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© Edith Walzl

Unser Ensemble: Morten Frank Larsen im Porträt

Es gibt die aufgeregten, immer euphorischen Liebenden. Es gibt die abgeklärten Liebenden. Die jungen, aufwärtsstrebenden. Die professionell-kühlen, und noch viele andere. Aber auch den Typus des souveränen, in sich ruhenden und zweifelsfrei überzeugten Opern-Liebenden: das ist etwa Morten Frank Larsen. Wenn er über seinen Beruf, die seine Berufung ist, spricht, spürt man eine innere Nähe und Hingabe, eine große Theatererfahrung und Praxis, aber immer auch Sicherheit und Unaufgeregtheit. Sänger zu sein, das liebt er und ein anderer Beruf stand nie zur Diskussion. Diese Liebe ist mit einer Stabilität und Überzeugtheit unterfüttert, einer ruhigen Freude an seinem Tun. Das schlägt sich zunächst einmal darin nieder, dass er vor Vorstellungen „zwar sicherlich eine Spannung fühlt“, aber nicht an übermäßiger Nervosität leidet, wie manch anderer Kollege. „Man braucht in unserem Beruf gute Vorbereitung und gute Nerven“, erzählt er. Die gute Vorbereitung erhält er für sein Staatsopern-Repertoire von den hauseigenen herausragenden Repetitoren, sein gutes Nervenkostüm muss wohl angeboren sein, meint er. Und hat mit der Erziehung zu tun: „Wenn einem als Kleinkind ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt wird und man lernt, an sich und das, was man tut, zu glauben, dann wirkt sich das später sicherlich aus." Das massive Aufgeregt-Sein – das war nie ein Problem für Larsen. Wobei er zugibt, durchaus auch Spannung zu spüren: „Als ich meinen ersten Eisenstein an der Volksoper sang – als Däne in dieser Wienerischen Operette – da war es schon ein heftiges Kribbeln. Aber ich wusste: Wenn man das schafft, dann schafft man den Beruf.“
Geboren und aufgewachsen in der „dänischen Provinz“, wie er es nennt, entstammt Larsen einer musikinteressierten Familie. „Mein Vater war Musiker und Musiklehrer, es wurde bei uns daheim viel gesungen, es lag einfach in der Luft.“ Ein Opernhaus hatte er in dieser Zeit noch nicht kennengelernt – „das gab es in unserer Gegend nicht. Doch hat das auch seine Vorteile, ich konnte als Opernsänger als unbeschriebenes Blatt anfangen – das ist doch auch schön!“ Nach Schulchor und Rockband, in denen er – mit Naturstimme – seine ersten Bühnen-Gehversuche unternahm, trat er als Papageno in einer Schulaufführung der Zauberflöte auf. „Von da an wusste ich: Das ist es, das muss es sein! Singen und spielen auf einer Bühne!“ Wenig später lernte er an der Musikhochschule, besuchte Meisterklassen bei Josef Greindl, Josef Metternich, Gino Bechi, Tom Krause und debütierte Ende 20 als Tarquinius in Brittens Rape of Lucretia. „Die nächsten drei Jahre lang war ich freischaffend, ich sang zum Beispiel am Salzburger Landestheater, aber auch am Goethe-Theater in Bad Lauchstädt sowie am Markgräflichen Theater in Bayreuth – einen Don Giovanni mit Jonas Kaufmann als Don Ottavio.“ Es ging nach Braunschweig ins Festengagement, wo er ein breites Repertoire lernte, vom Barbiere-Figaro bis zu Posa und Onegin. Aber auch Danilo und Eisenstein. „Und letztere Rolle war meine Eintrittskarte an die Volksoper! Es gab damals nämlich akuten Eisenstein-Mangel in Wien und ich durfte ihn übernehmen. Daraufhin engagierte man mich fix ans Haus und es folgten schöne, große Dinge wie etwa Zar und Zimmermann oder Luigi Dallapiccolas Prigioniero, für den ich die Eberhard Waechter-Medaille erhielt. Spätestens dann wurde Ioan Holender auf mich aufmerksam und er brachte mich an die Staatsoper. Und seit 2003 übernehme ich hier Partien, wie ich auch als Cover bereit stehe.