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Unser Ensemble: Marcus Pelz im Porträt

Angefangen hat alles mit den Operettenschallplatten der Eltern. Diese hatte Marcus Pelz nämlich als 11jähriger für sich entdeckt und gewissermaßen akustisch verschlungen. Dann folgten die Spielopern, etwa eine Zar und Zimmermann-Aufführung am Stuttgarter Staatstheater (nach wie vor schätzt er Opern, die viel Prosa enthalten) sowie die Bekanntschaft mit Puccinis Musik und spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass sein Leben etwas mit Musik zu tun haben würde. Nur die konkrete Weichenstellung musste erst gelegt werden, denn zunächst bestand ja noch die Option Posaune, schließlich hatte er sich auch hier in kurzer Zeit ein breites Repertoire, das von der Klassik bis zum Jazz reichte, erworben. Doch die Stimmen mehrten sich, die ihm eine Zukunft als Sänger prophezeiten und da ihm das Bühnendasein letztlich immer erstrebenswerter erschien als jenes des Orchestermusikers, waren die Würfel gefallen. Erfolgreiche Aufnahmsprüfungen

an das Konservatorium der Stadt Wien bzw. an die Wiener Musikhochschule führten Marcus Pelz schlussendlich einerseits seiner Bestimmung zu und andererseits dauerhaft nach Wien (in

den Sommermonaten erwarb er sich während der Studienzeit im Bayreuther Festspielchor nebenbei noch die Begeisterung für Richard Wagner).

Seit 1998, als Marcus Pelz nach Stationen am St. Pöltner Landestheater, an der Wiener Kammeroper und an der Neuen Oper Wien als Stipendiat des Herbert-von-Karajan-Centrums an die Wiener Staatsoper verpflichtet wurde, kennt ihn das hiesige Publikum. Manchmal erlebt man ihn sogar allabendlich auf der Staatsopernbühne. Zum Beispiel als asthmatischen Notar im Rosenkavalier, oder als erpressbaren Hausbesitzer Benoit in La Bohème, oder als gutherzigen Alessio in der Sonnambula, oder … die Liste ließe sich nahezu unbeschränkt weiterführen, denn Marcus Pelz verkörperte im Haus am Ring bislang nicht weniger als 97 Rollen in 1160 Aufführungen. Kleinere und größere – aber immer nuancenreich und einprägsam. Bei ihm würde

sich nie die Frage stellen, ob er einen Charakter nur spielt, nein bei Marcus Pelz merkt man, dass er im Moment des Auftritts die dargestellte Figur auch tatsächlich durchlebt, durchleidet, kurzum: ist. Und dann ist der Zuschauer stets von Neuem über seine Wandlungsfähigkeit überrascht – stimmlich wie schauspielerisch. Ja, es kann sogar durchaus passieren, dass er an ein und demselben Tag in der Früh in der Baritonpartie des Herrn Pogge in Pünktchen und Anton vor dem jungen Publikum steht und ein paar Stunden später in den Basspartien Dachs und Pfarrer in Janácˇeks Schlauem Füchslein. Und gerade diese Vielfältigkeit ist es auch, die dem aus Stuttgart stammenden und mittlerweile langjährigen Wiener Bassbariton große Freude bereitet. Es

macht ihm Spaß für die einzelnen Bühnenfiguren, noch bevor die eigentlichen szenischen Proben beginnen, detailreiche Charakterstudien zu entwerfen, Bilder und Erlebnisse aus seiner eigenen Vergangenheit einfließen zu lassen. Im Falle der Amme in Péter Eötvös’ Tri Sestri beispielsweise – hier verkörperte Marcus Pelz erstmals eine für einen Bass komponierte weibliche Partie – nahm er zum einen Anleihen aus alten Filmen und orientierte sich zum anderen an bestimmten Gesten und Haltungen weiblicher Familienmitglieder, etwa an jenen seiner Mutter. Wobei ihm, anders als so manchem Kollegen, der sich in erster Linie in der Probenatmosphäre so richtig wohl fühlt, die hundertprozentige Umsetzung der eigenen Interpretation meist erst vor Publikum so richtig gelingt, da Marcus Pelz, wie er meint, Kostüm, Maske, Bühnenluft und Zuschauer benötigt, um richtig in der Partie aufgehen zu können. „Ich muss“, so Marcus Pelz wörtlich, „das volle Auditorium als Visavis spüren, dann können die eigenen Emotionen für die Rolle erst vollständig aufkeimen!“

Die strengsten Kritiker seiner künstlerischen Leistungen sind, neben ihm selbst, seine Frau und sein Lehrer, die regelmäßig in den Vorstellungen sitzen. Letzterer arbeitet seit 20 Jahren mit ihm und kennt Marcus Pelz’ Stimme so gut, dass er in der Lage ist, selbst gröbere Indispositionen kurzfristig aus der Welt zu schaffen oder zumindest zu minimieren. „Als ich vor ein paar Jahren in Buenos Aires den Wozzeck bei einer Neuproduktion singen durfte, hatte ich just am Premierentag eine so starke Verkühlung, dass an ein Auftreten praktisch gar nicht zu denken war. Doch mein Lehrer hat mich via Telefon eine Stunde lang bearbeitet, mir Wasserdampfbäder verordnet, erklärt, wie ich mich stimmlich vorbereiten müsse – was soll ich sagen, ich konnte die Premiere, beinahe ohne Einschränkung singen.“

Mit seiner Frau, einer Pianistin, gestaltet er neben seinem Musiktheaterleben immer wieder auch Lieder- und Arienabende. Für das gemeinsame Einstudieren von kompletten Opernpartien bleibt aber meist zu wenig Zeit, „zumal man uns gar nicht lässt.“ Man, das sind die beiden Kinder David und Lukas, die jetzt schon lieber gerne selber in Aktion treten als bloß in die Rolle der Zuhörer zu schlüpfen. „Der Kleinere tendiert derzeit in Richtung Schlagwerk“, schildert Marcus Pelz lächelnd, „und der Größere, der mit Hilfe von Nebelmaschine, Mischpult und Schweinwerfer in den Stockbetten im Kinderzimmer ganze Opernvorstellungen nachstellt, eher in Richtung Regisseur oder Lightdesigner.“ Durchaus möglich also, dass einmal in absehbarer Zukunft die gesamte vierköpfige Pelz-Familie gemeinschaftlich etwas auf eine öffentliche Bühne stellt …

Andreas Láng