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Das Publikum kennt und liebt ihn seit vier Jahrzehnten: Anlässlich seines 40jährigen Staatsopern- Jubiläums gab KS Alfred Šramek das nachfolgende Interview.

Am 11. März 1975 hast Du in Palestrina an der Wiener Staatsoper debütiert. Weißt Du noch, wann Du den Vertrag für dein Engagement unterschrieben hast?

KS Alfred Šramek: Na, selbstverständlich, so etwas vergisst man ja nicht: Am 1. Februar 1975. Und knapp zwei Wochen vorher, am 18. Jänner, hatte ich auf der Bühne vor dem damaligen Staatsoperndirektor Rudolf Gamsjäger das Vorsingen. In einer sehr quasi-familiären Situation übrigens: Ehe ich zu singen anfing, hat Ernst August Schneider – so eine Art gute Seele des Hauses, der die Staatsoper ein paar Jahre lang auch selber geleitet hatte – zu Gamsjäger hingeraunt: „Rudi, wenn Du den Buam net nimmst, bist a Trottel.“

Das hat er so vor Dir gesagt?

KS Alfred Šramek: Ja, ich habe mir noch gedacht: Um Gottes Willen, der vermasselt noch alles mit dieser Aussage. Aber Gamsjäger meinte nur: „Wir werden sehen.“

Und dann?

KS Alfred Šramek: Dann habe ich gesungen. Colline, Philipp, Leporello. Alles fünf Mal, weil Gamsjäger meine Stimme von unterschiedlichen Positionen im Haus hören wollte. Kaum war ich zum ersten Mal fertig, ist er mit dem Lift auf die Galerie gefahren, hat sich dort hingestellt und hinuntergerufen: „Und jetzt noch einmal.“ Schlussendlich hat er mich, den damals erst 23jährigen, dann ins Ensemble engagiert – allerdings musste ich ihm in die Hand versprechen, dass ich ihn nicht blamieren werde. Und er ist wirklich vor jeder Vorstellung in der ich eine neue Rolle sang, vorher in die Garderobe gekommen – mit einem kleinen Geschenk und dem obligatorischen Satz: „Du hast mir versprochen, dass du mich nicht enttäuschst, also geh raus und mach das Maul auf.“

Die vielen Rollen gleich in den ersten Monaten zeigen es – offenbar hast Du ihn nicht enttäuscht.

KS Alfred Šramek: Er hat mir sogar nach einem halben Jahr die doppelte Gage gegeben – noch dazu auch rückwirkend auf die ersten sechs Monate. Und nach einem Jahr lud er mich zu seinem Geburtstag zu einem Fest in sein Haus in Oslip ein, wo er mir das Du-Wort angeboten hat. Von da an war er für mich der Rudi.

Und wie ging es dann weiter?

KS Alfred Šramek: Nun, 1976 kam ein Direktionswechsel. Manche ältere Kollegen im Ensemble, die um ihre Stammrollen gefürchtet haben und vielleicht Angst hatten diese an mich zu verlieren, prophezeiten mir sowieso ständig das baldige Ende meiner Staatsopernlaufbahn, was sie gerne mit dem Hinweis verbanden: „ Junger Mann, Sie gehören in die Provinz.“ Ich war ja damals wirklich mit Abstand der Jüngste, fast eine Art Paradiesvogel im Ensemble. Und heute bin ich der älteste – so ändern sich die Zeiten.

Der neue Direktor war Egon Seefehlner …

KS Alfred Šramek: … und er verlängerte meinen Vertrag gleich um weitere fünf Jahre.

Mit ihm konntest Du also auch sehr gut?

KS Alfred Šramek: Ich konnte mit allen gut. Man hat mich zunächst unter die Fittiche genommen, also der Gamsjäger, der Studienleiter Arnold Hartl, Hans Swarowsky, später dann eben Seefehlner und Maazel. Nur mit Drese pflegten wir eine gegenseitige Ablehnung, aber Drese war ja nach fünf Jahren bereits wieder weg.

Inwieweit war die Tatsache, dass Du als Kind zu den Mozart-Sängerknaben gehört hast, für dich bei Deinem späteren Beruf als Sänger hilfreich? War diese Zeit eher inspirierend oder abschreckend?

