinden: Man entwickelt etwas gemeinsam mit dem Regisseur, mit dem Dirigenten und den Kollegen, gewinnt allmählich einen immer tieferen Einblick in das Werk und sieht, wie Figuren entstehen. Das ist sehr spannend!

Ist das Proben schöner als dann die eigentliche Aufführung?

Margarita Gritskova: Es ist etwas ganz anderes. Als Kind dachte ich, dass das Beste am Ganzen das Endergebnis ist – eben die Premiere oder eine Vorstellung. Wenn man das Resultat der Arbeit sieht. Aber es gibt eben auch das Davor, den Weg zum Resultat. Und dieser ist jedesmal wie eine Abenteuerreise.

Ist das auch die Phase, in der Sie für sich am meisten lernen?

Margarita Gritskova: Das Lernen findet auf ganz verschiedenen Ebenen statt. Es gibt natürlich die Probenarbeit, musikalische und szenische Proben, aber es gibt auch vieles, was darüber hinaus geht. Man muss ja nicht nur die Noten und den Text und die szenischen Abfolgen kennen, sondern auch ein Wissen darüber hinaus erwerben. Bücher lesen, Bilder betrachten, Gespräche führen. All das gehört dazu und arbeitet in einem – und damit an einer Rolle. Wobei ich ja bei all dem gar nicht sagen kann, dass meine Tätigkeit „Arbeit“ ist. Es ist eine Freude, eine Notwendigkeit.

Was an dieser Freude ist das, was Sie am meisten herausfordert?

Margarita Gritskova: Wahrscheinlich, dass man parallel zu dem, was man selber auf der Bühne macht, auch beobachten muss, was alle anderen machen. Denn wenn einer sich zum Beispiel nicht wohl fühlt oder ein Problem hat, müssen alle anderen darauf reagieren und ihn unterstützen. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf die anderen konzentrieren müssen. Und diese Mehrgleisigkeit ist eben nicht einfach.

Fühlen Sie (noch) Nervosität vor einem Auftritt?

Margarita Gritskova: Früher war ich nervös, aber das ist im Laufe der Zeit weniger geworden. Natürlich gibt es ein spezielles Gefühl, das ich vor einer Vorstellung habe, aber es ist nicht mehr Lampenfieber als solches. Zumindest nicht, solange ich das Gefühl habe, alles für diese Vorstellung getan zu haben, was ich tun kann.

Und nach der Vorstellung? Haben Sie da ein Gefühl der Zufriedenheit?

Margarita Gritskova: Nein, eigentlich nicht. Wie viele andere Kollegen denke ich sofort darüber nach, was ich beim nächsten Mal besser machen könnte. Man ist ja mit der Arbeit nie wirklich fertig, immer wieder findet man etwas Neues und sieht die Möglichkeit einer Weiterentwicklung. Eine kleine – zumindest kurzfristige – Ausnahme sind da Premieren: Wenn nach dem Abend der große Druck weg ist, wenn die Aufführung, für die man so lange gearbeitet hat, geschafft ist – dann feiere ich doch gerne! Aber auch nach der Premiere geht die Arbeit natürlich immer weiter.

Sie singen sehr unterschiedliche Partien – von Cenerentola bis Sesto. Fühlen Sie sich mit einer dieser Figuren verwandt?

Margarita Gritskova: Nein, eigentlich nicht. Ich versuche mich natürlich in die Partien einzufühlen und gut gezeichnete Figuren zu

zeigen. Aber diese Bühnencharaktere sind alle nicht ich, ich persönlich würde mich auch in vielen Fällen nicht so wie sie verhalten. Aber ich kann es spielen und kann mich in die unterschiedlichsten Figuren hineinfühlen, ein bisschen wie eine Soja-Sauce: die kann man ja auch gut für Süßes, Salziges usw. verwenden, und immer passt sie! (lacht)

Ihre drei aktuellen Staatsopern-Mozart-Partien sind Sesto, Dorabella und Idamante: Worin liegen die Unterschiede?

Margarita Gritskova: Es gibt ganz grundsätzliche Unterschiede, die sich aus der Figur ergeben und die natürlich Auswirkungen auf die musikalische Gestaltung haben: Zum Beispiel: Dorabella ist eine Frau, Sesto ein Mann. Dorabella versuche ich eine etwas dunklere Farbe zu geben, jedenfalls gestalte ich die Partie ohne großes Vibrato; Idamante braucht eine hellere Nuance, es handelt sich ja um eine junge, noch recht naive Figur. Und Idamante benötigt, wie auch Sesto, eine sehr instrumentale Führung der Gesangsstimme – wie eine Geige.


Così fan tutte

12., 17. Februar 2016