Lohengrin

RICHARD WAGNER

»DAS GUTE WIRD NIEMALS OHNE DAS BÖSE, DER HIMMEL NIE OHNE DIE HÖLLE ZU HABEN SEIN.«

RICHARD WAGNER

ROMANTISCHE OPER in drei Akten


Musikalische Leitung  CHRISTIAN THIELEMANN
Inszenierung  JOSSI WIELER, SERGIO MORABITO
Bühne & Kostüme  ANNA VIEBROCK
Licht  SEBASTIAN ALPHONS
Ko-Bühnenbildner  TORSTEN GERHARD KÖPF


König Heinrich  GEORG ZEPPENFELD
Lohengrin  DAVID BUTT PHILIP
Elsa von Brabant  MALIN BYSTRÖM
Telramund  MARTIN GANTNER
Ortrud  ANJA KAMPE
Heerrufer  MARTIN HÄSSLER


Einführungsmatinee 21. APRIL 2024
Premiere 29. APRIL 2024
Premierenserie 29. APRIL  2. / 5. / 8. / 11. MAI 2024


Eine Koproduktion der WIENER STAATSOPER mit den OSTERFESTSPIELEN SALZBURG.


ZU DEN TICKETS

Mit Lohengrin schuf Richard Wagner nach dem Fliegenden Holländer und Tannhäuser die letzte seiner drei großen romantischen Opern. Im erzwungenen resignativen Rückzug des Helden am Ende dieses Werkes nahm der Autor sein eigenes Exil vorweg: Die Teilnahme an den Dresdner Maiaufständen 1849 kostet ihn seine Königlich Sächsische Hofkapellmeister-Stelle und macht ihn zum politischen Flüchtling. In Zürich vor Strafverfolgung sicher, begibt Wagner sich in eine lange Latenzphase kunstphilosophischer Spekulation, während derer die Konzeption der Nibelungen-Tetralogie in ihm reift, mit der er sich vom Operntheater seiner Gegen- wart bewusst verabschiedet. Die Uraufführung seiner »liegengebliebenen« letzten Oper, aus der er noch in Dresden 1848 konzertant Fragmente präsentiert hatte, wird von dem befreundeten Franz Liszt 1850 in Weimar ermöglicht und kuratiert – in Abwesenheit ihres steckbrieflich gesuchten Autors. Während die Uraufführung eher auf Ratlosigkeit und Kritik denn auf Verständnis stößt, wird im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts gerade diese Oper mit ihrer Melodienfülle und Martialik zum entscheidenden Motor der Durchsetzung des Komponisten auch in breiteren Publikumsschichten. Wagners Lohengrin, Gipfel der künstlerischen Romantik, gestattet zugleich einen Ausblick in den Abgrund politischer Romantik: Der Narzissmus einer ganzen Nation spiegelte sich im Idealbild des rätselhaften Schwanenritters, der einer bedrängten Jungfrau zu Hilfe eilt und die Einigkeit und Wehrhaftigkeit des Reiches gegen innere und äußere Feinde zu stärken weiß; dessen Mission scheitert, weil die gerettete Jungfrau dem Anspruch seiner Liebe, die fraglose Hingabe fordert, nicht gewachsen ist und erfasst wird vom Zweifel an seiner Reinheit und Unhinterfragbarkeit; der sich – unverstanden – aus der Menschenwelt wieder in die Höhenluft seiner tragischen Einsamkeit zurückzieht. Wagner hat hier eine Projektionsfläche geschaffen, in der sich Herrscher- und Führergestalten von Ludwig II. bis Adolf Hitler wiederzuerkennen glaubten und deren Aura zugleich die Rollenbilder der patriarchalen bürgerlichen Ehe mythisch zu verklären strebt.

