Was den Vogel vom Wanderer unterscheidet

Interview |

Drei Po­sau­nen und viel Em­pa­thie – Koncz er­klärt, war­um Mo­zarts »Don Giovanni« ihm Gän­se­haut be­rei­tet.

Über­ra­schend vie­le be­deu­ten­de Di­ri­gen­ten­per­sön­lich­kei­ten wa­ren zu­nächst Or­ches­ter­mu­si­ker – so et­wa Arturo Toscanini, Nikolaus Harnoncourt, Bernard Haitink, Eugene Ormándy, Charles Mackerras, Arthur Nikisch, Andris Nelsons, Neville Marriner, Marc Minkowski, Tullio Serafin, Manfred Honeck. Es ist al­so of­fen­bar kein ganz un­ge­wöhn­li­cher künst­le­ri­scher Le­bens­weg, in die­sem Be­reich die Sei­ten zu wech­seln. Christoph Koncz be­fin­det sich je­den­falls in gu­ter Ge­sell­schaft.

15 Jah­re lang war der heu­te 38-Jäh­ri­ge Vor­gei­ger der zwei­ten Vio­li­nen bei den Wiener Philharmonikern bzw. des Staatsopernorchesters, ehe er das Di­ri­gen­ten­po­dest auf­grund der im­mer stär­ker wer­den­den in­ter­na­tio­na­len Nach­fra­ge zum aus­schließ­li­chen Be­tä­ti­gungs­feld er­kor.

Nach den Bal­lett­pro­duk­tio­nen Tabula rasa (2023) und The Winter’s Tale (2024) wird er nun im Ok­to­ber und No­vem­ber zum ers­ten Mal auch ei­ne Se­rie von Opern­vor­stel­lun­gen an der Wiener Staatsoper lei­ten – Mo­zarts Don Giovanni.

Mit dem de­sig­nier­ten Chef­di­ri­gen­ten des Bruckner Orchesters Linz re­spek­ti­ve Mu­sik­di­rek­tor des Linzer Landestheaters sprach Andreas Láng.

Zu­nächst ei­ne na­he­lie­gen­de Fra­ge: War­um wird je­mand Di­ri­gent, der sich sicht­lich wohl­ge­fühlt hat im Ver­band der Wiener Philharmoniker?

Ich glau­be, dass es in al­len Or­ches­tern Mu­si­ker gibt, die auch ei­ne Af­fi­ni­tät zum Di­ri­gie­ren ha­ben – die so­gar ge­ra­de des­halb Mit­glied ei­nes Or­ches­ters wer­den, weil sie hier der Idee und der Tä­tig­keit des Di­ri­gie­rens am nächs­ten sind, sich ge­wis­ser­ma­ßen in un­mit­tel­ba­rem Aus­tausch mit der Ma­te­rie be­fin­den.

Ich ha­be nicht erst als Gei­ger im Gra­ben der Wiener Staatsoper be­merkt, dass das Di­ri­gie­ren eben­falls et­was für mich wä­re, son­dern hat­te schon seit mei­ner frü­hes­ten Kind­heit ein tief­ge­hen­des In­ter­es­se am gro­ßen Gan­zen ei­nes Wer­kes. Ich kom­me aus ei­ner Mu­si­ker­fa­mi­lie – mein Va­ter ist selbst Di­ri­gent – und so ist es viel­leicht nicht ganz ver­wun­der­lich, dass ich schon als Vier­jäh­ri­ger mit Or­ches­ter­par­ti­tu­ren ver­traut war.

Laut mei­ner El­tern ha­be ich zu­erst No­ten le­sen ge­lernt und über das Le­sen in den Par­ti­tu­ren dann auch die Buch­sta­ben­schrift. Schon als Gei­ger ha­be ich so­mit mei­ne ei­ge­ne Stim­me im­mer im Ge­samt­kon­zept der Par­ti­tur ver­stan­den, und in­so­fern ist das Di­ri­gie­ren ei­ne Fort­set­zung mei­ner frü­he­ren Tä­tig­keit als In­stru­men­ta­list – le­dig­lich von ei­ner an­de­ren War­te aus.

