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aus dem Skizzenbuch des »Poppea«-Regisseurs Jan Lauwers

Über Leichen - Handlung »L’incoronazione di Poppea«

Everything is about sex.
Except sex.
Sex is about power.

Anonym (zitiert von Francis Underwood in The house of cards)

L’incoronazione di Poppea ist das House of Cards des 17. Jahrhunderts: ein groß angelegtes, sarkastisches Sittengemälde über den Aufstieg einer Frau zur Kaiserin. Sie – Poppea – ist bereit, für ihre Karriere über Leichen zu gehen – aber alle anderen, auf die sie trifft, sind es auch: Kaiser Nero verstößt seine rechtmäßige Ehefrau Ottavia zugunsten Poppeas, Ottavia zwingt den von ihr abhängigen Ottone zu einem Mordanschlag, Ottono missbraucht die Liebe Drusillas und so weiter und so weiter. Am Ende gibt es einen Toten und viele gesellschaftlich Tote, viele Täter und noch mehr Opfer. Poppea und Nero haben ihr Ziel erreicht, sie sind das neue Kaiserpaar. Aber das kundige Publikum wusste schon 1643, was in den nächsten Staffeln zu erwarten wäre: Die schwangere Poppea stirbt nach einem Fußtritt Neros, und Nero zwingt einen Konsul zum Selbstmord, um dessen Witwe heiraten zu können.

Nicht nur das Geschehen spottet jeder Regel, auch die Erzählweise wirkt regellos wie ein Shakespeare-Drama: Immer neue Figuren treten hinzu oder verschwinden wieder aus der Handlung, Sympathieträger erweisen sich als Verbrecher, Übeltäter gewinnen unsere Sympathie, Nebenfiguren werden zum Star einer Episode. Heute kennen wir solche Erzählweisen aus Fernsehserien. Die Musikwissenschaftlerin Silke Leopold bezeichnete die venezianische Oper des 17. Jahrhunderts hingegen als „Dramaturgie des Tollhauses“.

Und die Musik? Sie folgt jeder Emotion mit der gleichen Präzision, sie zeichnet die erotische Anziehung zwischen Nero und Poppea ebenso hingebungsvoll wie die Verlorenheit der verbannten Ottavia, die unerwiderte und gleichwohl unverbrüchliche Liebe Drusillas ebenso wie die faulen Kompromisse des Staatsphilosophen Seneca. Monteverdis Spätwerk ist ein Wunder: facettenreich, schmerzvoll präzise, unsentimental, unterhaltsam und emotional.

Ann-Christine Mecke