Kein zweites Werk Wagners hat ebenso viel gläubige Hingabe erfahren wie kritischen Spott ertragen müssen wie der Lohengrin. Eines ist klar: Angesichts der Aporien dieses Werks ist das Theater aufs Äußerste gefordert, eine ebene insistente wie sensibel-immanente Dekonstruktion seiner Rollenbilder und Konfliktstrukturen zu entfalten. Einzig die im Stück selbst tabuisierte und dämonisierte, in Gestalt der heidnischen Hexe Ortrud personifizierte Kultur des Zweifels ist es, die der epochemachenden und zugleich zutiefst fragwürdigen Kunst Richard Wagners heute angemessen ist. Das »Amplifizieren, Realisieren und Genaumachen des mythisch Entfernten« – durchaus im Sinne des hier zitierten Thomas Mann – sind Gestaltungsstrategien, an denen sich die Theaterkunst von Wieler, Morabito und Viebrock misst. Sie haben sich hinabbegeben in das Märchen- und Mythenmyzel, auf dem Wagners eklektizistischer Lohengrin-Mythos aufsitzt. Dabei sind sie auf ein Märchen gestoßen, das so beginnt: »Es war einmal ein König, der starb und hinterließ zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter war aber ein Jahr älter als der Sohn. Und eines Tages stritten die beiden Königskinder miteinander, welches von ihnen beiden König werden sollte, denn der Bruder sagte: ›Ich bin ein Prinz, und wenn Prinzen da sind, kommen Prinzessinnen nicht zur Regierung.‹ Die Tochter aber sprach dagegen: ›Ich bin die erstgeborene und älteste, mir gebührt der Vorrang.‹«

Diese Erzählung hat die Folkloreforschung in unzähligen Varianten nachweisen können. Meist führt die Rivalität zum Mord des Bruders an seiner Schwester; in einigen Fällen aber ist es umgekehrt die ältere Schwester, die mit dem Mord am jüngeren Bruder gegen die patriarchale Geschlechterfolge rebelliert. Genau dieser verschwiegene und verdrängte Konflikt löst das Geschehen der Oper aus: Elsa ist die erstgeborene Tochter des Herzogs von Brabant, aber als Frau von der Thronfolge zugunsten ihres jüngeren Bruders Gottfried ausgeschlossen. Zudem soll sie aus Gründen patriarchalen Machterhalts mit ihrem Vormund Telramund zwangsverheiratet werden. Genügend gute oder schlechte Gründe also, sich aus der ihr zugewiesenen demütigenden Geschlechterrolle durch einen Gewaltakt zu befreien. Und dass es eine zutiefst ambivalente, zwischen Liebe und Hass oszillierende Geschwisterliebe ist, die Wagners Lohengrin-Erzählung generiert, hat bereits die erste psychoanalytische Lektüre durch Otto Rank 1911 herauskristallisiert.

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Über diese Playlist

Christian Thielemann, der die Lohengrin-Premiere dirigieren wird, ist am Anfang und Ende der Playlist mit den Vorspielen zum 1. und 3. Akt zu hören. Zwischen diesen Titeln sind Highlights aus bedeutenden Live- und Studio-Aufnahmen zu hören: die Produktionen unter Rudolf Kempe (München 1951 und Wien 1963) und Rafael Kubelik sind für Kenner und Sammler nach wie vor maßstäblich, ebenso die Bayreuther Mitschnitte mit Sandor Konya als Lohengrin; neben ihm zwei legendäre Interpretinnen der Elsa: Leonie Rysanek und Elisabeth Grümmer. Dass die Titelrolle enorm gewinnt, wenn sie vom Sänger wie eine italienische Partie angegangen wird, zeigen auch die Aufnahmen von Franz Völker und Jonas Kaufmann. Von diesem Ansatz profitiert selbst die als »Brüllpartie« abgestempelte Rolle des Telramund, wie bei Josef Metternich exemplarisch zu hören. Und was wäre eine Ortrud ohne den Klang gefährlicher Verführung? Hier haben Margarete Klose und Christa Ludwig den Maßstab gesetzt; »Entweihte Götter!« war in Aufführungen mit der Ludwig ein echter Show-Stopper, so auch bei der Premiere von Wieland Wagners Neuinszenierung, 1965 in Wien.

Lohengrin und der Gralswelt gehört in ihrer »blau-silbernen Schönheit« (Thomas Mann) die Tonart A-Dur, dem Antagonistenpaar Ortrud/Telramund das finstere, wilde fis-Moll (die Paralleltonart), und alles, was den König meint, tritt in ebenso plakativem wie letztlich leerem C-Dur hervor.

Der König hat die Blechbläser auf seiner Seite, Ortrud/Telramund werden von Holzbläsern und tiefen Streichern grundiert und Lohengrin umgibt ein gleißender Strahlenkranz aus vielfach geteilten Geigen. Gleichzeitig spiegeln sich die Motive Lohengrins und Elsas ineinander, ja, sogar Ortruds Sphäre findet sich darin geborgen. »Es ist eine Welt, in der wir leben«, sagt Wagner – »das Gute wird niemals ohne das Böse, der Himmel nie ohne die Hölle zu haben sein«.