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© Peter Mayr
Peter Kellner (Figaro) & Ying Fang (Susanna)

EIN FIGARO mit Theaterinstinkt

Peter Kellner im Interview

Wenn man dich auf Proben, hinter der Bühne oder sonst wo in der Wiener Staatsoper antrifft, vermittelst du stets ein Gefühl großer Zufriedenheit. Im Sinne von: Hier bin ich daheim.

PETER KELLNER So empfinde ich es auch! Es ist nun meine fünfte Spielzeit und ich fühle mich an diesem Haus wirklich sehr wohl und freue mich, dass es so gut läuft. Ja, ich kann sagen, dass die Staatsoper tatsächlich so etwas wie ein Zuhause für mich geworden ist.

Aus deinem ersten Jahr an der Staatsoper habe ich ein Bild im Kopf, du singst den Panthée in Les Troyens und strahlst ein großes Selbstbewusstsein aus. Warst du als Kind schon so? Der Purzelbaumschlager beim Weihnachtsspiel?

PETER KELLNER Eigentlich war das in meiner Jugend überhaupt nicht so. Ich war ein ganz gewöhnliches Kind, kein großer Darsteller und keiner, der irgendwie im Rampenlicht stehen will. Es war sogar so, dass ich mich in einer öffentlichen Situation eher geschämt hätte. Die Bühnenpräsenz kam durch das Konservatorium, und der Mut durch die Freiheit, die ich als Student erwarb, als ich von daheim auszog. Nicht, dass ich davor keine Freiheit gehabt hätte, aber die Unabhängigkeit hilft natürlich. Wie man auf der Bühne wirken muss, lernt man letztlich im Studium.

Ist diese natürliche Sicherheit, die du auf der Bühne ausstrahlst, auch familiär bedingt? Also: Kommst du aus einem Theaterhaushalt?

PETER KELLNER Nein, in meiner Familie bin ich der erste echte Profimusiker. Wobei Musik bei uns immer eine große Rolle gespielt hat, ob im Kirchenchor oder daheim, es wurde viel gesungen. Und mein Großvater hatte immer den Wunsch, einen Musiker in der Familie haben, am liebsten einen Organisten oder Akkordeonspieler. Das sah er als leicht verdientes Geld an: man spielt etwa bei einer Hochzeit auf und wird dafür bezahlt. Dieser Gedanke hat ihm gefallen! (lacht) Und so habe ich mit sechs oder sieben Jahren ein Klavier bekommen...

Aber gab es einen familiären Schockmoment, als du professionell ans Theater gegangen bist? Ein »Also so war es eigentlich nicht gemeint!«?

PETER KELLNER Überhaupt nicht, meine Eltern haben mir die Freiheit gegeben, meinen eigenen Weg zu gehen. Es hat sich ja so nach und nach entwickelt: Zunächst sang ich in einem Kinderchor, dann im Chor meiner Heimatstadt, später kamen Solos dazu. Und es gab Kinderversionen dieser Supertalent-Wettbewerbe, die damals überall in Mode kamen. Ich nahm Teil – und hatte Erfolg. Schließlich empfahl mir meine Klavierlehrerin die Gesangsklasse des Konservatoriums. Ich fragte mich: Gesang, was für ein Gesang?

Das war also Neuland für dich. Die Welt des klassischen Gesangs.

PETER KELLNER Vollkommenes Neuland. Ich hatte bis dahin keinerlei Verbindung zur Oper. Daher war ich sehr überrascht, als ich zum ersten Mal in die Vorbereitungsstunde ging und meinen Lehrer singen hörte – es war für meine Ohren so unglaublich laut! Da dachte ich mir: Das ist ja cool! Das möchte ich lernen!

Und deine erste Opernvorstellung?

PETER KELLNER Die erlebte ich im Staatstheater Kosice in der Slowakei. Mein Lehrer sang den Jäger in Rusalka, was mich sehr stolz machte. Aber ganz ehrlich: Von der Vorstellung habe ich praktisch nichts mitbekommen, weil ich damals in ein Mädchen aus unserer Klasse verliebt war und nur Augen für sie hatte.

Also gut, die zweite Vorstellung.

PETER KELLNER Sehr beeindruckend! Es gab damals am Staatstheater packende und schöne Inszenierungen, die haben mich sehr bewegt.

Wir sprachen vorhin über die Wirkungskraft auf der Bühne. Wo schaust du dir Schauspiel-Nuancen ab? Von Kolleginnen und Kollegen? Aus dem Kino?

PETER KELLNER Das Meiste kommt, glaube ich, aus einem Theaterinstinkt. Natürlich hatte ich Schauspielunterricht im Studium, sehr gute und inspirierende Lehrer. Und ich beobachte gerne Menschen auf der Straße, wie sie gehen, stehen, sich bewegen, da kann man viel lernen. Selbstverständlich gibt es auch Kolleginnen und Kollegen, von denen ich mir etwas abschaue – nicht nur Darstellerisches, sondern vor allem auch Technisches: Wie atmet er? Wie gestaltet sie eine Phrase, ein Decrescendo? Aber ebenso: Wie ist die Körperhaltung? Auch Kino und Fernsehen spielen eine Rolle: Wenn ich Serien wie Friends anschaue, inspiriert mich das und ich beobachte, wie die Charaktere mit ihren Eigenheiten gezeichnet werden.

Zuletzt standest du unter anderem als Papageno auf der Bühne. Wenn du ihn spielst, denken sich viele: »Exakt so muss das gebracht werden!« Ist das eine Figur, die dir besonders nahesteht? Oder genau im Gegenteil ein Charakter, den du nur spielst und der deshalb so plastisch wirkt?

