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© C. Moses

"... dann packt mich das Theatervirus"

Ganz unerwartet konnten manche Wiener Opernliebhaber im vergangenen September das vorgezogene Staatsoperndebüt Stefan Vinkes erleben, als der international erfolgreiche deutsche Tenor für den erkrankten Klaus Florian Vogt als Lohengrin einsprang. Jetzt, im Mai und Juni, folgen nun seine regulär geplanten (ursprünglich ersten) Vorstellungen – und zwar gleich in zwei seiner Paradepartien: als Jung-Siegfried und Götterdämmerung-Siegfried im Nibelungenring. Anlässlich dieser von vielen seit langem und mit Freude erwarteten Vorstellungen sprach er mit Andreas Láng.

Herr Vinke, Sie gehören weltweit zu den gefragtesten Ihres Faches – warum haben Sie sich zunächst mit Händen und Füßen dagegen gewehrt Opernsänger zu werden? Wovor hatten Sie Angst?

Stefan Vinke: Ich möchte nicht sagen, dass ich vor etwas Angst hatte. Es war viel einfacher: Ich wollte nicht Opernsänger werden, weil ich die Gattung als solche nicht kannte. Ich bin zwar mit Musik aufgewachsen, aber eben nicht mit Opern und Theater. Dann ging es allerdings recht schnell: Meine erste Opernvorstellung als Zuschauer erlebte ich mit 26 Jahren, mit 28 trat ich bereits in meiner ersten Rolle öffentlich auf.

Sie sind auch ausgebildeter Kirchenmusiker – spielen Sie noch gelegentlich Orgel?

Stefan Vinke: Selten, eher zufällig. Einmal wollte ich zum Beispiel mit meiner Familie die Weihnachtsmesse besuchen – als mich aber der diensthabende Organist in der Kirchenbank erblickte, erschrak er förmlich und fragte mich, ob nicht ich spielen möchte. Und – natürlich habe ich das dann sehr gerne gemacht.

Man hört, dass Sie während Ihres Gesangsstudiums sehr viele Wagner-Partien schon recht früh zu studieren anfingen. Ahnten Sie damals schon unbewusst, wie wichtig dieses Fach einst für Sie werden sollte?

Stefan Vinke: Ich vielleicht nicht, aber offenbar Edda Moser, meine Lehrerin. Bereits in meiner zweiten Stunde legte sie mir mit den Worten „studieren Sie das, das wird Ihr Repertoire werden“ die Noten von Ein Schwert verhieß mir der Vater hin. Ich hatte zwar keine Ahnung, um was es sich handelte, tat jedoch wie sie verlangte. Im Übrigen glaube ich, dass ihre Vorgehensweise, ausgewählte Arien und Szenen aus unterschiedlichen Rollen zu lernen, grundsätzlich sehr sinnvoll ist. Man bekommt einen großen Überblick und wenn später, im Laufe der Karriere, eine dieser Partien tatsächlich von einem Opernhaus angefragt wird, hat der Betreffende schon von Vornherein einen wichtigen Teil der Einstudierungsarbeit getan.

Den Tristan haben Sie vergleichsweise sehr früh gesungen …

Stefan Vinke: Mein erster Tristan kam auf jeden Fall zu früh – der Kopf war zwar bereit, der Hals aber noch nicht. Um den Anforderungen dieser Partie gerecht zu werden bedarf es einer großen szenischen, musikalischen und vor allem gesangstechnischen Erfahrung. Die kann ein junger Sänger für diese Rolle einfach noch nicht gesammelt haben. Außerdem enthielt mein Vertrag noch nicht jene wichtige Klausel, die es mir erlaubt hätte, Dinge abzulehnen. Zum Glück gab es keine negativen stimmlichen Konsequenzen, es war eine gute Schule und ich machte dann jahrelang einen Bogen um den Tristan.

Bekanntlich ist der gesungene Text in der Mittellage für das Publikum am Verständlichsten – hat Wagner aus diesem Grund so viel in die Mittellage gelegt?

