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Andrea Carroll im Porträt

Es fing in der Vorschule an. Dort entdeckte Andrea Carroll den Gesang – und entdeckte ihn gleich mit einer ungewöhnlichen Intensität. Sie sang rund um die Uhr, laut, selbstverständlich, mit und ohne Publikum. Und wehe, wenn ein anderes Kind an die Reihe kommen sollte! Gesang, das war ihre Domäne, so lange, so intensiv, bis ein Lehrer schließlich die Mutter verzweifelt mit den Worten anrief: „Sie hört einfach nicht mehr auf…“ Und aufgehört hat sie bis heute nicht. Aus dem singenden Vorschulkind wurde eine Gesangsstudentin, aus der Gesangsstudentin eine Sängerin, aus der Sängerin ein Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper.

Wenn auch dieser Weg einen Beinahe-Umweg über den Broadway nahm. Denn zunächst war Oper so gar nicht nach ihrem Geschmack, die junge Andrea Carroll sah sich zukünftig eher am Broadway singen. Doch dann begleitete sie einmal ihre Großeltern in eine La Bohème-Vorstellung in Washington, verliebte sich Hals über in diese Oper – und Oper an sich. Also ging es für vier Jahre an die Manhatten School of Music und schließlich an die Houston Opera, bis sie Anfang dieser Spielzeit an die Wiener Staatsoper kam. Spürbar waren für sie die Unterschiede zwischen den USA und Europa: „Das Publikum in Amerika liebt Opern, aber dennoch hat Kultur nicht diesen Platz in der Gesellschaft, den sie hier hat. Für viele ist singen so etwas wie ein Hobby, jedenfalls keine Betätigung, die etwa der eines Anwalts oder Arztes gleichkäme. Hier in Europa hingegen sind die Menschen beeindruckt, wenn man Sängerin ist. Es ist ein Beruf, der nicht nur ernst genommen, sondern sogar bewundert und hochgeschätzt wird.“

Aus ihrer broadway-lastigen Jugend hat sie sich die Erfahrung vieler Schauspielklassen und eine Fokussierung auf das Darstellerische erhalten. Ein Singschauspieler zu sein ist für sie eine heute unumgängliche Notwendigkeit, zumal sie sich selbst vom Gesang stärker berührt fühlt, wenn auf der Bühne nicht nur perfekte Töne, so leidenschaftlich agierender, intensiver Darsteller zu erleben ist. „Und interessanterweise singe ich persönlich besser, wenn ich mich nicht nur auf das Gesangliche und die Technik, sondern auch auf das Spielen konzentriere“, erzählt sie. „Es klingt natürlicher, wenn ich auch spiele und durch das Schauspielern das Singen als Vorgang fast vergesse.“ In den letzten Jahren, so erzählt sie, umfassten ihre Rollen „viel Despina, Susanna, Norina, weil ich klein und quirlig bin.“ Was sich gut trifft, da Andrea Carroll auch privat komödiantische Werke schätzt. Vor kurzem aber starb sie als Gilda ihren ersten Bühnentod. „Eine gänzlich neue Erfahrung – und eine Rolle, die eine ganz andere Seite von mir zum Vorschein gebracht hat. Denn normalerweise kann ich nicht lange still sitzen, aber als Gilda auf der Bühne zu sterben, war sehr aufregend. Traurig zwar, und nicht einfach, aber gleichzeitig unerwartet befreiend.“

An der Staatsoper gestaltete sie bisher unter anderem Sandmännchen und Taumännchen in Hänsel und Gretel, Zerlina in Don Giovanni, die Stimme des Waldvogels in Siegfried, die Fatima in der Uraufführung der gleichnamigen Kinderoper von Johanna Doderer. Und natürlich bereitet die Sopranistin im stillen Kämmerlein die eine oder andere zukünftige Rolle, wie etwa eine Mimì in La Bohème oder eine Violetta in La traviata vor. „Ich würde das zunächst niemals in der Öffentlichkeit singen“, mein Carroll, „aber das sind Wunschrollen, die in ein paar Jahren kommen werden.“ Woher sie weiß, dass es soweit ist, diese Partien fix ins Repertoire zu nehmen? „Wenn ich etwas zu singen beginne und es sich zu anstrengend und fordernd anfühlt, dann lege ich es lieber noch eine Zeit lang beiseite. Manchmal glaube ich, dass ich bereits bereit für eine Partie bin und ich singe sie meinem Gesangslehrer vor – und er lehnt dann ab. Man muss in solchen Fällen Geduld haben.“ Wobei, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu, sie mit ihren Mitte 20 ja noch reichlich Zeit für ein wenig Geduld haben darf…

Oliver Láng