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Eine Frage der Liebe

In der Don Pasquale-Neuproduktion geben KS Juan Diego Flórez und Valentina Naforniță das Paar Ernesto und Norina. Im Interview sprechen sie über starke Frauen, Belcanto-Finessen und künftige Szenen einer Ehe.

Wo liegen die Unterschiede zwischen den Belcantokomponisten Rossini, Donizetti und Bellini?

Juan Diego Flórez: Der Unterschied liegt – auch – in der Verwendung der Koloraturen. Bei Rossini gibt es sehr viele, auch beim frühen Donizetti, der ja anfangs Rossini zu imitieren versuchte. In seinen späteren Werken reduzierte Donizetti die Dichte an Koloraturen. Und Bellini wiederum ist weniger blumig als Rossini (wobei Rossini sich diesbezüglich in seinen späteren Opern wie Guillaume Tell zurücknahm). Generell ist die Behandlung der Singstimme bei Rossini extremer als bei den anderen beiden Komponisten. Vielleicht von allen Komponisten überhaupt am Extremsten!

Valentina Naforniță: Für mich nimmt Rossini eine Sonderstellung ein, er unterscheidet sich von Donizetti und Bellini stärker als die beiden jeweils vom anderen. Ich sehe mich selbst als Sängerin nicht in den großen Rossini-Partien; vielleicht später einmal, aber jedenfalls nicht kurz- oder mittelfristig. Donizetti und Bellini hingegen stehen mir sehr nahe, in erster Linie derzeit natürlich Adina und Norina. Und später hoffe ich auf die Donizetti-Königinnen, wie zum Beispiel Anna Bolena. Aber das dauert noch, bis ich dafür bereit bin ...

Gibt es für Sie als Sänger merkbare Unterschiede zwischen den frühen Opern Donizettis und Don Pasquale?

Juan Diego Flórez: Ja, anfangs spürt man, dass Donizetti noch stärker nach einer eigenen Identität sucht und noch nicht ganz er selbst ist. Wie gesagt, er steht in einer Nachfolge Rossinis und komponiert auch ein wenig wie Rossini. Die Entwicklung zu einem wirklich eigenständigen Stil hin lässt sich nachverfolgen. Bei Don Pasquale ist Donizetti als Komponist anerkannt – und eben ganz Donizetti. Die wunderbaren Melodien, die Orchesterbehandlung: das ist sein Personalstil.

Und wie schaut es mit Unterschieden zwischen den tragischen und heiteren Opern aus?

Juan Diego Flórez: Da ist es wie generell im Belcanto. Die ernsten Opern sind statischer, die Buffo-Opern hingegen sind theatralischer im Sinne von einem lebhaften Theater voller Bewegung und Abwechslungsreichtum. Aber auch hier hat Donizetti ein wenig eine Sonderposition, denn bei ihm beginnt sich die Sache zu verändern, seine Lucia di Lammermoor ist, was die Ausdrucksform betrifft, dramatischer. Also ein Schritt zur Lebensnähe der Komödie hin.

Und noch eine weitere Differenzierung: Adina und Norina? Wo liegen die Unterschiede zwischen diesen beiden Donizetti-Rollen?

Valentina Naforniță: Ich denke nicht, dass die stimmlichen Unterschiede besonders groß sind. Musikalisch sind beide Partien in praktisch derselben Tessitura geschrieben, die Anforderungen an eine Sängerin gestalten sich sehr ähnlich. Adina und Norina sind gewissermaßen Verwandte. Wobei es Unterschiede im Charakter der Figuren gibt, und sich diese Unterschiede im Einsatz der stimmlichen Mittel niederschlagen. Adina ist eine sensible, weichherzige Person, die weiß, was sie will, dies aber bedachtvoll durchzusetzen versteht. Norina ist tough, sie weiß ebenfalls ganz genau was sie möchte und zieht das mit impulsiver Energie durch. Sie setzt, wenn nötig, viele Mittel ein. Dieser Tough-heit im Charakter muss man gesanglich nachkommen, das bedeutet, man muss im Ausdruck auch nachdrücklicher werden. Ein rein formaler Unterschied ist übrigens auch, dass Norina deutlich mehr zu singen hat als Adina.

