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Perfektion bis ins Detail

Kostümprobe: Piotr Beczala, der Duca in der Rigoletto-Neuproduktion, nimmt auch hier die Sache ernst. Freundlich und sehr konzentriert kümmert er sich um jedes Detail, weiß mit Fachbegriffen umzugehen und seine Anmerkungen praxisorientiert zu begründen: Hier ein Kragen zu hoch, dort eine Langette zu wenig. Perfektion also auch hier als Grundsatz! Im Gespräch erzählt der Tenor über seinen Zugang zum leichtlebigen Duca.

Ihre Genauigkeit und Konzentration selbst bei einer Kostümprobe: Hat das mit einem grundsätzlichen Perfektionismus zu tun? Oder mit der Tatsache, dass Sie sich, da Ihre Mutter Schneiderin war, einfach auch in diesem Fach sehr gut auskennen?

Piotr Beczala: Mit beidem! Natürlich bin ich mütterlicherseits ein wenig „vorbelastet“, aber was wichtiger ist: Ich bin schon sehr lange im Geschäft und habe viele Produktionen miterlebt. Wenn man in der Probenphase ein Kostüm auf den Körper geschneidert bekommt, dann hat man die Möglichkeit, einzugreifen. Daher muss man sich aus Sicht einer Professionalität Zeit nehmen und auf Feinheiten achten. Denn schließlich will man sich ja in einem Kostüm wohlfühlen – oder besser: Man muss sich wohlfühlen, weil man ja als Sänger Höchstleistungen erbringt. Wenn da etwas behindert oder einengt: dann geht das nicht.

Sie singen den Duca nun seit 12 Jahren. Können Sie sich noch an Ihren ersten erinnern?

Piotr Beczala: Ja, der fand in Zürich statt. Es wurden recht kurzfristig zwei Vorstellungen von Rigoletto eingeschoben, und für mich war dieses Debüt nicht nur eine Freude, sondern auch eine Ehre. Der Dirigent war nämlich Maurizio Arena, ein heute älterer Herr, der bereits bei Pavarottis Duca-Debüt korrepetiert hat – und somit aus der großen Verdi-Tradition kommt und diese kennt. Jedenfalls hatten wir fünf Tage Orchesterproben und ich nahm die Sache sehr ernst: Um zehn Uhr fingen die Proben an, also bin ich um sechs Uhr aufgestanden und habe mich frühmorgens eingesungen. Für mich war diese Produktion eine gute Schule, weil sie noch die Atmosphäre der „golden age of tenors“ widergespiegelt hat, jene Zeit, in der die Dirigenten sich Zeit für Sänger nahmen und Oper ein echtes Gemeinschaftsprojekt aller war.

Und seither? Wie viele Ducas waren es?

Piotr Beczala: Keine Ahnung, ich führe keine Statistik. Vielleicht 80 oder 90?

Die Proben dauern etwa sechs Wochen. Wie verbringen Sie diese Zeit? Versuchen Sie sich nur auf Verdi zu konzentrieren? Oder machen Sie bewusst Ausflüge in andere Fächer, zu anderen Komponisten?

Piotr Beczala: Ich mache grundsätzlich bei Neuproduktionen so gut wie nichts nebenbei, sondern widme mich dieser Produktion. Manchmal kann vielleicht ein unerwartetes Einspringen passieren, aber das ist eher die Ausnahme. Stimmliche Abwechslungen während der Proben finde ich nicht so anregend. Lieber bin ich in einem Stil drinnen und bleibe auf dieser Straße. Wenn ich neben der Partie übe, nehme ich auch eine andere Verdi-Oper, und nicht etwa französisches oder deutsches Fach.

Besteht nach 12 Jahren Duca nicht die Gefahr, dass sich die Sache totläuft? Dass Sie die Partie schon zu gut kennen?

Piotr Beczala: Klar kenne ich die Partie gut. Aber ich erzähle Ihnen eine Geschichte: Vor einiger Zeit traf ich in einer Rigoletto-Produktion auf Leo Nucci – es war seine 465. Rigoletto-Vorstellung. Wir führten damals ein sehr interessantes Gespräch, in dem er mir erzählte, dass er kürzlich in Parma eine Neuproduktion gemacht und dort in der Musik- und Rollenauffassung Aspekte entdeckt hatte, die ihm bis dahin nicht aufgefallen waren. Wohlgemerkt: Über 460 Rigolettos! Ich glaube, das ist die Antwort auf Ihre Frage.