KS Alfred Šramek: Mit dem Sängerknabenleben an sich war ich vielleicht nicht immer glücklich – so im Nachhinein gesehen –, aber das musikalische Rüstzeug, das ich mir dort aneignen durfte, war der Grundstock für meine ganze weitere Laufbahn. Es ist wie beim Tennis: Wer nicht mit fünf Jahren zu spielen beginnt, kann später niemals in die Weltklasse vorstoßen. Und wer nicht früh genug professionell zu singen anfängt, wird es auf diesem Gebiet selten weit bringen. Als Sängerknabensolist sang ich mit zehn Jahren schon meine erste Oper, lernte auf diese Weise den Betrieb mit all seinen schönen, aber auch beschwerlichen Seiten kennen und war weltweit unzählige Male auf wichtigen Bühnen unter der Leitung von namhaften Dirigenten zu hören. Wie oft sang ich in der Volksoper zum Beispiel unter einem Robert Stolz. Als ich dann sozusagen als Erwachsener wieder auf die Bühne zurückkam, war mir daher nichts neu, alles bestens vertraut. Ich kam mit anderen Worten nach Hause.

Du bist zwar während Deiner Staatsopern-Ensemblezeit ebenfalls immer wieder auf anderen internationalen Bühnen aufgetreten – aber ein Reisesänger bist Du nicht geworden …

KS Alfred Šramek: Ich bin genug gereist als Sängerknabe und ich hasse das Reisen. Ich bin darüber hinaus kein Touristentyp, dem das Heute-hier- und-morgen-Da etwas gibt. Und ganz grundsätzlich muss ich mich wohlfühlen, um eine hundertprozentige Leistung auf der Bühne bringen zu können. Und wo fühle ich mich wohl: Hier, in Wien beziehungsweise in Mistelbach und ganz speziell an der Wiener Staatsoper.

Was sind die Voraussetzungen, um die Staatsoper als Heimat empfinden zu können?

KS Alfred Šramek: Wer hier arbeitet – egal in welchem Berufszweig – muss das schon sehr gerne machen, andernfalls wäre der Betreffende bereits nach drei Wochen wieder weg – freiwillig weg. Man sollte überhaupt das Metier im wahrsten Sinn des Wortes lieben und Respekt sowie Demut zeigen. Demut vor dem Haus, der Musik, den Komponisten. Anders geht es nicht.

Du hast über 90 Rollen an der Wiener Staatsoper gesungen. Hast Du das Gefühl, dass Dir trotz dieser großen Zahl die eine oder andere Partie vorenthalten wurde?

KS Alfred Šramek: Eigentlich habe ich alles gesungen was mich interessiert hat – auch, was mich weniger interessiert hat – nur den Papageno durfte ich hier nie machen. Und als 1988 bei einer Neuproduktion der Papageno statt mit mir mit einem Dänen besetzt wurde, war ich richtig verärgert. Ein dänischer Papageno … hier in Wien. Na, lassen wir das.

Und konntest Du Dir Rollen gelegentlich auch selber aussuchen?

KS Alfred Šramek: Ich habe nur ein einziges Mal eine Rolle sozusagen auf Wunsch bekommen.

Und zwar?

KS Alfred Šramek:

Den Nozze-Figaro. In der Gamsjäger- und Seefehlnerzeit war die Friederike Mehskolitsch vielleicht nicht unbedingt die eigentliche Macht im Haus, aber doch eine starke graue Eminenz. Und sie hat sehr gerne geraucht. Und bei einer ihrer Rauchpausen standen wir eines Tages zufällig nebeneinander – jeder von uns mit einer Zigarette in der Hand … da hat sie mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte den Figaro zu singen. Selbstverständlich lautete meine Antwort: Ja. Es hat sich dann herausgestellt, dass die erste Vorstellung bereits vier Wochen später stattfinden sollte – da hieß es also lernen, lernen und noch einmal lernen. Meine erste Susanna war übrigens die Cotrubas.

Bist Du ein schneller „Lerner“?

KS Alfred Šramek: Heute geht’s ein bisschen langsamer. Aber früher … ich war zum Teil auch von Zorn beflügelt. Wenn einem immer wieder ein alter Kollege Tipps geben will und nur darauf wartet, dass man einen Fehler macht, wird die Anstrengung verdoppelt. Als ich den Studienauftrag für den Polizeikommissär im Rosenkavalier bekam, sagte mir sogleich einer der Alten: „Das ist eine schwierige Rolle, da müssen Sie besonders vorsichtig sein, das kann man nicht einfach so runtersingen.“ Noch heute, 40 Jahre später, suche ich nach den offenbar heimtückischen Fallstricken in dieser Partie – erfolglos!

Hattest Du jemanden, der nach den Vorstellungen zu Dir kam um Dir zu sagen: „Das war gut, das weniger, da pass auf?“

KS Alfred Šramek: Nur den Alfred Šramek. Ich hatte viele meiner Vorstellungen auf Tonbänder aufgenommen und sie dann unzählige Male bis in die Nacht hinein angehört, um aus meinen eigenen Fehlern zu lernen. Das war sogar manchmal meiner Frau, die selbst Sängerin war und hier im Chor gesungen hat, zu viel.