Ein Per­spek­tiv­wech­sel al­so?

Viel­leicht ist Per­spek­tiv­wech­sel der Be­griff, der mei­ne Über­sie­de­lung vom Pult des Vor­gei­gers auf das Di­ri­gier­po­di­um tat­säch­lich am bes­ten trifft. Da­zu ein bild­haf­ter Ver­gleich: Den­ken Sie sich ei­nen Wald, den Sie häu­fig durch­wan­dern. Sie ha­ben dort Ih­re Lieb­lings­stre­cke, ken­nen ge­nau je­de Wen­dung des We­ges, wis­sen, wo sich zu­erst die Pfüt­zen bil­den, wenn es ge­re­gnet hat, wo der ers­te Schnee lie­gen bleibt, wo im Früh­ling die frühs­ten Blu­men sprie­ßen; Sie ken­nen den Gra­ben, über den die Re­he sprin­gen – Sie ken­nen die­sen Wald aus der Sicht des Wan­de­rers in- und aus­wen­dig.

Das ist die In­nen­an­sicht – die Sicht des Or­ches­ter­mu­si­kers, wenn Sie so möch­ten. Der Di­ri­gent gleicht hin­ge­gen ei­nem Vo­gel, der über den be­sag­ten Wald fliegt. Der Vo­gel sieht nicht nur den Gra­ben, den die Re­he über­que­ren, son­dern auch, wo­her sie kom­men und wo­hin sie ge­hen; er sieht, an wel­cher To­po­gra­phie es liegt, dass sich an ei­ner be­stimm­ten Stel­le ei­ne Pfüt­ze bil­det usw. Er sieht mit an­de­ren Wor­ten die ei­gent­li­che Ar­chi­tek­tur des Gan­zen – die Struk­tur der Kom­po­si­ti­on, Ur­sa­che und Wir­kung.

Durch mei­ne un­ter­schied­li­chen Tä­tig­kei­ten als Gei­ger und Di­ri­gent ha­be ich den Vor­teil, bei­des zu ken­nen: Ich bin ver­traut mit dem Wald aus der Sicht des Wan­de­rers und aus der Sicht des Vo­gels.

Die Ent­schei­dung, als Gei­ger die­sem Or­ches­ter bei­zu­tre­ten, be­stimm­te das In­ter­es­se, das hier ge­pfleg­te Re­per­toire – im sym­pho­ni­schen Be­reich wie in der Oper – im Pro­zess des ak­ti­ven Mit­ge­stal­tens mög­lichst in­ten­siv aus der In­nen­sicht zu er­kun­den.

Ich emp­fin­de die 15 Jah­re, die ich hier ver­bracht ha­be – den ein­zig­ar­ti­gen Klang mei­ner Kol­le­gen, von dem ich stän­dig um­ge­ben war, die fa­zi­nie­ren­de Zu­sam­men­ar­beit mit her­vor­ra­gen­den Di­ri­gen­ten, So­lis­tin­nen und Sän­gern – als ei­nen kost­ba­ren Schatz, der na­tür­lich auch mei­ne Tä­tig­keit als Di­ri­gent enorm in­spi­riert.

Es ist aber doch so, dass je­des Or­ches­ter sei­nen ei­ge­nen Klang hat, der auch ge­prägt wur­de durch die Akus­tik der Sä­le, in de­nen die­ses Or­ches­ter zu Hau­se ist – im Fal­le der Philharmoniker: Musikverein und Staatsoper. In­wie­weit kön­nen Sie das Klang­ide­al der Wiener Philharmoniker mit je­nem ei­nes an­de­ren Or­ches­ters in Ein­klang brin­gen?