Dass ein so großer Sänger, Künstler, Mensch wie Leo Nucci nach 460 Vorstellungen immer noch etwas Neues finden kann und es interessant findet. Man ist nie „fertig“ mit einem großen Werk. Man reagiert auf Kollegen, auf die Musik, übt nicht nur Musterabläufe aus. Es bleibt spannend.

Auch eine populäre Canzonetta wie „La donna è mobile“?

Piotr Beczala: Ja. Natürlich ist sie sehr bekannt. Aber deswegen muss man sie ja nicht satt bekommen. In meiner letzten Produktion in New York war sie als eine Art Table Dance gestaltet, und ich hatte die Chance, jedesmal ein wenig was Neues zu machen. Innerhalb eines festen Rahmens. Ich genieße die Musik und tobe mich vokal ein wenig aus. Das ist doch schön!

Zum Duca: Die meisten finden leichter die weniger sympathischen als die sympathischen Ecken an ihm?

Piotr Beczala: Weil die meisten Menschen neidisch sind. Auf ihn neidisch. Seien wir ehrlich: Er ist reich, sieht gut aus, hat Glück bei den Frauen. Vielleicht ist er oberflächlich, wahrscheinlich ist er ein verlorener, einsamer Mensch, aber er nimmt das Leben leicht. Er betrügt Ehemänner, aber nicht weil er bösartig ist, sondern nur, weil er leichten Fußes durchs Leben geht. Das ist nicht in Ordnung, aber er ist nicht per se ein dunkel-schwarzer Mensch. Es wäre zu eindimensional ... Es ist auch eine Herausforderung, die menschlichen Aspekte des Duca zu finden, auszubauen und glaubhaft darzustellen! Wobei ich sagen muss, dass ich privat ganz und gar nicht ein Duca bin. Das ist tatsächlich eine Rolle, in der ich praktisch alles spielen muss!

Was lässt sich über seinen Charakter sagen?

Piotr Beczala: Wie gesagt, ein Frauenheld. Sein „Questa o quella“ ist ja fast schon wie „Ob blond, ob braun“, und „La donna è mobile“ ist ähnlich. Da ist er ganz der leichtherzige Liebhaber. Wir lernen ihn in seiner Arie „Parmi veder“ aber durchaus auch als Zerrissenen kennen. Und ich freue mich, dass ich in dieser Produktion beide Seiten von ihm zeigen kann.

Seine Gefühle für Gilda sind aber echt?

Piotr Beczala: Sicher. Wenn er wirklich schlecht wäre, hätte er sie nach zwei Tagen einfach abgeschleppt. Nein, er hat Geduld. Er ist da ein ganz normaler Mensch. Und er hat Gefühle für sie.

Gibt es besondere stimmliche Klippen, die man in dieser Partie überwinden muss?

Piotr Beczala: Duca hat vier Szenen, aber die muss man singen können. Alle größten Tenöre der Vergangenheit haben diese Rolle im Repertoire gehabt. Und es gibt einige technische Herausforderungen zu lösen – und dabei sollte man den sängerischen Spaß nicht vergessen.

Zum Beispiel?

Piotr Beczala: Ganz allgemein betrachtet: Die Szenen haben zum Teil ganz unterschiedliche Stimmungen, das bedeutet, man muss zwischen diesen Stimmungen umschalten. Zum Beispiel gibt es einen ganz großen Unterschied zwischen „Questa o quella“ und dem schwierigen Duett mit Gilda, mit dem nicht unbedingt nötigen, aber von mir gerne gesungenen hohen Des am Ende. Oder das Schlussquartett, das, wie Nello Santi einmal sagte, eigentlich eine Tenorarie mit dreistimmiger Begleitung ist. Es ist eine Partie, in der man bis zum letzten Moment gefordert ist! Und das „La donna è mobile“ am Schluss muss ja auch gesungen werden!

Das Gespräch führte Oliver Láng

(Foto Piotr Beczala: Kurt Pinter)