Camilo Mejía Cortés, Kate Lindsey (Nerone), Slávka Zámečníková (Poppea)

PREMIERE VON »L'INCORONAZIONE DI POPPEA«

Auftakt zur Monteverdi-Trilogie im Haus am Ring

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»L’incoronazione di Poppea ist das House of Cards des 17. Jahrhunderts: ein groß angelegtes, sarkastisches Sittengemälde über den Aufstieg einer Frau zur Kaiserin. Sie – Poppea – ist bereit, für ihre Karriere über Leichen zu gehen – aber alle anderen, auf die sie trifft, sind es auch. Kaiser Nero verstößt seine rechtmäßige Ehefrau Ottavia zugunsten Poppeas, Ottavia zwingt den von ihr abhängigen Ottone zu einem Mordanschlag, Ottone missbraucht die Liebe Drusillas und so weiter und so weiter. Am Ende gibt es einen Toten und viele gesellschaftlich Tote, viele Täter und noch mehr Opfer. Poppea und Nero haben ihr Ziel erreicht, sie sind das neue Kaiserpaar.«

Dieses »House of Cards des 17. Jahrhunderts«, wie im oben zitierten Text von Dramaturgin Ann-Christine Mecke, kommt am 22. Mai 2021 zur Premiere, die zahlreiche Künstler*innen-Hausdebüts mit sich bringt:

Regisseur Jan Lauwers zeigt mit L’incoronazione di Poppea erstmals eine seiner Arbeiten an der Wiener Staatsoper. Dramaturgin Anne do Paço erläutert: Wie meist in seinem künstlerischen Schaffen wird auch hier die Bühne zu einer Arena, zu einem zunächst ortlosen Raum, in dem sich Schichten des Realen, der Fiktion und des Historischen überlagern. Es sind die Darsteller, die Sängerinnen und Sänger sowie eine Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern, die Jan Lauwers in das Geschehen integriert, die im Moment der Aufführung durch ihren Gesang, ihr Spiel, ihren Tanz, ihr Menschsein den Raum zum Ort jener ungeheuerlichen Geschichte über den Aufstieg Poppeas zur römischen Kaiserin werden lassen. Der Boden, auf dem das geschieht, ist ein barocker Alptraum: ein gigantisches Gewirr aus Leibern – Leichenfeld nach einer verlorenen Schlacht oder exzessive Orgie oder beides?

Jan Lauwers im Interview:
»Poppea ist eine erotische, gewalttätige Oper und für das Wiener Publikum möchte ich ebendiese erotische und gewalttätige Welt, die Monteverdi erschaffen hat, enthüllen. Der Inhalt der Oper ist fast nicht zu ertragen. Poppea sagt zum Beispiel an einer Stelle: Wenn du arm bist, musst du keine Angst vorm Sterben haben, weil dein Leben ohnedies erbärmlich ist. Unglücklich sind die Reichen, denn sie wollen nicht sterben! Diese unmoralischen Aussagen sind unglaublich interessant. Poppea ist heute sehr aktuell. Der heutige radikale Kapitalismus ist derselbe wie zu der Zeit von Poppea und Nero.
[…] ich hoffe mit dieser Produktion, die wir gemeinsam mit dem Dirigenten Pablo Heras-Casado und all den wunderbaren Sängerinnen und Sängern […] machen, werden wir Corona zeigen, dass wir als menschliches Wesen überleben und über uns hinauswachsen.«

Ein weiterer Hausdebütant steht am Dirigentenpult. Pablo Heras-Casado, vielfach preisgekrönter spanischer Dirigent, dessen weitgespanntes Repertoire von der Spätrenaissance bis in die Gegenwart reicht:

»Monteverdi begleitet mich seit den frühen Jugendtagen. Mehr noch, er war verantwortlich für die ersten musikalischen Schock-Erlebnisse meines Lebens: Inmitten der vielen Renaissance-Werke eines Palestrina, Orlando di Lasso oder Tomás Luis de Victoria, die wir im Knabenchor sangen, wirkte Monteverdis ungemeine Modernität – seine Experimentierfreudigkeit in puncto Harmonik, Form und Rhythmik, der Einsatz von überraschenden Dissonanzen, die bewussten Stilmischungen, die instrumentale Gesangsführung, die Vokalmusik imitierende Schreibweise für Instrumente, die ungewohnten Kombinationen von Klängen, dieses Universum an Emotionen – elektrisierend, aufrüttelnd, ja zunächst sogar verstörend auf mich. Für seine Zeitgenossen muss seine Musik ähnlich revolutionär gewirkt haben wie der Rock’n’Roll in den 1950er-Jahren. Kein Wunder, hat er doch so vieles, nicht zuletzt zunächst in seinen Madrigalbüchern, vorweggenommen, und ausprobiert, Regelverstöße zur Regel erhoben, die kompositorischen Möglichkeiten ins Unermessliche gesteigert – und das bis ins hohe Alter. […] Allen voran ist Poppea ein Meisterwerk der psychologischen Porträtkunst – das erste seiner Art wohlgemerkt. Denn hier erlebt das Publikum, abgesehen von den drei allegorisch-göttlichen Wesen Fortuna, Amor und Virtù im Prolog und der Göttererscheinung der Minerva, echte Menschen, historisch berühmte Persönlichkeiten, aber ebenso Charaktere aus dem einfachen Volk, wie zum Beispiel Soldaten oder Ammen. Und all diese Menschen sind so vielschichtig beschrieben, wie sie ein Shakespeare nicht treffender hätte auf die Bühne stellen können.«