Und mit ihr hast Du Dich nicht über die Vorstellungen unterhalten?

KS Alfred Šramek: Über Vorstellungen an sich – das schon, über andere Sänger – ja, aber niemals über meine Auftritte. Das wollte ich nicht. Ich schätze auch Besuche in der Sängergarderobe nicht. Meine Frau hat mich auch nur ein einziges Mal vor einem Auftritt in die Garderobe begleitet – damals als ich nach meiner schweren Krankheit, die mich auf 69 Kilo abmagern hat lassen, wieder zurückkam um den Dulcamara zu singen. Sie hatte Sorge, dass ich hinter der Bühne zusammenbrechen könnte.

Was waren für Dich die musikalischen Höhepunkte dieser 40 Jahre?

KS Alfred Šramek: Die Aufführungen mit Horst Stein, Fidelio mit Bernstein, Bohème mit Kleiber, natürlich Aufführungen mit Karajan und Böhm. Böhm hat sich immer nach mir erkundigt, wenn ich nicht angesetzt war: „Der dicke Bua ist nicht da?“ Ganz wichtig auch Dohnányi, der mich für Vorstellungen in Salzburg, Berlin, München geholt hat und mich für Plattenaufnahmen engagierte.

Und wie sieht es bei den Regisseuren aus? Welche bevorzugst Du?

KS Alfred Šramek: Schenk, Schenk und noch einmal Schenk. Er hat immer versucht, natürliche Menschen auf die Bühne zu bringen. Außerdem hatte ich in Salzburg auch das Glück, mit Günther Rennert zu arbeiten. Was der mich bei den Proben gequält hat, weil ich den trotteligen Notar im Rosenkavalier nicht so spielte, wie er sich das vorstellte. Irgendwann gab mir Kurt Moll, der Ochs der Produktion, den Tipp: „Mach einfach den Rennert als Person nach.“ Und Rennert war damals wirklich schon etwas zittrig, schief und wackelig – kurzum: ich machte den Rennert nach, worauf er freudenstrahlend auf die Bühne stürmte und mich mit den Worten umarmte: „ Jetzt haben Sie es, genauso so muss es sein.“

Du bist jetzt seit 40 Jahren an der Wiener Staatsoper, in der Kindheit warst Du Sängerknabe: Wolltest Du jemals etwas anderes werden als Sänger?

KS Alfred Šramek: Nein. Mit zehn Jahren habe ich eine Platte mit Ettore Bastianini bekommen. Ich habe sie regelrecht mit dem Ohr verschlungen und mir geschworen: Genauso wie der möchte ich auch einmal singen. Nun, ich bin kein Bariton sondern Bassbariton geworden – aber die Liebe zum Singen konnte man mir von da an nie mehr austreiben. Und auch heute ist es meine größte Freude, in die Oper zu einem Auftritt zu gehen. Ohne die Oper würde ich heute vermutlich nicht mehr leben – das Singen und im Besonderen die Oper sind also meine Rettung.

Das Gespräch führte Andreas Láng


KS ALFRED ŠRAMEK stammt aus Mistelbach und erhielt seine erste musikalische Ausbildung als Mitglied der Mozartsänger­knaben. Er setzte sein Gesangsstudium am Konservatorium der Stadt Wien bei KS Hilde Zadek und KS Peter Klein fort. Zahlrei­che Gastspiele führten ihn u. a. zu den Salzburger und Bregen­zer Festspielen. Darüber hinaus trat er an der Wiener Volksoper auf und gastierte regelmäßig in Spanien, Deutschland und den USA. 1975 wurde er von der Wiener Staatsoper als Solist en­gagiert, wo er als 8. Meister und 5. Kapellsänger (Palestrina) debütierte. Sein Repertoire umfasst rund hundert Partien, darunter Figaro (Le nozze di Figa­ro), Leporello, Masetto, Bartolo, Dulcamara, Taddeo, Benoit, Schaunard, Waldner (Arabella), Altgesell (Jenu˚fa), Mathieu (Andrea Chénier), Don Alfonso (Così fan tutte), Bailli (Werther), Mesner (Tosca), Hauptmann (Boris Godunow), Frank, Dansker (Billy Budd), Schigolch (Lulu), Pistola (Falstaff), Pollicinos Vater. 1989 wurde er Österreichischer Kammersänger. Von KS Alfred Šramek, der auch als Liedsänger erfolgreich ist, liegen zahlreiche CD-Einspielungen vor.

Rollen an der Wiener Staatsoper in der Spielzeit 2014/2015: u. a. Mesner, Bartolo, Frank, Mathieu, Pollicinos Vater, Alcindoro, Benoit.