“ Partien: das geht von Eisenstein bis Faninal, vom Capricico-Grafen bis Gunther, vom Albert über den Jochanaan bis zum Mandryka. Dass Dominique Meyer ihm Rollen wie Ned Keene oder Mr. Astley gegeben hat, freut ihn besonders. Was Larsen dabei gefällt, sind nicht nur die Rollen und Auftritte an sich, sondern die Gelegenheit, an zwei unterschiedlichen Häusern tätig sein zu können und ein entsprechend breites und vielfältiges Repertoire anbieten zu dürfen. „Hier an der Staatsoper Richard Strauss und an der Volksoper Johann Strauß, und das sogar innerhalb eines Jahres – das ist doch fantastisch!“ So sang er 2018 an der Staatsoper in Capriccio, an der Volksoper in der Fledermaus. Natürlich, das weiß Larsen, ist auch eine gewisse Vorsicht geboten, ein Tag Mandryka und am anderen ein Eisenstein, das sollte besser nicht passieren, denn „es bleibt ja dann doch eine menschliche Stimme, die kein mechanischer Aufzug ist, der heute da, morgen dort anhält.“
Erinnerungswürdig ist sein Einspringen als Mandryka an der Deutschen Oper Berlin: „Ich hatte die Rolle als Cover für die Wiener Staatsoper gelernt, aber noch nie in einer Vorstellung gesungen. Plötzlich kam ein Notruf aus Berlin, ob ich übernehmen könnte? Ich schlug die Noten auf, prüfte kurz, ob die Rolle noch sitzt – und flog nach Berlin. Dort angekommen fragte mich der Arabella-Dirigent Ulf Schirmer: „Wann und wo haben Sie die Rolle bisher gesungen?“ Auf meine Antwort „noch nie“ wurde er ein bisschen blass, dann gingen wir die Partitur gemeinsam durch und nach dem 1. Akt meinte er: „Gut, ich bin jetzt ganz ruhig!“ Ich sang den Mandryka – und dieses Einspringen führte zu meinem Engagement an die Zürcher Oper, das wiederum mein Debüt an der New Yorker Met – an der Seite von Renée Fleming – nach sich zog“, erzählt Larsen. Der Mandryka wurde für ihn übrigens eine vielgesungene Rolle, Wien, Budapest, Graz, Frank- furt, Tallinn...
Dass er in Wien eine (künstlerische) Heimat gefunden hat, freut ihn besonders. „Ich gastiere selbstverständlich auch immer wieder, was an sich schön ist. Doch wenn ich nach einem Monat nach Hause komme, die Koffer auspacke, dann atme ich erleichtert auf. Es ist ja ein Privileg, an diesen beiden Häusern singen zu dürfen und hier im Ensemble zu sein. Abgesehen davon: Ich habe viele schöne Gastspiele gehabt, aber ich bin dreifacher Familienvater. Und meine Kinder sollten mich schon auch zu Gesicht bekommen ...“
Bei allem Glück und aller Repertoirebreite – eine Rolle fehlt. „Es fehlt ja bei fast allen Sängern eine Rolle“, lacht er. „Josef Greindl zum Beispiel wollte immer Leporello singen, aber Wilhelm Furtwängler und Ferenc Fricsay und die anderen sahen ihn immer als Commendatore.“ Was ist also die uner- füllte Wunschrolle? Der Hamlet von Ambroise Thomas natürlich, nicht nur aufgrund der dänischen Hintergrundgeschichte, sondern auch, weil „das Französische für mich einfach so gut in der Stimme liegt. Aber vielleicht kommt er ja noch!“
Was demnächst kommt, ist neben Repertoire-Vorstellungen ein Liederabend in der Gesellschaft für Musiktheater am 21. Mai, mit Werken von Strauss, Sibelius, Wolf, Mahler und Ture Rangström, begleitet vom Staatsopern-Pianisten Mats Knutsson. Ein Volksopern-Gastspiel mit der Fledermaus in Savonlinna. Die Mitwirkung an Albin Fries’ Oper Nora beim Bartók-Festival in Ungarn. Die Titelrolle in der Volksopern-Premiere Das Gespenst von Cantervil­le. Und der Verschinin in Tri Sestri von Péter Eötvös an der Wiener Staatsoper, eine Opernproduktion, die Larsen besonders schätzt. Genau genommen ein Zeitplan, der ohnedies keinen Platz für allfällige Nervosität lässt ...

Oliver Láng