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© Peter Mayr

Saison-AUFTAKT

Die Saisonpremieren in drei Worten?
BOGDAN ROŠČIĆ Yes we can.


Welche der Premieren steht Ihnen persönlich am nächsten?
BR Sie stehen mir verblüffenderweise alle auf den Millimeter gleich nah.

Der musikalische Moment der Spielzeit, auf den Sie sich besonders freuen?
BR Der kommt gleich im September. Wenn Mahlers Opus Nummer eins, von ihm begonnen als eines seiner nicht verwirklichten Opernprojekte, also Das klagende Lied, zum ersten Mal im Haus am Ring erklingt – als Teil unserer Mahler-Hommage Von der Liebe Tod.


Das größte Wagnis der Spielzeit?
BR Sicher ebendieses Mahler-Projekt, also der Versuch, Gustav Mahler an diesem Haus einmal anders, nämlich mit einem Bühnenwerk zu würdigen.


Warum eine Mahler-Uraufführung?
BR Weil es so schön ist, zusammen mit dem Publikum den Traum zu träumen, Mahler hätte uns doch eine Oper hinterlassen. Erst recht dann, wenn die dafür gewählte Musik so großartig ist, und dabei selbst in Wien noch so unbekannt. Ich glaube, man wird hier eine begeisternde Entdeckung machen.


Was würden Sie Gustav Mahler gerne fragen?
BR Ob er nicht wieder Direktor der Staatsoper werden und mich als Assistenten beschäftigen möchte.


Mahlers größte Leistung als Direktor der Wiener Oper?
BR Zehn Jahre lang die menschenmöglich kleinste Anzahl an faulen Kompromissen gemacht zu haben.


Wagner, Mahler und Mozart beim Abendessen. Worüber wird gesprochen?
BR Wagner und Mozart würden wahrscheinlich angeregt über Geld beziehungsweise dessen permanenten Mangel sprechen und Mahler daneben sitzen und wie vom Blitz getroffen zuhören. Man soll sich über solche olympischen Symposien keine sentimentalen Vorstellungen machen. Mozart war am Küchentisch nicht das, was wir meinen, wenn wir Mozart denken, und Wagner privat in seinem Narzissmus unausstehlich.


Salome – Nozze di Figaro – Meistersinger – Ulisse: bei welcher Uraufführung wären Sie am liebsten dabei gewesen?
BR Man soll ja in meinem Beruf solchen Reihungen eigentlich um jeden Preis aus dem Weg gehen. Aber wenn Sie mich so fragen, muss ich leider doch sagen: Mozarts Figaro. Manchmal macht die Menschheit einen großen Schritt, über den sich die Zeitzeugen oft gar nicht klar werden können. Ein solcher Schritt waren Mozarts drei Da-Ponte-Opern. Im Saal zu sitzen, wenn dieses Neue, Ungeheure sich zum ersten Mal enthüllt, ist eine unbeschreibliche Vorstellung.


Das inspirierendste Libretto der Premieren?
BR Vielleicht doch Die Meistersinger, die wir im Dezember neu machen, ein großes Vorhaben. Es löst bei mir Widerstand aus, und das tut so einem Projekt gut. Es ist ja ein in Teilen und auch durch späteren Missbrauch so belastetes Werk – und doch kann man beim Lesen nur staunen über das Genie jenes Mannes, der nicht nur die Musik, sondern, wie bei ihm Brauch, auch gleich das Textbuch und die philosophische Kommentierung und Umrahmung des Ganzen selbst geschaffen hat.


An Dialogues des Carmélites interessiert Sie...
BR Mich interessieren vor allem zwei Fragen. Erstens, wie ein so unwiderstehliches, völlig eigenständiges Meisterwerk der Musik für fast 60 Jahre aus dem Repertoire fallen konnte. Karajan hatte das Stück ja an die Staatsoper geholt und jährlich spielen lassen, bis es nach seinem Abgang 1964 in der Versenkung verschwand. Es ist also auch eine Rehabilitation. Inhaltlich sagt die Regisseurin unserer Produktion, Magdalena Fuchsberger, das Stück sei gleichzeitig ein Polit-Thriller, ein Machtkampf, ein Glaubenskrieg – aber vor allem ein Stück über den Kampf mit der Angst. Der Angst vor dem Tod und vor dem Leben. Für die findet der Mensch ja immer genügend Anlässe, aber man könnte doch sagen: ein Stück, wie geschrieben für unsere Zeit.


Im ersten Gespräch mit Musikdirektor Philippe Jordan nach der Sommerpause geht es um...
BR Natürlich vor allem um die Meistersinger, um Salome, um den Figaro! Philippe dirigiert nächste Spielzeit drei der wichtigsten Werke überhaupt, das sind große Projekte, die auf uns zukommen und eine fantastische Herausforderung.