Ich ha­be vor Kur­zem bei­spiels­wei­se die Staatskapelle Dresden di­ri­giert, ei­nen Klang­kör­per, der seit über 475 Jah­ren exis­tiert – da ha­ben sich na­tür­lich ent­spre­chen­de, wun­der­ba­re Be­son­der­hei­ten aus­ge­prägt. Und beim Cleveland Orchestra konn­te ich deut­lich den star­ken Ein­fluss sei­ner Mu­sik­di­rek­to­ren spü­ren, die hier oft jahr­zehn­te­lang tä­tig wa­ren.

Sie ha­ben al­so recht: Je­des Or­ches­ter hat in sei­ner DNA ei­ne ganz be­son­de­re Tra­di­ti­on ein­ge­schrie­ben. Und selbst­ver­ständ­lich wä­re es ver­mes­sen zu sa­gen, dass ich auch an­der­orts den spe­zi­fi­schen Klang der Wiener Philharmoniker hö­ren möch­te.

Mein ei­ge­nes Klang­ide­al ist je­doch vom Klang der Wiener Philharmoniker sehr stark ge­prägt – durch das Er­le­ben zahl­rei­cher Kon­zer­te und Opern­vor­stel­lun­gen so­wohl als ju­gend­li­cher Zu­hö­rer wie na­tür­lich auch spä­ter durch das ak­ti­ve Mit­spie­len als Mit­glied.

Mu­si­zie­ren ist aber nie ei­ne Ein­bahn­stra­ße, son­dern ein Mit­ein­an­der. Ein Di­ri­gent wird al­so im­mer ver­su­chen, sei­ne Klang­vor­stel­lun­gen – die sich in den Klang­far­ben, der Ar­ti­ku­la­ti­on und in der Ba­lan­ce aus­drü­cken – in ei­ne Ver­bin­dung zu set­zen mit dem, was das Ge­gen­über von sich aus an­bie­tet.

Und ge­nau die­ses Ge­ben und Neh­men, ähn­lich wie in der Kam­mer­mu­sik, ist für mich ei­gent­lich das Schöns­te an die­ser Tä­tig­keit.

Apro­pos Ba­lan­ce: Herbert von Karajan hat stets dar­auf ge­ach­tet, ei­ner­seits die Bäs­se und an­der­er­seits die Ober­stim­men klar her­aus­zu­ar­bei­ten …

In­ter­es­sant, dass Sie das an­spre­chen. Mir war das bei Karajan nicht be­son­ders be­wusst, aber tat­säch­lich ach­te ich schon beim ers­ten Le­sen ei­ner Par­ti­tur eben­falls sehr ge­nau auf die Ex­trem­re­gis­ter.

Wenn zum Bei­spiel ein Pic­co­lo als be­son­de­re Far­be hin­zu­stößt, ma­che ich mir die­sen As­pekt schon im Vo­ri­n­ei­ne be­wusst und möch­te dann die­ses De­tail auch dem­ent­spre­chend deut­lich wahr­neh­men. Es ist mit an­de­ren Wor­ten wich­tig, ein brei­tes Klang­spek­trum dar­zu­stel­len.

Zu­gleich steht für mich auch die Ar­beit an der Plas­ti­zi­tät, an der Trans­pa­renz und vor al­lem an den Klang­far­ben im Vor­der­grund – an den Aus­drucks­far­ben wohl­ge­merkt, nicht nur an den in­stru­men­ta­len Far­ben.

Ich ha­be vor Kur­zem Skrjabins Poème de l’Extase di­ri­giert – ei­ne Par­ti­tur, die ge­nau von die­ser Ar­beit an den Far­ben lebt. Was be­deu­tet denn zum Bei­spiel die Vor­schrift pianissimo? Sie kön­nen die be­tref­fen­de Pas­sa­ge na­tür­lich bloß sehr lei­se spie­len – aber das ist nur die hal­be Wahr­heit. Denn pianissimo be­deu­tet eben auch ei­ne ganz be­son­de­re Far­be, die dann in die­sem Mo­ment ih­re spe­zi­el­le Wir­kung ent­fal­tet.

