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Das Staatsopernorchester: Posaunist Wolfgang Strasser

Es gibt im Leben, auch im Kulturleben Konstanten. Etwa, dass ein gerütteltes Maß der Lebenslauf-Erzählungen von Bläserinnen und Bläser im Staatsopernorchester mit einem Absatz beginnt, in dem bald das Wort „heimatliche Blasmusikkapelle“ vorkommt. Diese, meist in Verbindung mit einem besonderen Kapellmeister oder Musikschullehrer, war dann auch der Grundstein für die spätere Berufung. Im Falle von Wolfgang Strasser, Posaunist im Orchester, handelt es sich um genau so eine Geschichte: Groß geworden in einer kleinen Ort- schaft unweit von Wien, wuchs er in einer mit starker Musik-Affinität ausgestatteten Familie auf und fand im Volksschuldirektor/Chordirektor/Leiter der Blasmusikkapelle bald einen, der ihn an das erste Instrument heranführte: die Blockflöte. Noch keine musikalische Erfüllung, aber der Ausgangspunkt für den nächsten Schritt. Nach den obligaten zwei Jahren wurde es Zeit für einen Wechsel: der Bub träumte von der Trompete, der Lehrer hätte für die Kapelle eine Querflöte gebraucht. Es wurde – quasi als Kompromiss – das Tenorhorn. Schnell waren alle Leistungsabzeichen gemacht und noch schneller das Talent des Heranwachsenden erkannt: mit 14 erfolgte der Wechsel zur Posaune, mit 16 der Eintritt ins Konservatorium.
Was folgte, war für Strasser reinstes Musiker-Glück: „Ich spielte viel, bei Bällen und in der Big Band, in der Blasmusik und Unterhaltungsmusik – so viel, dass mancher meinte, ich mache die Schule neben der Musik und nicht umgekehrt.“ Aus diesem „viel gespielt, wenig geübt“ entsprang freilich eine Praxis, die den jungen Musiker nicht nur mit unterschiedlichen Stilen, sondern auch mit den vielfältigsten Auftrittsmöglichkeiten bekannt machte. Nach der Matura an der HAK trat er in die Gardemusik ein und es kam für Strasser der Moment der Entscheidung: Musiker als Hauptberuf! Nicht unbeteiligt war daran sein Lehrer Herbert Mosheimer, ein gerühmter Pädagoge und Mitglied des RSO-Wien, der den jungen Studenten förderte und inspirierte. Genau an dieses Orchester kam Strasser wenig später, und der Klangkörper sollte für die kommenden 22 Jahre seine Heimat werden. „Ich habe mich sehr wohl gefühlt“, meint er im Rückblick, „und nichts vermisst. Dann aber wurden plötzlich gleich drei Stellen im Staatsopern-Orchester frei, ich fühlte die Herausforderung und dachte mir: ,Probier’s doch noch einmal!‘“ Was folgte, war ein Jahr intensive Vorbereitungszeit: „Ein Probespiel ist ein Probespiel, das ist nicht etwas, was man so nebenbei machen kann. Und auch wenn mir die 22 Jahre Praxis geholfen haben – bei einem Vorspiel bedeutet das nicht, dass man dadurch Favorit ist“. Dabei zieht der Musiker einen Vergleich aus dem Sport heran: „Selbst wenn einer im Schirennen vier Jahre lang alles gewinnt – wenn die Olympiade kommt, dann nützt das alles nichts. Da steht er alleine oben und muss gewinnen und der Schnellste sein. Wie Marcel Hirscher meinte: Jedes Rennen ist neu. Es zählt nicht, was man zuvor schon geschafft hat.“
Also bereitete er sich bestens vor, trat an – und gewann. Wobei es nicht nur ums Üben ging, für die mentale Ebene engagierte er zusätzlich einen Trainer aus dem Sportsektor, denn: „Die Psychologie eines solchen Bewerbs darf nicht unterschätzt werden. Alle, die antreten, sind sehr gut. Man muss aber nicht nur sehr gut sein, sondern sich auf das, was man kann, verlassen können!“
Ganz neben diesem „Verlassen-Können“ hat der Posaunist sein eigenes Rezept, wie er an wichtige Auftritte herangeht: „Mein Credo ist: Wenn du arbeitest, dann geh ins Detail und lass keinen Fehler zu. Sag’ nicht: Das wird schon! Wenn du aber eine Vorstellung spielst, dann nimm es, wie es kommt. Also: Wenn einmal ein Fehler passiert, dann ärgere dich nicht zu sehr.“
Das klingt nicht nur pädagogisch klug, Strasser ist tatsächlich Professor in Graz, gibt sein Wissen weiter und geht in dieser Aufgabe auf. „Das Spannende ist, dass jeder seine Stärken und Schwächen hat. Ich muss also einem Studenten vielleicht Dinge erklären, die mir selbst leicht fallen – und umgekehrt. Dadurch aber werden Gedankenprozesse in Gang gesetzt, die viel Reflexives in sich tragen. Abgesehen davon stellt sich immer wieder die Frage: ,Mach’ ich eigentlich selbst, was ich von den Studenten verlange?‘ Da muss man sich immer an die Kandare nehmen – was gar nicht schadet!“
Sieben Jahre ist das gewonnene Probespiel nun her, Strasser ist seither nicht nur Musiker des Staatsoper- norchesters bzw. der Wiener Philharmoniker, son- dern kann jüngeren Kollegen inzwischen seine Erfahrungen weitergeben. Diese Weitergabe ist ein Aspekt, der ihm besonders am Herzen liegt. „So entsteht Tradition“, meint er, „man hört den Klang des Orchesters jeden Tag, er nistet sich in einem ein, man wächst hinein, lernt dazu. Und gemeinsam entsteht etwas, was über Generationen weiterge- reicht wird.“ Nur so kann Eigenständigkeit entste- hen, etwas wachsen, was auch Bestand hat. Denn: „Theoretisch könnte man ja hergehen und jährlich nach einem Probespiel die weltweit jeweils besten 150 Musiker aussuchen. Dann aber wäre es mit dem Außergewöhnlichen rasch vorbei! Weil eben nichts gewachsen ist, sich nichts entwickeln konnte.“

Was aber, kurz zusammengefasst, muss eine Musikerin oder ein Musiker mitbringen, um im Staatsopernorchester zu reüssieren? „Konzentrationsfähigkeit“, umreißt Strasser das Anforderungspotenzial, „natürlich eine Stressresistenz im Repertoirebetrieb, aber auch die Fähigkeit, auf die anderen reagieren zu können: sei es auf das, was im Orchestergraben oder auf der Bühne passiert, sei es auf den Dirigenten. Man muss die Stücke gut kennen und gut zuhören – aber auch Initiative zeigen. Und, “so fügt er als wichtigsten Punkt hinzu, „man muss die Oper lieben. Dieses wunderbare, größte Kunstwerk, das Orchester, Sänger, Szene vereinigt und zu einem einzigen großen Ausdruck verschmilzt. Was sich da an Emotionen tut, was alles auf den Zuhörer trifft – das ist unbeschreiblich.“

Oliver Láng