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© Michael Pöhn
Regisseur David Mc Vicar bei den Proben zu "Ariodante"

Erstaufführung eines barocken Opernhits

Mit Ariodante wendet sich die Wiener Staatsoper erneut dem Barockkomponisten Georg Friedrich Händel zu: Das Werk, für das Londoner Opernhaus Covent Garden geschrieben, wurde 1735 mit großem Erfolg uraufgeführt – und erklingt nun, rund 280 Jahre später, erstmals im Haus am Ring. Ein kurzer Abriss zu Werk und Produktion.

Im Rückblick sieht alles ganz einfach aus. Doch inmitten der Arbeit, der Fehden und dem Ringen um Erfolg konnte sich durchaus Ernüchterung zeigen. Denn so zwingend und logisch, wie uns heute manches in der Operngeschichte scheint, war es im Augenblick der Geschehnisse oftmals nicht. Als etwa Georg Friedrich Händel im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts die italienische Oper in London mitverankerte, tobten nicht nur allerlei Opernkämpfe, züngelten nicht nur Intrigen, sondern es türmten sich auch ganz handfeste Finanz- und Auslastungsprobleme auf. Die englische Oper war durchaus kein Selbstläufer, sondern benötigte laufend Pioniergeist, Mut und Unterstützung. Letztere kam unter anderem vom König selbst, der eine Institution namens Royal Academy of Music, die sich um (Händels) Opernaufführungen kümmerte, subventionierte und förderte. Doch war es damit nicht getan. Denn der aufmüpfige und mit dem König im Clinch liegende Adel gründete als kulturelle Gegenveranstaltung eine eigene Opern-Organisation, die Nobility-Opera, die dem königlichen Unternehmen Konkurrenz machen sollte. Komponisten und Opern-Unternehmer konnten da ganz leicht zwischen die Stühle und in die politischen Mühlen geraten! Und nicht nur das: Da schon damals klingende Sängernamen das Um und Auf des Opernbetriebs waren, pokerten die wichtigsten Sängerinnen und Sänger hoch, ließen sich ihre Auftritte vergolden und traktierten die Unternehmer und Komponisten mit ihren Wünschen, Eskapaden und hohen Gagen. Berühmte Kastraten, berühmte Sopranistinnen: ihnen war die Opernwelt untertan – und ihnen hatten alle zu dienen. Und nicht zuletzt gab es weitere populäre Konkurrenz, wie ein freches Erfolgsstück namens The Beggar’s Opera, das die herkömmliche Oper parodierte, beträchtlichen Publikumszulauf hatte und den herkömmlichen Opernbetreibern das Leben schwer machte.

Inmitten dieser vielfältigen Spannungsmomente und Herausforderungen wirkte Georg Friedrich Händel: Zwischen größeren und kleineren Erfolgen, allerlei Streitereien hinter den Kulissen und mitunter auch finanziellen Schwierigkeiten schrieb er Oper nach Oper und wurde zum bestimmenden Namen inmitten der Londoner Gesellschaft. 1711 erklang mit Rinaldo sein erstes Musiktheaterwerk in London, bereits 1723 wurde er zum Hofkomponisten an der Chapel Royal ernannt, und das, noch bevor er englischer Staatsbürger war. Eine lange Reihe an Opern für England entstanden: Radamisto und Ottone, Tamerlano und Ezio, Alcina und Giustino. Die wichtigsten Sängerinnen und Sänger traten für ihn auf, der „Hauptwohnsitz“ seiner Opern war zunächst das renommierte King’s Theatre. Doch dann passiert der Umschwung: Das King’s Theatre wurde an die Konkurrenz vermietet, die nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch gleich viele der Sängerstars übernahm. Händel musste sich nach einem neuen Ort – und nach neuen Attraktionen umschauen. Und er wurde mit dem eben erst erbauten Covent Garden Theatre fündig. Doch die vielen Kämpfe hatten ihre Spuren hinterlassen: Händel war nicht nur finanziell angeschlagen, sondern auch körperlich geschwächt. So sehr, dass die Öffentlichkeit sogar über einen vermeintlichen Rückzug aus London munkelte. Doch nichts dergleichen geschah. Um die Lebensgeister zu stärken, machte sich Händel zu einer Bäderkur auf, erholte sich – und warf sich erneut in die Schlacht. Für seine nächste Oper – Ariodante, die in Schottland spielt – griff er auf einen bekannten Stoff Ludovico Ariosts zurück, auf eine Episode aus dem 5. und 6. Gesang des umfangreichen Epos’ Orlando furioso. Der Librettist Antonio Salvi hatte einst, 1708, in Florenz einen Operntext aus den vereinzelten Handlungselementen geschnitzt – und man kann annehmen, dass Händel das Libretto noch aus dieser Zeit kannte. Jedenfalls zog er es nun herbei und vertonte es in rund zehn Wochen. Eine Besonderheit waren die Balletteinlagen der berühmten französischen Tänzerin Marie Sallé, die an strategischen Stellen eingebaut wurden sowie das Engagement des umschwärmten Kastraten Giovanni Carestini. Die Uraufführung am 8. Jänner 1735 im Covent Garden Theatre wurde zum Erfolg, dem auch das Königspaar beiwohnte – wenn auch bei den Folgevorstellungen von einer eher durchschnittlichen Publikumsauslastung zu lesen ist. Jedenfalls verschwand Ariodante – obgleich es immer als eines jener Werke genannt wird, das sowohl einem opernkundigen wie auch einem etwas weniger erfahrenen Publikum entgegenkommt – vom (Londoner) Spielplan und tauchte erst im 20. Jahrhundert wieder auf.