Und wenn ich spü­re, wie die Mu­si­ke­rin­nen und Mu­si­ker des je­wei­li­gen Or­ches­ters, vor dem ich ste­he, selbst Freu­de dar­an ha­ben, an den Far­ben zu fei­len, ist das je­des Mal ein be­glü­cken­der Mo­ment für mich. 

»Kaum je­mand konn­te durch die Mu­sik die Cha­rak­te­re so um­fas­send und plas­tisch be­schrei­ben wie Mozart. Man den­ke nur, wie un­ter­schied­lich et­wa die drei Frau­en­fi­gu­ren in Don Giovanni ge­zeich­net sind – Mozart muss ganz of­fen­sicht­lich ei­ne ein­zig­ar­ti­ge Em­pa­thie­fä­hig­keit be­ses­sen ha­ben, um die psy­cho­lo­gi­schen und see­li­schen Uni­ver­sen der­ar­tig aus­leuch­ten zu kön­nen.«

Und jetzt kom­men Sie in ein Re­per­toire­haus wie die Wiener Staatsoper, an dem kei­ne Or­ches­ter­pro­be vor­ge­se­hen ist …

… kei­ne mit dem Or­ches­ter, aber aus­rei­chend vie­le mit den Sän­gern …

… aber eben kei­ne mit dem Or­ches­ter: Wie ar­bei­tet man da an den Far­ben? Gibt es da non­ver­ba­le Tricks, ist es Hand­werk?

Beim Di­ri­gie­ren – al­so nicht beim blo­ßen Tak­tie­ren, son­dern ab dem Mo­ment, wo es um Kunst und In­ter­pre­ta­ti­on geht – kommt es zu ei­ner Form der Ma­gie, ei­ner mys­ti­schen, non­ver­ba­len Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen al­len Be­tei­lig­ten, die sich wohl nicht zur Gän­ze er­klä­ren lässt.

Si­cher­lich aus­ge­löst durch die im­men­se in­ne­re Fo­kus­sie­rung des Di­ri­gen­ten auf die ei­ge­ne mu­si­ka­li­sche Vor­stel­lung, aber auch er­mög­licht durch den ex­trem ho­hen Sen­si­bi­li­täts­grad der Mu­si­ke­rin­nen und Mu­si­ker.

Und hier an der Wiener Staatsoper kommt na­tür­lich noch die gro­ße per­sön­li­che Ver­traut­heit hin­zu, die zwi­schen mei­nen ehe­ma­li­gen Or­ches­ter­kol­le­gen und mir be­steht. Da rei­chen oft kur­ze Bli­cke, ei­ne mi­ni­ma­le Zeichengebung, ei­ne be­stimm­te Form des Ein­at­mens oder der Mi­mik, um spon­tan ge­mein­sam das ge­wünsch­te Re­sul­tat zu er­mög­li­chen.

Zwi­schen ei­nem Di­ri­gen­ten und dem Or­ches­ter ist nicht im­mer al­les ei­tel Won­ne. Als Mu­si­ker wird man durch­aus von ge­wis­sen Schwä­chen man­cher Di­ri­gen­ten ge­är­gert. Ha­ben Sie sich dies­be­züg­lich ge­merkt, was Sie am Pult ste­hend bes­ser nie­mals ma­chen oder sa­gen dür­fen bzw. un­be­dingt ma­chen soll­ten?

In der Tat ha­be ich so­wohl von den Vor­zü­gen und Stär­ken als auch von den De­fi­zi­ten der Di­ri­gen­ten sehr viel ge­lernt. Schließ­lich ist in der Oper die in­ter­pre­ta­to­ri­sche Band­brei­te der Di­ri­gen­ten be­son­ders groß, ent­spre­chend viel­fäl­tig sind die He­ran­ge­hens­wei­sen.

