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Ein omnipräsenter Maestro

Erst einmal dirigierte Valery Gergiev im Haus am Ring: 2004 das „Konzert für Österreich“ mit Ausschnitten aus Wagners Lohengrin, Tannhäuser und Walküre, zwei Episoden aus Tschaikowskis Nussknacker-Ballett, den Mittelsätzen aus dessen sechster Symphonie, der „Pathetiqué“, sowie zwei Stücken des Walzerkönigs Johann Strauß, dem Kaiser-Walzer und der Champagner-Polka. Dieser Tage feiert er sein Debüt als Operndirigent an der Staatsoper: mit drei Vorstellungen von Wagners Parsifal, einem Werk, das er auch konzertant wiederholt aufgeführt hat, etwa 1998 bei den Salzburger Festspielen mit Placido Domingo in der Titelpartie und Waltraud Meier als Kundry. Auch bei den Staatsopernabenden in der 2017 erstmals gezeigten Inszenierung von Alvis Hermanis kann der russische Dirigent auf eine prominente Besetzung zählen: Matthias Goerne als Amfortas, René Pape als Gurnemanz, Simon O’Neill als Parsifal und Elena Zhidkova als Kundry. Ein Dirigent, „der seine Bärenkräfte am Pult regelmäßig zur Ausdrucksgewalt steigert“, beschreibt Wolfgang Schreiber Gergiev in seinem Dirigenten-Buch. Aber auch einer, der Konflikte nicht scheut, zuweilen politisch Partei ergreift, vor allem ein von seiner Mission, der Musik, Besessener, für den mehr als zweihundert Auftritte im Jahr nichts Ungewöhnliches sind.
Ebenso ein Jetsetter der Musik, denn Valery Gergiev ist ein in der alten wie neuen Welt gleichermaßen geschätzter Gast mit einer sehr speziellen Dirigiertechnik, die sich kaum in Worte fassen lässt. Oder doch? Christine Lemke-Matwey hat sie in Die Zeit einmal so zu umschreiben versucht: „Und sie beginnen tatsächlich zu flattern, die Hände, sobald er sie hebt, zu zucken wie von tausend kleinen Stromstößen gejagt, zu zittern wie Espenlaub, als striche ein starker Wind durch die Finger.“ Dass sich mit diesen durchaus magisch zu nennenden Bewegungen besondere Resultate erzielen lassen, zudem höchste Perfektion, kann man immer wieder bei Auftritten Gergievs im Konzertsaal wie in der Oper beobachten und erfährt auch Bestätigung in zahlreichen Aufnahmen.
Geboren wurde Gergiev 1953 in Moskau, aufgewachsen ist er im Kaukasus. Nach ersten Klavier-studien ging er von 1972 bis 1977 ans Konservatorium seiner Heimatstadt, wo er bei Ilja Musin, einem der großen Dirigentenlehrer der jüngeren Vergangenheit, zu dessen Schülern so unterschiedliche Maestri wie Semyon Bychkov oder Teodor Currentzis zählen, studierte. 1978 holte ihn Yuri Temirkanov, Musikdirektor des damals Kirov Oper genannten Mariinskij Theaters, als Assistent an sein Haus, wo er mit Prokofjews Krieg und Frieden sein Dirigentendebüt feierte.

ZWISCHEN ST. PETERSBURG, NEW YORK, LONDON UND MÜNCHEN

Mittlerweile steht dieses traditionsreiche St. Petersburger Opernhaus im Mittelpunkt von Valery Gergievs weltumspannender Tätigkeit. Hier wirkt er seit 1988 als Chefdirigent, ab 1996 zusätzlich als Künstlerischer Leiter und Intendant, zeichnet für die künstlerische Ausrichtung des Hauses ebenso verantwortlich wie für dessen ökonomische Ausstattung. Dabei kommen ihm seine glänzenden Kontakte zur russischen Führung zugute. So konnte das Mariinskij Theater in kurzer Zeit renoviert und auf den neuesten Stand gebracht werden.
Erfahrung für diese Tätigkeiten holte sich Gergiev mehrfach im Ausland. Zwischen 1995 und 2008 wirkte er als Erster Dirigent bei den Philharmoni- kern in Rotterdam. Mit ihnen realisierte er auch Wagners Parsifal. Nie zuvor habe er den Orchesterpart dieser Oper auf einem solchen Niveau, klanglich so differenziert und spannend, gehört, wurde Hans Landesmann, langjähriger Direktor der Salzburger Festspiele, nie müde zu betonen. Nachfolger Gergievs in Rotterdam wurde Yannik Nezét-Seguin, längst Musikchef der New Yorker Met. Auch sie ist Gergiev gut bekannt. Hier war er ein Dezennium unter dem damaligen Musikchef James Levine als Erster Gastdirigent tätig. Zu seinen New Yorker Premieren zählt Mussorgskis Boris Godunow in einer bis dahin unbekannten neuen kritischen Version.
Im selben Jahr, als er seinen ersten Chefposten am Mariinskij-Theater antrat, 1988, debütierte er beim London Symphony Orchestra. Als er sechzehn Jahre später erneut an das Pult des international bedeutendsten britischen Klangkörpers trat, brachte er zyklisch die Prokofjew-Symphonien zur Aufführung. Das gefiel so gut, dass er 2007 die Nachfolge von Sir Colin Davis als Chefdirigent des LSO, mit dem er sämtliche Mahler-Symphonien eingespielte, antrat. Seit 2015 hat Gergiev die Chefposition bei den Münchner Philharmonikern inne, wo er gleichfalls einem berühmten Vorgänger nachfolgte: Lorin Maazel. Mit diesem Orchester ist er dabei, alle Bruckner-Symphonien aufzuführen und aufzunehmen.

VON BARTÓK BIS WAGNER

Apropos Aufnahmen: Gergievs Opernaufnahmen, zum Teil live von seinem Mariinskij-Label mitschnitten, reichen – listet man sie alphabetisch auf – von Bartóks Herzog Blaubarts Burg bis Wagners Parsifal und umfassen vielfach russisches Repertoire, seine Konzertaufnahmen von Berlioz’ Symphonie fantastiqué bis Tschaikowski, darunter mehrere seiner Symphonien mit den Wiener Philharmonikern, die ihn ebenso seit Jahren ans Pult bitten wie ihre Kollegen aus Berlin. Zu seinen solistischen Partnern auf Platte zählen die Geiger Nikolaj Znaider und Vadim Repin, die Pianisten Lang Lang, Denis Matsuev und Alexander Toradze oder der Cellist Gautier Capuçon.
Erstaunlich, dass bei einer solchen Vielfalt an Engagements Gergiev, der Vater von vier Kindern aus zwei Beziehungen ist, noch Zeit bleibt, sich um die in Russland, den Niederlanden oder in Finnland von ihm in Leben gerufenen Festivals zu kümmern, Talente tatkräftig zu fördern, die Organisation des Moskauer Tschaikowski-Festivals zu verantworten und sich für zahlreiche soziale Projekte zu engagieren. Das erklärt, warum sich erst jetzt ein Zeitfenster für diesen vielbeschäftigten seinerzeitigen Karajan-Wettbewerbssieger gefunden hat, um Oper auch an der Wiener Staatsoper zu dirigieren. Das ist jetzt der Fall, noch dazu mit einem seiner Lieblingsstücke: Wagners Parsifal.

Walter Dobner


Parsifal | Richard Wagner
18., 21., 24. April 2019
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