Stefan Vinke: Das glaub ich weniger. Wagner war vielmehr nicht nur ein guter, sondern auch ein intelligenter Komponist, der genau gewusst hat, was man von einer Stimme verlangen kann. Nur ein Beispiel: Nach dem mörderisch schweren zweiten Aufzug gibt er dem Tristan-Sänger bewusst Raum für eine vokale Erholung – denn ehe der erste große Ausbruch im dritten Aufzug kommt, hat der Tristan reichlich in einer angenehmeren Lage zu singen, um die Stimme wieder in Form und Schwung zu bringen. Nicht anders beim jungen Siegfried: Am Beginn des ersten Aufzugs schreibt Wagner sehr viel Parlando, das auf keinen Fall so gesungen werden darf, wie der dritte Aufzug. Natürlich, die Schmiedeszene ist eine Herausforderung, aber wenn man eine gesunde Technik hat und nicht brüllt, sondern mit der eigenen Stimme im wahrsten Sinn des Wortes singt, wird der Abend funktionieren. Denn erstens lässt Wagner den Siegfried nach der Pause nicht gleich auftreten, sondern erst nach 20 Minuten, wodurch der Sänger rund eine dreiviertel Stunde Zeit hat sich zu erholen und zweitens, vergleichbar mit Tristan III, ist der Einstieg sehr vorsichtig und gemächlich ehe der lyrische Teil des Waldwebens drankommt. Richtig zur Sache geht es erst wieder im dritten Aufzug.

Es wird oft darauf hingewiesen, dass Wagner Bellini geschätzt hat und man Wagner-Partien durchaus in der Belcanto-Tradition singen dürfte.

Stefan Vinke: Das wäre denkbar, wenn wir heute noch das Orchester und die Stimmung hätten wie zu Wagners Zeiten. Aber der Orchesterklang ist brillanter geworden, die Stimmung höher, die Streicher sind anders besaitet und die Bläser weiter mensuriert. Mit anderen Worten: Die auf diese Weise geänderten Klangverhältnisse erfordern auch eine andere sängerische Herangehensweise.

Sie haben eine Bombenhöhe – wie sieht es mit Strausspartien aus, die genau so eine Höhe verlangen?

Stefan Vinke: Ich fühle mich in der Tat unglaublich wohl bei Strauss – im letzten Jahr durfte ich den Menelas verkörpern, ein ziemlicher Rachenputzer. Ganz generell würde ich mich freuen, noch mehr Strauss-Angebote zu bekommen. Ganz oben auf meiner Wunschliste der noch nicht gesungenen Partien steht der Kaiser in der Frau ohne Schatten. Und den Apollo, mit dem ich bislang nur konzertant aufgetreten bin, würde ich gerne auch szenisch machen – nebenbei bemerkt eine der schwersten Tenorpartien überhaupt, meines Erachtens nach sogar schwerer als die beiden Siegfriede.

Was machen Sie am Tag einer Aufführung? Schlafen Sie lange? Nehmen Sie den Klavierauszug noch einmal zur Hand, oder macht Sie das nervös?

Stefan Vinke: Allzu lange schlafen kann ich nicht, erstens habe ich eine Familie und zweitens einen ziemlich klar ausgeprägten Biorhythmus. Am Vormittag lese ich tatsächlich gern im Klavierauszug, oft nur um die Inszenierung noch einmal im Kopf durchzugehen.

Machen Sie sich diesbezüglich Notizen in die Noten?

Stefan Vinke: Ich schreibe mir alles Wichtige ins Gedächtnis – dort ist es besser aufgehoben als im Klavierauszug. (lacht) Außerdem: Ich habe bislang beispielsweise 22 unterschiedliche Siegfried-Inszenierungen gemacht, da könnte ich was das Geschriebene betrifft nichts mehr auseinender halten, es wäre eine einzige unleserliche Schmiererei.

Was, wenn Sie am Abend der Vorstellung keine Lust auf die Rolle haben?

Stefan Vinke: Es kommt vor, dass man sich zu Mittag denkt: „Nein, heute Abend will ich wirklich nicht.“ Das ist menschlich und legitim. Aber wenn ich dann schließlich das Opernhaus betrete, packt mich das Theatervirus und spätestens in der Maske freue ich mich wie ein Kind auf den Auftritt. Ich bin, ganz ehrlich, noch nie auf die Bühne gegangen, ohne dass ich eine ungeheure Lust drauf gehabt hätte.


Siegfried | Richard Wagner
7., 28. Mai 2017
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Götterdämmerung | Richard Wagner
10. Mai, 5. Juni 2017
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