Wie herausfordernd im Technischen sind die jeweiligen Rollen für Sie?

Valentina Naforniță: Ich schätze die Partie sehr und fühle mich gut mit ihr. Es ist einfach eine Freude, Norina zu singen. Donizetti hat ideal für meine Stimme geschrieben, daher ist die Herausforderung für mich – rein vom Technischen her – nicht sehr groß. Das Großartige an der Rolle ist, dass sie mir hilft, mich zu verbessern, ich kann sehr gut an und mit der Partie arbeiten.

Juan Diego Flórez: Auch die Partie des Ernesto ist, was die technische Bewältigung betrifft, im Großen und Ganzen nicht über alle Maßen schwierig. Die Ausnahme bildet die Cabaletta, die sehr hoch liegt, beziehungsweise im hohen Passaggio-Bereich gelagert ist. Und das ist dann doch eine größere Herausforderung für jeden Tenor.

Bieten Norina und Ernesto Möglichkeiten für freie musikalische Auszierungen, Fiorituren?

Juan Diego Flórez: Auf alle Fälle am Schluss der Cabaletta, wenn es in die Wiederholung geht! Da aber das Orchester sehr häufig die Melodielinie des Sängers verdoppelt, ist eine tatsächliche, freie und spontane Ausgestaltung jenseits dessen, was Donizetti in die Noten geschrieben hat, nur selten möglich. Man kann zwar Variationen einbringen, aber nicht sehr viele.

Valentina Naforniță: Ich bin da eher vorsichtig und sparsam, zumal es im Falle von Norina so ist, dass sie ohnedies schon sehr viele Verzierungen und Koloraturen in ihren Noten hat. Es könnte auch zuviel werden, wenn man da noch eines draufsetzt und immer weiter Fiorituren singt und singt. Wenn ich etwas in diese Richtung mache, dann natürlich immer nur in Absprache mit dem Dirigenten, damit auch die stilistische Einheit der Oper gewahrt bleibt. Zumal Jesús López-Cobos ein Dirigent mit sehr großer Erfahrung auf diesem Gebiet ist.

Juan Diego Flórez: Genau, die Erfahrung ist hier ganz besonders wichtig! Ich habe immer wieder in Belcanto-Opern solche zusätzlichen Verzierungen gesungen, aber es bedarf eben einer gewissen Übung und einer Kenntnis des Stils. Und, wie erwähnt, es muss möglich sein. Wenn das Orchester einen verdoppelnd begleitet, wie oft bei Donizetti, dann sind Fiorituren praktisch nicht umzusetzen!

Wie viel Raum für plötzliche Inspiration und Freiheiten während einer Vorstellung räumen Sie sich ein?

Juan Diego Flórez: Man kann sich selbst natürlich immer Freiheiten einräumen, aber wenn man sich, wie bei Rossini-Opern, extrem auf die richtigen Noten konzentrieren muss, dann ist das zumindest nicht so einfach. Rossini ist wie ein Formel 1-Rennen, man muss immer komplett konzentriert sein und kann sich weniger zurücklehnen und die Landschaft genießen. Bei Donizetti ist es ein wenig entspannter, man kann sich ein wenig mehr gehen lassen, aber auch hier immer mit Maß und Ziel. Man muss schon sehr genau wissen, wo und wann man sich welche Freiheiten erlauben kann. Und man steht ja auch nicht alleine auf der Bühne, daher heißt es immer auch Rücksicht auf andere nehmen.

Sie haben vor einiger Zeit Ihre Technik geändert – hat das auf den Ernesto Auswirkungen?

Juan Diego Flórez: Nein, ich habe nun nur noch mehr Möglichkeiten, diese Rolle mit der nötigen Leichtigkeit zu singen.