Ihre denkwürdigste Meistersinger-Aufführung?
BR Das war die Produktion, die Philippe Jordan in Bayreuth 2017 dirigiert hat – in der Regie von Barrie Kosky. Nicht nur war es ein großartiger Theater-Abend, sondern wir haben danach auch viele gemeinsame Projekte beschlossen.


Die meisten Fragen stellen sich für Sie bei welcher Oper?
BR Bei Salome. Mich hinterlässt das Stück nach 90 Minuten, in denen man wie von einem rasenden Expresszug mitgeschleift wurde, immer genauso atemlos wie ratlos. Strauss selbst hat das ja lapidar damit erklärt, dass alle handeln- den Personen eben »pervers« seien. Ich weiß nicht, ob Oscar Wilde sich da so ganz verstanden gefühlt hat.


Bei den ersten beiden Teilen des Monteverdi-Zyklus lernten Sie...
BR ... dass diese Musik, richtig aufgeführt, auch in einem großen Opernhaus des 19. Jahrhunderts ihre volle Autorität und Magie entfaltet. Der Abschluss der Trilogie im April 2023, also die Neuproduktion von Monteverdis Ulisse, ist für mich persönlich einer der Höhepunkte des Programms.


Der Concentus Musicus Wien ist für Sie...
BR ... die wichtigste Orchestergründung des 20. Jahrhunderts. Nikolaus Harnoncourt hat zusammen mit dem Concentus mehr Erneuerung und Veränderung in die Welt der klassischen Musik getragen als irgendjemand anderer nach 1945.


Von einem Regieteam erwarten Sie sich...
BR Liebe zum und Respekt vor dem Werk und vor allem die Fähigkeit, diese in das Wunder einer Theateraufführung zu verwandeln.


Das Debüt, auf das Sie besonders gespannt sind?
BR Da gäbe es für die nächste Spielzeit viel zu sagen, an der Staatsoper gibt es ja durch das ganz breite Repertoire konkurrenzlos viele Gelegenheiten für spannende Debüts. Alleine die großartige Malin Byström als neue Salome ist ein ganzes Kapitel wert. Oder in der Rosenkavalier-Serie im Dezember Kate Lindsey als Octavian... Aber ich muss doch hervorheben, dass ein ganz großer, weltweit gefeierter österreichischer Sänger sein unerklärlich spätes Debüt am Haus gibt – nämlich Florian Boesch in dem Mahler-Projekt Von der Liebe Tod.


Auf das Wiedersehen dieser Produktion aus Ihren ersten beiden Jahren freuen Sie sich besonders...
BR Auch da soll man sich eigentlich vor Rangfolgen hüten. Aber die erste Premiere, für die ich Verantwortung hatte, war im September 2020 Puccinis Madama Butterfly mit Asmik Grigorian in der großen Inszenierung von Anthony Minghella. Das verbindet vielleicht besonders stark. Die Produktion war danach noch oft angesetzt, aber ausnahmslos alle weiteren Termine seitdem sind der Pandemie und den Lockdowns zum Opfer gefallen... Darum freue ich mich besonders darauf, wenn das Werk im Juni mit Sonya Yoncheva und Charles Castronovo, beides übrigens Wiener Rollendebüts, hoffentlich ungestört endlich in den Spielplan zurückkehrt.


Das Schicksal dieser Opernfigur bewegt Sie am meisten...
BR Was soll man da nennen? Cio-Sio-Sans Abschied von ihrem Kind in Madama Butterfly? Den Moment, in dem Violetta in der Traviata versteht, dass auch die Rückkehr eines über alles geliebten Menschen an ihrem Tod nichts ändern kann? Isoldes Schlussgesang über Tristans Leichnam? Alle diese Figuren sind nur Facetten des einen Menschen, Facetten unserer selbst, immer neue Versuche, uns alle uns selbst fassbar zu machen.


Der Verdi-Moment der Spielzeit?
BR Da muss man wohl zuerst die Wiederaufnahme von Aida nennen, mit Elīna Garanča, Jonas Kaufmann und Anna Netrebko in den Hauptrollen. Aber es ist natürlich völlig unmöglich, dafür genug Karten zur Verfügung zu stellen. Darum sage ich: die Wiederaufnahme des Rigoletto im Oktober, bei der Benjamin Bernheim sein Debüt als Herzog gibt und Simon Keenlyside, der besser denn je singt, ans Haus zurückkehrt.


Eine gelungene Spielzeit ist für Sie...
BR Letztlich zählt für mich immer nur die einzelne Vorstellung. Ich habe das Zusammenhäkeln disparater Werke zu dramaturgischen Spielplankonzepten, von denen niemand außer den Machern etwas bemerkt, nie ganz ernstnehmen können. Aber an einem Repertoire-Haus wie dem unseren gelten ohnehin ganz eigene Gesetze. Wir sind eben kein Festival, sondern spielen zehn Monate lang und haben dabei den Auftrag, die Oper in allen ihren Dimensionen zu zeigen, alle ihre Möglichkeiten erlebbar zu machen. Nur ein Spielplan, der das schafft, kann wirklich gelungen sein.