Und auch im Orchestergraben gibt es ein spätes Hausdebüt: Mit L’incoronazione di Poppea ist das weltbekannte Ensemble Concentus Musicus Wien – gegründet von Nikolaus Harnoncourt und seiner Frau Alice – erstmals in der Wiener Staatsoper zu erleben.

Es spielen insgesamt 47 Musiker*innen – ein deutlich größer besetztes Orchester als es heute üblich geworden ist bei diesem Werk. Doch zu Monteverdis Zeiten war es selbstverständliche Praxis, die Orchestergröße der Spielstätte anzupassen, und der Ort der Uraufführung in Venedig war ein Theater für fast 1.000 Menschen. Monteverdi selbst gab in der Partitur keine Angaben zur tatsächlichen Orchestergröße, ebenso nicht zur konkreten Instrumentation, wie Pablo Heras-Casado erklärt: »Dem Variationsreichtum waren zu Monteverdis Zeiten keine Grenzen gesetzt. Wichtig war lediglich, dass die Grundidee erhalten blieb. Und das gilt auch für die aktuelle Produktion, für die ebenfalls in einem spannenden, kreativen Prozess erst während der Probenarbeit, die endgültigen Entscheidungen bezüglich der Instrumentation getroffen werden: abhängig vom Raum, dem dramatischen Fluss, reagierend auf die Inszenierung, im Zusammenspiel mit den Sängerinnen und Sängern, dem Orchester […]«. 

Den Nerone verkörpert Kate Lindsey, die am Haus u. a. schon in der Titelpartie von Orlando Erfolge feierte. Die Poppea singt Slávka Zámečníková – die junge slowakische Sängerin ist seit dieser Saison im Ensemble und singt u. a. nach der Norina in Don Pasquale und der Frasquita in Carmen ihre erste Titelpartie an der Staatsoper.

In weiteren Hauptpartien debütieren der katalanische Countertenor Xavier Sabata als Ottone, die deutsche Mezzosopranistin Christina Bock – sie wird ab der nächsten Spielzeit Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper sein – als Ottavia und der international gefeierte Bassbariton Sir Willard White als Seneca.

Die Premiere am 22. Mai wird ab 18.30 Uhr live auf play.wiener-staatsoper.at übertragen. Radio Ö1 strahlt live zeitversetzt ab 19.30 Uhr aus.

Einen ersten Einblick geben Dirigent Pablo Heras-Casado, »Poppea« Slávka Zámečníková, »Nerone« Kate Lindsey sowie Musiker*innen des Concentus Musicus Wien mit dem Schlussduett »Pur ti miro« hier.


Weiterführende Informationen:


L’INCORONAZIONE DI POPPEA (Claudio Monteverdi)

Musikalische Leitung Pablo Heras-Casado
Inszenierung & Bühne Jan Lauwers
Kostüme Lemm & Barkey

Choreographie Jan Lauwers, Paul Blackman

Licht Ken Hioco
Dramaturgie Elke Janssens

Nerone Kate Lindsey
Poppea Slávka Zámečníková
Ottone, früherer Gatte Poppeas Xavier Sabata
Ottavia, Neros Gemahlin Christina Bock
Seneca Willard White
Virtù / Drusilla Vera-Lotte Boecker
Solotänzerin Sarah Lutz
Solotänzer Camilo Mejía Cortés
Nutrice / Famigliare I Daniel Jenz
Arnalta Thomas Ebenstein
Amore / Valletto Isabel Signoret
Fortuna / Damigella / Amorino I Johanna Wallroth
Pallade / Venere Aurora Marthens
Lucano / Soldato I / Famigliare II Josh Lovell
Liberto / Soldato II / Console Hiroshi Amako
Littore / Tribuno / Famigliare III Erik Van Heyningen
Amorino II Katarina Porubanova

Orchester Concentus Musicus Wien



Eine Koproduktion mit den Salzburger Festspielen.

In Zusammenarbeit mit Needcompany