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© Johannes Ifkovits

Das Glück des Herzens

Im September 2012 debütierte Jinxu Xiahou als Conte di Lerma in Don Carlo an der Wiener Staatsoper, in den sieben Jahren seiner Ensemble- mitgliedschaft ist seine Auftrittszahl auf über 220 angewachsen. Kleine Rollen, mittlere Rollen, große Rollen. So stand er in dieser Spielzeit etwa als Rodolfo auf der Bühne, er sang bereits den Almaviva im Barbier, den Ernesto in Don Pasquale, den Nemorino im Liebestrank, den Don Ramiro in Cenerentola, den Don Ottavio in Don Giovanni, trat insgesamt in rund 25 Opern auf.
Lässt er nun alle seine Partien Revue passieren – welche drei liegen ihm besonders am Herzen? Wie aus der Pistole geschossen kommt die Nummer eins: „Der Sänger im Rosenkavalier. Eine kurze und schwierige Rolle, und sehr schön! Man hat nur einen einzigen Auftritt, es gibt also keine zweite Chance. Das bedeutet, dass der Sänger sofort auf den Punkt kommen muss und es kein Aufwärmen gibt. Eine Herausforderung, zumal die Arie nicht einfach ist. Und man steht auch ganz im Mittelpunkt, da ist nichts, was einem im Falle des Falles helfen könnte – aber die Musik ist so schön, dass man für dieses Wagnis augenblicklich entschädigt wird.“ Ein Fall für Lampenfieber? „ Ja, natürlich. Aber im positiven Sinne. Es geht bei der Anspannung vor einem Auftritt ja darum, dem Publikum das Bestmögliche bieten zu können. Und wie auch immer es mir geht, bevor ich die Bühne betrete – bin ich erst einmal auf dem Podium, ist die Aufregung wie weggeblasen und ich freue mich einfach darüber, singen zu können.“ Im Zusammenhang mit dem Rosenkavalier singt Xiahou gleich ein Loblied auf einen seiner liebsten Dirigenten, Adam Fischer. „Ich habe den Rosenkavalier mit ihm schon oft gemacht und jedes Mal fasziniert mich, wie ruhig er ist, wie deutlich er schlägt und wie genau er weiß, was wir Sänger brauchen. Er atmet mit und gibt uns bei heiklen Stellen die Zeit, die wir benötigen.“

Nummer zwei: Don Ottavio. „Das passt für meine Stimme einfach wunderbar“, freut sich Xiahou. „Und es passt nicht nur, sondern tut ihr auch gut. Gleichzeitig muss man natürlich immer auch aufpassen, da man Mozart behutsam singen muss – kein Druck auf die Stimme, sonst verändert sich der Charakter der Musik und es stimmt nicht mehr. Es braucht also eine perfekte Balance zwischen Präsenz und Natürlichkeit. Und nach jedem Abend merkt man, dass es der Stimme besser geht.“

Nummer drei: „Nemorino! Er ist heiter, die ganze Oper Liebestrank ist so freundlich, gut gelaunt, man kommt einfach in eine frohe Stimmung. Abgesehen davon gefällt mir die Musik und Nemorino ist charakterlich direkt mit mir verwandt. Da muss ich gar nicht so viel schauspielern! Ich mag auch die Inszenierung von Otto Schenk, sie entspricht dem Werk und gehört zu den besten Arbeiten, die es zu dieser Oper gibt. Ich bin jedenfalls immer glücklich, wenn ich diesen netten Kerl Nemorino singen darf. Die positiven Nachwirkungen dieses sonnigen Charakters spüre ich stets noch lange!“ Spürt der Tenor aber auch die tragischen Nachwirkungen einer traurig gestimmten Oper? „ Ja, schon mittendrin! Wenn ich etwa den Rodolfo in La Bohème singe, dann bin ich am Ende der Oper immer zutiefst berührt. Interessant ist, dass es immer ein anderes Gefühl des Mitleids und der Traurigkeit ist. Niemals zweimal gleich, sondern immer in einer anderen Farbe.“ Und um bei Mozart zu bleiben: Wenn Nemorino Xiahou entspricht, dann muss ein Macduff in Macbeth doch charakterlich weit entfernt liegen? „So ist es auch“, meint er. „Er ist ein Soldat, ein eher kalter Mensch, das fühle ich so nicht in mir. Auf diese Partie muss ich mich immer gesondert vorbereiten.“ Sympathisch ist ihm hingegen Don Ottavio, der für Xiahou Stärke und Korrektheit vermittelt. „Er ist ja durch und durch gut, er scheint nur aber für viele im Gegensatz zum dunkleren Don Giovanni nicht so attraktiv. Aber so ist die Welt eben“, lacht er.
Mozart, Donizetti, ein bisschen mehr Verdi: so lauten für Xiahou die Koordinaten für die nahe Zukunft. „Ein bisschen Duca und Alfredo, das wäre schön“, meint er. Von einigen der geplanten Rollen probiert er hier und da in Konzerten schon einzelne Arien aus. Wobei „eine Arie ja noch lange nicht die Rolle ist. Aber es ist ein erster Kontakt.“

Auf dem Weg zu diesen und weiteren Partien vertraut Xiahou seinem Gespür – und den Ohren fachkundiger Zuhörer. „Vor einigen Jahren hat mich Neil Shicoff unterrichtet, hat sich meine Vorstellungen angehört und mir Ratschläge und Hinweise gegeben. Heute ist es mir wichtig, dass meine Freundin – sie ist Geigerin im RSO-Wien – mir Rückmeldungen über meine Auftritte gibt. Sie hat als Musikerin sehr gut geschulte Ohren und ist mir so eine große Hilfe.“ Ergänzend dazu verbringt er Zeit in der Sängerloge der Staatsoper, um Kollegen zuzuhören. „Das ist ja unter anderem das Schöne an diesem Haus, dass man so viele wunderbare Sängerinnen und Sänger erleben kann.“ Aber nicht nur als „Lehrstunde“ werden diese Vorstellungen angesehen, es geht Xiahou um „das ganze Paket, die ganze Vorstellung.“ Wie ihm überhaupt am Sängerberuf „das ganze Paket“ am besten gefällt: das Stehen auf der Bühne, das Musizieren mit den anderen, das Singen und Spielen – all das macht mich einfach aus ganzem Herzen glücklich!“

Oliver Láng