Frau Naforniță, die Norina ist in Ihrem Auftrittsrepertoire neu, Sie sind aber schon lange mit der Rolle verbunden …

Valentina Naforniță: Ich begann sie schon in meinem letzten Uni-Jahr zu studieren, also noch bevor ich nach Wien kam. Es war geplant, dass ich die Norina an der Oper in Bukarest singe, ich hatte schon einige Proben und Korrepetitionen mit dem Dirigenten der Produktion – und dann bin ich eben in Wien gelandet und sang die Bukarester Produktion nicht. Ich ließ die Rolle nun fast vier Jahre ruhen und fing am Anfang der Spielzeit an, sie neu zu lernen. Die wesentlichen Arien und Duette sang ich zwischendurch immer wieder in diversen Konzerten. Ich bin also derzeit sehr auf die Norina ausgerichtet!

Wie wird die Ehe zwischen Norina und Ernesto werden?

Valentina Naforniță: Ich denke: es wird eine gute Ehe! Norina würde das alles nicht machen, was sie macht, wenn sie Ernesto nicht aus ganzem Herzen lieben würde. All diese Spiele und Intrigen, das ist ja nur Mittel zum Zweck. Wenn eine Frau so stark ist und so viel investiert, nur um das zu bekommen, was sie möchte – dann möchte sie das wirklich! Das ist nicht nur aus Jux und Tollerei. Hier geht es nicht um Spaß, sondern um Liebe. Würde sie nicht so an ihm hängen, dann wäre er den ganzen Aufwand ja nicht wert. Aber er ist es ja eben wert!

Juan Diego Flórez: Das denke ich auch. Norina ist stark, aber Ernesto ist auch kein Schwächling. Er ist bereit, viel für sie zu riskieren. Und nachdem er den Schwindel verstanden hat, ist ihm auch klar, dass sie die ganze Komödie nur veranstaltet, um ihn zu bekommen.

Er muss sich in Zukunft vor ihrem Schauspiel- und Verstellungstalent also nicht fürchten?

Juan Diego Flórez: Nein, ganz im Gegenteil. Das Ganze ist ja für ihn, für das gemeinsame Glück. Ich glaube, dass es eher ein Liebesbeweis ist: Norina liebt Ernesto sehr – und daher der ganze Aufwand.

Valentina Naforniță: Ich glaube auch nicht, dass sie sich nach der Heirat verändern wird. Es wäre ja dann doch zu anstrengend, ein Leben lang solche Intrigenspiele zu inszenieren?!

Dennoch ist Nemorino eigentlich der bessere Liebeswerber: zumindest hat er diesbezüglich die bessere Kondition und lässt sich nicht so leicht abschrecken.

Valentina Naforniță: Das stimmt freilich. Er kämpft härter für seine Liebe. Weil er naiver ist. Ernesto ist vernünftiger, er sieht die verfahrene Situation und denkt, dass er nichts mehr machen kann und will aufgeben. Natürlich ist ein solches Aufgeben nicht gut, aber manchmal sind Menschen eben so. Genau darum muss Norina tätig werden, weil es einfach noch die richtige Person braucht, um alles wieder ins Lot zu bringen. Manchmal gelingt das Männern, manchmal Frauen. In einer Beziehung ist immer wieder die Frau die Stärkere, ohne die der Mann nicht die richtigen Entscheidungen träfe. Nicht, weil sie klüger oder besser ist, sondern einfach, weil sie genau die Person ist, die ein Mann braucht und die ihn ergänzt.

Zuletzt: Was macht Don Pasquale zu einem solchen Meisterwerk? Die Musik? Die Handlung?

Valentina Naforniță: Gute Handlungen gibt es viele, es ist die Musik, die einfach fantastisch ist. Was macht ein Meisterwerk aus? Das Gefühl nach einem Opernabend, die nachklingende Musik im Kopf. Das wird auch diesmal so sein: Don Pasquale macht einfach viele glücklich!

Juan Diego Flórez: Diese Oper macht Spaß! Es ist eine der besten musikalischen Komödien, so wie Barbiere di Siviglia, die Melodien sind zündend und schön, die Story funktioniert, das ganze Werk zieht in seinen Bann. Man muss die Oper lieben…

Das Interview führten Andreas Láng und Oliver Láng