Da der Vor­gei­ger be­son­ders nah beim Di­ri­gen­ten plat­ziert ist, war auch mein akus­ti­sches Um­feld je­nem des Di­ri­gen­ten sehr ähn­lich. So konn­te ich zum Bei­spiel un­mit­tel­bar mit­ver­fol­gen, wie ein be­stimm­ter Aus­druck er­zielt wur­de, wie der Di­ri­gent die Sän­ge­rin­nen und Sän­ger in be­son­ders her­aus­for­dern­den Pas­sa­gen zu un­ter­stüt­zen ver­such­te – be­zie­hungs­wei­se wo­ran es lag, dass wie­der et­was an­de­res viel­leicht nicht funk­tio­niert hat.

Aber gibt es et­was Kon­kre­tes, von dem Sie ei­nem wer­den­den Di­ri­gen­ten sa­gen wür­den: »Das bit­te mach nicht!«

Das Wich­tigs­te ist si­cher­lich die Fä­hig­keit, Ih­re ei­ge­ne Hin­ga­be an die Mu­sik vor­le­ben und den Or­ches­ter­mit­glie­dern so­wie dem Pu­bli­kum au­then­tisch ver­mit­teln zu kön­nen.

Ha­ben Sie ei­ne Prä­fe­renz – Oper oder doch eher Kon­zert?

Ei­ne un­mög­lich zu be­ant­wor­ten­de Fra­ge, da ich bei­des lie­be und sich bei­des sym­bio­tisch ge­gen­sei­tig be­fruch­tet. Der Kon­zert­be­trieb stärkt si­cher­lich die künst­le­ri­sche Iden­ti­tät ei­nes Or­ches­ters, die Oper hin­ge­gen er­for­dert un­ge­mei­ne Fle­xi­bi­li­tät und je­nen ganz be­son­de­ren Aus­druck, der beim Er­zäh­len von Ge­schich­ten un­um­gäng­lich ist.

Und die­se dort er­prob­te Fä­hig­keit strahlt wie­der­um zu­rück ins sym­pho­ni­sche Re­per­toire – in die so­ge­nann­te ab­so­lu­te Mu­sik –, die ja ihrerseits vor­ran­gig Emo­tio­nen ver­mit­teln und so­mit ge­wis­ser­ma­ßen von ih­nen er­zäh­len möch­te.

Ob als Or­ches­ter­mu­si­ker oder Di­ri­gent – im Ide­al­fall soll­ten bei­de Gat­tun­gen glei­cher­ma­ßen auf dem künst­le­ri­schen Spei­se­plan ste­hen!

Sie ha­ben – nicht zu­letzt als Or­ches­ter­mu­si­ker – durch die er­wähn­te Band­brei­te an Di­ri­gen­ten sehr vie­le Mozart-Sti­le ken­nen­ge­lernt. In wel­che Rich­tung wer­den Sie beim Don Giovanni in der Wiener Staatsoper ge­hen?

Man ist si­cher­lich von al­lem be­ein­flusst, was man ge­hört hat oder wo­ran man selbst mit­ge­wirkt hat. Den­noch ist mei­ne ei­ge­ne in­ter­pre­ta­to­ri­sche Vor­stel­lung nicht le­dig­lich ei­ne Sum­me aus den In­ter­pre­ta­tio­nen an­de­rer Di­ri­gen­ten, mit de­nen ich zu­sam­men­ar­bei­ten durf­te oder die ich er­le­ben konn­te, son­dern et­was Ei­ge­nes, das sich nach und nach her­aus­kris­tal­li­siert hat – und es ist kaum zu er­klä­ren, wie es im Be­son­de­ren zu eben­die­ser stilis­ti­schen Über­zeu­gung kommt, die sich üb­ri­gens in Zu­kunft durch­aus auch wie­der ver­än­dern kann.

Wie­der­um ge­wis­ser­ma­ßen ein mys­ti­scher Vor­gang.

Dem­nach kann ich nicht sa­gen – um nur zwei Ge­gen­po­le zu nen­nen: Ich ge­he be­wusst in die Rich­tung ei­nes Nikolaus Harnoncourt, den ich sehr ver­eh­re, oder Rich­tung Riccardo Muti, den ich eben­so schät­ze.