Heute wird Ariodante häufig gespielt, wie auch viele Aufnahmen und aktuelle Produktionen zeigen. Und selbst Musikfreunde, die die Oper noch nicht kennen, werden bei einem der Schlager dieses farben- und facettenreichen Werks mit den Worten „Ah, da kommt das vor!“ aufhorchen: bei Scherza infida. Dabei handelt es sich um eine Arie des innerlich gebrochenen Ariodante, in der er die verlorene Liebe, Trauer und Verzweiflung, die sein Herz peinigen, besingt.

Die Neuproduktion

Mit der neuen Staatsopern-Produktion – Ariodante wurde in der Geschichte der Wiener Staatsoper noch nie gespielt – kommt nach Alcina eine zweite Händel-Oper ins Repertoire des Hauses. Bei der Erstaufführung am 24. Februar wird William Christie als Dirigent debütieren: Der in den USA geborene Musiker braucht einem Opern- und Konzertpublikum freilich nicht mehr vorgestellt zu werden, seine seit Jahrzehnten währende internationale Karriere brachte ihn und sein Spezialistenensemble Les Arts Florissants um die Welt. Und da das eine ohne das andere nur eine halbe Sache wäre, ist auch dieses Alte Musik-Ensemble zu Gast im Haus am Ring. Nach den Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski oder dem Freiburger Barockorchester unter Ivor Bolton verströmt nun ein weiterer historisch informierter Klangkörper den Zauber der sogenannten Alten Musik.
Ein beinahe schon alter Bekannter ist der Regisseur der Neuproduktion. Es handelt sich um David McVicar, genauer: Sir David McVicar. Drei musikalisch sehr unterschiedliche Produktionen hat er inzwischen im Haus am Ring inszeniert: Wagners Tristan und Isolde, Cilèas Adriana Lecouvreur und Verdis Falstaff (eine Produktion, die vor Kurzen in China gezeigt wurde). Und wer McVicars Arbeiten kennt, der kennt auch die atmosphärisch präzise Arbeit, mit der sich der britische Regisseur den Opern nähert. Weniges ist ihm fremder als eine Sichtweise, in der ein Konzept – ohne genauen Blick auf die musikalische Textur – über ein Werk gezogen wird oder in dem inszenatorische Versatzstücke einfach nur rund um ein Geschehen drapiert werden. Man denke an seine Falstaff-Arbeit, in der er gemeinsam mit dem Ausstatter die Ästhetik historisch passender Gemälde heraufbeschwor oder an das Finale im Tristan, in dem Kostüm und abgebildete Natur, Musik und Bewegung zu einer Einheit verschmelzen. Oder an die Adriana Lecouvreur, bei der McVicar das französische Theater des 18. Jahrhundert zu neuem, farbigen und pulsierenden Leben erweckte.
Als sehr gegensätzliche Frauenfiguren stehen diesmal die beiden Ensemble-Sängerinnen Chen Reiss und Hila Fahima auf der Bühne. Reiss, die man im Haus am Ring nicht nur in vielen Rollen zwischen Janácek und Strauss, sondern auch als Barocksängerin, nämlich als Morgana in Händels Alcina erlebt hat, wird als unglückliche Prinzessin Ginevra zu hören sein. „Von allen Figuren, die man an diesem Opernabend zu sehen bekommt, ist sie das eigentliche Opfer“, so Reiss. Denn nicht nur das Unglück des vermeintlich toten Geliebten trifft sie, sondern auch die Tatsache, dass sie von ihrem Vater verstoßen und von ihrer Hofdame verraten wird, dass sich alle Beteiligten gegen sie wenden, skizziert Reiss die Tragik der Figur.
Wenn auch nicht deren direkte Gegenspielerin, so doch zumindest fatale Unglücksbringerin ist die Dalinda, die von Hila Fahima verkörpert wird. Dalinda, erzählt die Sopranistin, ist nicht grundböse an sich, sondern verfällt nur der Leidenschaft für den dunklen Polinesso. Dass sie an der beinahe tödlichen Intrige gegen Ginevra mitwirkt, sei eben dieser amourösen Verblendung geschuldet. „Sie findet Polinesso attraktiv – und merkt gar nicht, dass er ihr nicht die gleichen Gefühle entgegenbringt, sondern sie nur benützt.“
Warum der königliche Vater, der anfangs ja ein durchaus gutes und enges Verhältnis zu seiner Tochter Ginevra hat, sie so brüsk verstößt und sogar hinrichten lassen möchte, begründet der Bassist Wilhelm Schwinghammer in der Zerrissenheit der Figur. „Er ist Vater, aber er ist auch König und ist daher zwischen Amt und Familie hin- und hergerissen. Der Herrscher ist ja der erste Repräsentant des Staates und muss daher für das Recht sorgen – auch wenn es um seine Tochter geht.“ Ein schlechter Charakter, so Schwinghammer, sei der Vater aber nicht. „Er hadert ja heftig mit sich und das Verstoßen der Tochter setzt ihm entsprechend zu. Doch er kommt seinem Amt nicht aus!“ Wilhelm Schwinghammer wird am Premierenabend im Haus am Ring debütieren – wie auch die Interpretin des Ariodante Sarah Connolly und der Countertenor Christophe Dumaux (Polinesso). Ein Abend, der viel Neues fürs Staatsopern-Publikum bringt: Also auf zur Entdeckungsreise ins mittelalterliche Schottland!