PETER KELLNER Naja, Papageno, das ist so ein naturverbundener Bursche, der mir sehr ähnlich ist. Wenn ich diese Partie verkörpere, dann muss ich gar nicht viel spielen, sondern einfach sein. Peter ist ganz Papageno – und umgekehrt.

Als Masetto in Don Giovanni schlägst du bei deinem ersten Auftritt ein Rad. War das deine Idee? Oder kam das vom Regisseur Barrie Kosky?

PETER KELLNER Das habe ich ihm bei der vorvorletzten Probe angeboten, es hat ihm gefallen und er meinte: »Ja, machʼ das!« Ich mag solche Sachen, das passt zum Theaterspielen. Ein bisschen Zirkus, wenn es möglich ist. Natürlich nicht überall, man muss schon wissen,wo man sich solche Dinge leisten kann. Es muss also gesangstechnisch möglich sein und darf das Atmen und Singen nicht stören.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Barrie Kosky? Wie viel gibt er den Sängerinnen und Sängern vor? Wie viel bringt ihr ein?

PETER KELLNER Ich mag die Zusammenarbeit sehr gerne. Er ist sehr genau, sehr konzentriert, enorm effizient – was ich gut finde. Und er fordert viel Energie von uns – bringt aber selber ebenso sehr viel davon ein. Das Tolle ist, dass er das gesamte Potenzial, das eine Sängerin oder ein Sänger hat, zu nützen versteht. Abgesehen davon arbeitet er auf allen Ebenen: es geht um die Musik, um den Text, um die Körperarbeit. Dabei entwirft er zunächst eine Konstruktion, die in weiteren Schritten mit Aktionen gefüllt wird. Wir alle machen Vorschläge, die er aufgreift oder mitunter auch verwirft. Aber es ist schön, dass immer Platz für Eigenes, für Improvisation bleibt und er gegenüber den Ideen und Überlegungen der anderen offen ist.

Bei aller Freude am Auftreten lässt sich nicht verleugnen, dass dir an einem Abend mehr als 4000 Ohren zuhören. Viele davon haben ja schon einiges gehört. Was empfindet Peter Kellner also bei einem Auftritt?

PETER KELLNER Ich würde sagen: Verantwortung. All diese Menschen sind gekommen, um etwas wirklich Gutes zu hören und zu erleben, das ist etwas, was ich natürlich weiß und auch spüre. Und es führt zu Gedanken wie: »Bin ich gut vorbereitet?« Glücklicherweise bin ich das ja immer und das beruhigt und sorgt für deutlich weniger Stress. Selbstverständlich hat man ein bisschen Angst, dass, trotz aller Vorbereitung, ein Blackout passiert, aber das sind Überlegungen, die man bewusst hintanhalten muss. Ich reiße mich dann zusammen und gehe auf die Bühne. Und wenn etwas passiert, dann passiert es eben. Wir alle sind nur Menschen.

Der Figaro ist keine neue Rolle für dich. Wann hast du ihn zum ersten Mal gesungen?

PETER KELLNER Ich habe die Rolle für Glyndebourne vorbereitet – dort war ich 2016 als Cover engagiert. Bei der letzten Vorstellung bin ich dann tatsächlich auch eingesprungen und gab so mein Debüt in dieser Partie. Und nachdem ich 2018 an der Staatsoper den Antonio gesungen habe, kam 2022 in der Wie- deraufnahme der Ponnelle- Produktion auch an diese Haus der Figaro dazu.

Ohne jetzt ohne nachzudenken: Was sind die ersten drei Worte, die dir zu ihm einfallen?

PETER KELLNER Blumen – springen – schwitzen! (lacht)

Und was ist er für ein Charakter? Wie ist sein Verhältnis zum Grafen?

PETER KELLNER Ich sehe ihn eher jung, etwa so um die 25 Jahre. Aber dennoch hat er schon einiges erlebt, er kennt sich also im Leben aus. Mit Tricks, Intrigen, auch mit der Politik. Und trotzdem bleibt er ein entspannter Kerl. Figaro ist doch recht klug, wenn er auch nicht alles überblickt und nicht jede Situation unter Kontrolle hat. Susanna scheint zweifellos cleverer zu sein! Und das Verhältnis zum Grafen... eigentlich mag er ihn, er respektiert ihn, vielleicht ist er in manchem sogar eine Art Vorbild. Bis er erkennt, worum es dem Grafen wirklich geht, nämlich um Susanna. Da begreift Figaro auch, dass er falsch lag: er dachte nämlich, dass es zwischen ihm und dem Grafen ein besonderes Verhältnis gäbe, er also zumindest so etwas wie ein höhergestellter Diener wäre. Doch nun auf einmal...

Du hast an der Wiener Staatsoper sechs Rollen in vier Mozart-Opern gesungen. Wenn du deine diesbezüglichen Erfahrungen vergleichst: Wie viele Freiheiten findest du in den Partituren Mozarts?

PETER KELLNER Viele! Mozart hat uns ausreichend Raum gelassen, damit wir unsere eigenen Ideen umsetzen können. Man kann mit der Dynamik arbeiten, Akzente etwas freier setzen, den Doppelbedeutungen im Text nachforschen und diese musikalisch entsprechend aufbereiten. Mozarts Musik, und das ist eines ihrer großen Geheimnisse, ist immer in Bewegung, immer kommt etwas Neues, etwas Unerwartetes. Sich darauf einzulassen, ist immer ein großes Abenteuer