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Portrait: Tomasz Konieczny

Man muss nur seinen Kurwenal erlebt haben. Was Tomasz Konieczny als der Begleiter Tristans alleine im letzten Akt, während der langen Gesangs-und Sehnsuchtsstellen des titelgebenden Tenors, an Gestaltungsgröße zeigt, ist ungewöhnlich. Wie Kurwenal da mit Tristan mitleidet, die Nöte und den Wahn durchlebt: das macht Konieczny keiner so leicht nach. Kein Wunder: War er doch vor seiner Berufung zum Sänger zunächst Schauspieler und erarbeitete sich so ein Arsenal an Ausdrucksmitteln, aber auch seinen Zugang zu einer umfassenden künstlerischen Erfassung eines Charakters: „Schon von Anfang an, als junger Schauspieler, träumte ich davon, auf der Bühne große Sachen zu bewegen, etwas zu erleben, was groß ist. Groß im Sinne einer emotionalen Größe, im Sinne von etwas Größerem als das, was wir im gewöhnlichen Dasein durchleben.“ Dieses Durchleben des emotional Großen, Größten, erlebt er auch als „Mitspieler“, eben etwa als Kurwenal: „Wenn man Peter Seiffert auf der Bühne im dritten Akt von Tristan begleitet, dann denkt man unwillkürlich: Gott, dieser Mensch ist in diesem Augenblick wirklich in einem Wahn. Ich war nach meinen Kurwenal-Auftritten mit ihm nicht nur physisch, sondern auch psychisch erschöpft: das war eine reine Begleitungsemotion! Ich hatte auf der Bühne tatsächlich Angst um ihn, habe mit ihm mitgefühlt. Ein schönes, aber eben nicht einfaches Erlebnis.“

Und das ist nur der Kurwenal! Dazu kommt eine große Anzahl großer Partien, die Tomasz Konieczny mit stets gleichem Feuer umsetzt. Alleine an der Wiener Staatsoper, die für ihn eine künstlerische Heimat darstellt, hat er seit seinem Debüt im Jahr 2008 an rund 120 Abenden viele große Partien gesungen. Unter anderem Jochanaan in der Salome, Jack Rance in Fanciulla del West, Wotan/Wander sowie Alberich im Ring, Mandryka in Arabella, Dreieinigkeitmoses in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Goldhändler in Cardillac, Pizarro in Fidelio, Scarpia in Tosca …

Immer mit derselben gesanglichen und darstellerischen Intensität, immer mit einer Absolutheit in der künstlerischen Gestaltung. Geht jemand mit einer solch emotionalen Unbedingtheit an die Sache heran, so vermutet man ein reines Bauch-Menschtum; dass es nicht immer so sein muss, beweist Konieczny, der sowohl Kopf- als auch Bauchmensch ist, beziehungsweise eine Mischung aus beidem. „Als ich meinen Beruf wählte, wollte ich Physiker oder Ingenieur werden – oder eben Künstler. Das sind zwei Zugänge, die mein ganzes Leben begleiten. Auf der Bühne bedeutet das: Auf der einen Seite habe ich ein starkes Bauchgefühl, was die Intention einer Rolle angeht. Auf der anderen Seite analysiere ich sehr genau, was in einer bestimmten Figur vorgeht.“ Ein für den Sänger sehr fruchtbarer Zugang, denn: „Aus dem möglichen Konflikt zwischen diesen beiden Ebenen kann Neues entstehen.“

Bei einer solchen Anzahl an wichtigen Partien stellt sich freilich die Frage, ob er grundlegend Präferenzen in die eine oder andere Richtung hat: ein positiver Charakter wie Mandryka oder ein düsterer wie Alberich? Für Konieczny geht es weniger um eine prinzipielle Charakterzuordnung einer Figur in „gut“ oder „böse“, als um die Frage, „ob eine Partie viele Schichten hat und es eine Entwicklungsmöglichkeit gibt“. Das bedeutet: „ Je komplexer eine Partie ist, je größer die Wandlung einer Figur, desto interessanter ist sie für mich.“ Besonders spannend wird es für ihn, wenn er gleich zwei Charaktere aus einer Oper gestaltet hat, wie im Falle des Ring des Nibelungen, in dem er sowohl Alberich, als auch Wotan/Wanderer sang. „Ich bin nicht überzeugt davon, dass Alberich die ganze Zeit der Böse und Wotan die ganze Zeit der Gute ist. Aber abgesehen davon lernt man natürlich eine Figur viel besser kennen, wenn man sie auch aus einem anderen Blickwinkel, also von außen, mit den Augen einer anderen Figur, gesehen hat.“

Gibt es aber Unterschiede, wenn er einen Wotan oder einen Alberich gestaltet hat, was sein tatsächliches Leben betrifft? „Ich glaube nicht, die Rollen haben keinen Einfluss auf meinen Alltag. Auf der Bühne geht es eher um die Aspekte, die ich im normalen Leben nicht erlebe: etwas zu erreichen, was so tagaus, tagein nicht zu erreichen ist. Oder um beim anfangs angesprochenen Tristan zu bleiben: Um den Versuch der Verwirklichung von Sehnsüchten…“

Oliver Láng