Oliver Láng

INHALT

Im Zentrum der Handlung steht das Liebespaar Ginevra und Ariodante. Sie ist die Tochter des schottischen Königs, er ein geachteter Vasall. Bald soll Hochzeit gefeiert werden – und dem vom König geschätzten Ariodante steht obendrein der Weg zum Thron offen. Das vollkommene Liebes- und Lebensglück der beiden ist allerdings von einer Intrige bedroht: Polinesso, Herzog von Albany, neidet Ariodante nicht nur sein Glück, sondern möchte selbst Nachfolger des schottischen Königs werden. Also schmiedet er einen Plan, in dem er sich Dalinda, die Hofdame Ginevras, amourös gefügig macht. Diese verkleidet sich auf sein Geheiß als Ginevra und lässt verliebt Polinesso bei sich ein. Ariodante, der von Polinesso angeführt diese Szene mitbekommt, glaubt an die Untreue seiner Braut, verzweifelt, will sich selbst das Leben nehmen und sucht das Weite. Auch Ginevra, deren Schuld alle annehmen, ist verzweifelt: Denn einerseits hat sie Ariodante verloren, andererseits wird sie von ihrem Vater verstoßen und soll hingerichtet werden. Nun erklärt sich Polinesso, der ein Doppelspiel betreibt, bereit, gegen Lurcanio, dem Bruder des tot geglaubten Ariodante, zu kämpfen und so die Ehre Ginevras wiederherzustellen. Polinesso fällt. Da tritt ein unbekannter, maskierter Ritter an, um für die Ehre Ginevras zu kämpfen: es ist Ariodante, der von der reumütigen Dalinda die Wahrheit erfahren hat. Doch noch bevor es zu einem Kampf kommt, enttarnt sich Ariodante, klärt allen Verrat auf. Zuletzt: Ariodante und Ginevra sind wieder vereint und Dalinda und Lurcanio werden ein Paar.


Ariodante | Georg Friedrich Händel
Premiere: 24. Februar 2018
Reprisen: 26. Februar, 1., 4., 8. März 2018
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Einführungsmatinee: 18. Februar 2018, 11.00 Uhr
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Dirigent: William Christie
Regie: David McVicar
Ausstattung: Vicki Mortimer
Licht: Paule Constable
Choreographie: Colm Seery

Ariodante: Sarah Connolly
Ginevra: Chen Reiss
Dalinda: Hila Fahima
Polinesso: Christophe Dumaux
Lurcanio: Rainer Trost
König: Wilhelm Schwinghammer
Odoardo: Benedikt Kobel
Les Arts Florissants
Gustav Mahler Chor