Jahresmotto Mahler, weil...
BR Weil in seinen zehn Jahren an der Oper Dinge entstanden sind, mit denen man sich gar nicht genug auseinandersetzen kann. Man darf da nichts sozusagen buchstäblich in unsere Zeit transponieren wollen, aber der Geist, der unter ihm das Haus beherrscht hat, hat es zum wichtigsten Musiktheater der Welt gemacht. Darin liegt unendlich viel Kraft und Inspiration.


Ein Zitat, das Ihnen beim Durchblättern der Saisonbroschüre spontan einfällt?
BR »Nachdenken über die schönen Künste macht fühlen.« Ein wunderbarer Satz aus Stendhals Buch über Rossini.


Lernen soll das Publikum...
BR Das Publikum soll gar nichts sollen. Eine fatale Tendenz unserer Zeit ist es, die Kultur und ihre Rituale mit allerlei Aufträgen zu bedenken und zu befrachten. Aber die Kunst ist kein Packesel. Wenn man sich ihr so nähert, schlägt sie gerne aus und dann fliegt man ganz schnell auf den Haufen der kunstgewerblichen Fadesse. Das Publikum wird frei, aufrecht und neugierig hineingehen und dann wird jede und jeder das mitnehmen, was sie mitnehmen, manche unermesslich viel, manche gar nichts. Wie Don Giovanni singt: »È aperto a tutti quanti, viva la libertà!« Das versteht man weltweit und ganz ohne Italienisch-Kurs.


Welche der geplanten Werke bzw. Produktionen könnten Sie in jeder persönlichen Stimmung und zu jeder Zeit erleben?
BR Ich glaube, ein solches Werk gibt es gar nicht und darf es gar nicht geben. Man darf Kunst nicht »konsumieren«, wie der Kranke, dem man immer gerne noch einen Teller Bouillon verabreicht. Man muss dem Blitz der Kunst Gelegenheit geben, einzuschlagen. Aber das sind distinkte Erlebnisse, die man nicht en gros einsacken kann.


Welche der Produktionen würden Sie Opernneulingen empfehlen?
BR Da gibt es so viel in der kommenden Saison – und das ist ja wie schon gesagt der große Auftrag der Wiener Staatsoper: auch einem neuen Publikum die Begegnung mit der ganzen Oper zu ermöglichen. Außerdem glaube ich, dass man sogenannte Neulinge nie unterfordern soll. So nach dem Motto: Geh du mal schön in die Carmen oder Traviata, für die schwierigeren Sachen bist du noch nicht bereit. Warum? Ich empfehle neuen Besucherinnen und Besuchern, einfach auf unserer Website den Newsletter der Staatsoper zu abonnieren und sich ein bisschen auf die Geschichten einzulassen, die der erzählt. Man wird schnell spüren, zu welchem Stück und welchen Künstlern es einen selbst zieht.


Vertrauen können Sie auf...
BR ... meine gut ausgebildete Fähigkeit zum gesunden Misstrauen.


Gute Kinderoper kann...
BR ... das große Geschenk einer lebenslangen Leidenschaft sein.


Welche der Produktionen würden Sie Kindern empfehlen?
BR Marcel Prawy war ja bekanntlich der Ansicht, dass Wagners Walküre ohnehin die beste Kinderoper sei, inklusive Inzucht und Totschlag. Ganz so weit würde ich nicht gehen, aber Kinder werden von ihren Eltern, so glaube ich als dreifacher Vater zumindest, oft unterschätzt. Darin, was sie wirklich interessiert und was sie verarbeiten können. Dafür ist aber natürlich auch das Alter ein großes Kriterium, und darum haben wir aufgehört, Kinder als eine Gruppe zu betrachten. Im Dezember hat zum Beispiel eine »road opera« für Jugendliche namens Tschick Premiere. Für Kinder unter zehn dagegen würde ich vor allem Entführung ins Zauberreich empfehlen. Oder eigentlich für deren Eltern. Es ist ja ein Stationen-Theater durch das Gebäude der Staatsoper. Man muss einmal gesehen haben, mit welcher unglaublichen Begeisterung die Kinder durch das Haus rennen und mitmachen.


Ist für Sie der Beginn der Probenzeit einer Neu- produktion am spannendsten, der Probenprozess oder der Tag der Premiere?
BR Immer der Beginn der Proben. Egal wie oft und wie lang und wie gut man davor schon über das Projekt mit den Mitwirkenden gesprochen haben mag, es ist jedes Mal ein Aufbruch ins Unbekannte.


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