Für mich geht es si­cher ge­ra­de bei Mozart eben­falls sehr stark um Aus­drucks­far­ben und um Kan­ta­bi­li­tät.

Wenn Sie von Mozart spre­chen, be­gin­nen Sie förm­lich zu strah­len …

Es gibt ei­ne Viel­zahl an De­tails, war­um ich Mozart so un­ge­mein schät­ze. Ei­ne da­von ist die Öko­no­mie der Mit­tel, die bei ihm ein­zig­ar­tig ist. Nur ein Bei­spiel: Die Ou­ver­tü­re von Don Giovanni be­ginnt mit den­sel­ben Ak­kor­den wie drei Stun­den spä­ter der Auf­tritt des Stei­ner­nen Gas­tes – al­so des er­mor­de­ten Kom­turs beim fi­na­len Gast­mahl des Ti­tel­hel­den.

Die­sel­be Mu­sik, hier wir­kungs­voll auf­ge­baut durch die vor­her­ge­hen­de har­mo­ni­sche Si­tua­ti­on. Es gibt nur ei­nen fei­nen Un­ter­schied: Mozart fügt dem In­stru­men­ta­ri­um beim Auf­tau­chen des Kom­turs drei Po­sau­nen hin­zu, um da­durch die At­mo­sphä­re des Über­na­tür­li­chen re­spek­ti­ve des Jen­seits zu sym­bo­li­sie­ren. Nicht mehr, aber auch nicht we­ni­ger.

Da­durch ver­mag er in ei­ner ab­so­lu­ten Schlicht­heit und nur mit­tels ei­ner mi­ni­ma­len Ver­än­de­rung ei­ne grund­le­gen­de Aus­sa­ge zu ver­mit­teln und zu­gleich die ge­sam­te Kom­ple­xi­tät al­ler Ge­füh­le in die­sem dra­ma­tur­gisch zen­tra­len Mo­ment ein­zu­fan­gen und aus­zu­drü­cken.

An­de­re Kom­po­nis­ten hät­ten für die­sen un­glaub­lich star­ken Aus­druck kom­po­si­to­ri­sche Ber­ge ver­set­zen müs­sen. Bei Mozart reicht: Die­sel­be Mu­sik – plus drei Po­sau­nen. Das nennt man eben Ge­nie. Ich be­kom­me ei­ne Gän­se­haut, wenn ich da­von nur er­zäh­le.

Ein zwei­tes Bei­spiel: Kaum je­mand konn­te durch die Mu­sik die Cha­rak­te­re so um­fas­send und plas­tisch be­schrei­ben wie Mozart. Man den­ke nur, wie un­ter­schied­lich et­wa die drei Frau­en­fi­gu­ren im Don Giovanni ge­zeich­net sind – Mozart muss ganz of­fen­sicht­lich ei­ne ein­zig­ar­ti­ge Em­pa­thie­fä­hig­keit be­ses­sen ha­ben, um de­ren psy­cho­lo­gi­sche und see­li­sche Uni­ver­sen der­ar­tig aus­leuch­ten zu kön­nen.

Schon des­halb freue ich mich, ge­ra­de mit die­sem Kom­po­nis­ten und mit die­sem Werk mein Opern­de­büt an der Wiener Staatsoper ge­ben zu dür­fen.

Ich ha­be den Giovanni üb­ri­gens auch mehr­mals am Ort sei­ner Ur­auf­füh­rung – im Prager Ständetheater – di­ri­giert. Im dor­ti­gen Or­ches­ter­gra­ben ist ei­ne Bron­ze­pla­ket­te ein­ge­las­sen mit dem Hin­weis:

»An die­ser Stel­le be­fand sich der Fuß des Cem­ba­los, von dem aus Mozart sei­nen Don Giovanni ge­lei­tet hat.«

Dort ste­hen zu dür­fen und eben die­ses Stück zu in­ter­pre­tie­ren, ist ei­ne ein­zig­ar­ti­ge und vor al­lem in­spi­rie­ren­de Er­fah­rung, die noch lan­ge in mir nach­wir­ken wird.

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