Vereint bis in den Tod

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Andrea Chénier wird in Giordanos Oper zur tragischen Figur, deren politische Unbestechlichkeit und Liebe ihm das Leben kosten.

 

Der Name des in der Nähe von Istanbul geborenen französischen Dichters André Marie de Chénier wäre heute außerhalb von Frankreich wahrscheinlich längst in Vergessenheit geraten, wenn der Komponist Umberto Giordano ihn nicht zum Titelhelden seiner vierten und zugleich erfolgreichsten Oper erkoren hätte: Denn seit der Uraufführung an der Mailänder Scala im Jahr 1896 gehört Andrea Chénier weltweit zu den zentralen Werken des italienischen Verismo. Erzählt wird die tragische Geschichte des jungen Dichters Andrea Chénier, den seine politische Unbestechlichkeit und seine Liebe zur Adeligen Maddalena während der Französischen Revolution den Kopf kostete.

 

Selbstverständlich erhielt André Chenier, oder eben Andrea Chénier, wie er in dieser italienischen Vertonung genannt wird, etwas bühnentauglichere Charakterzüge als sie der gemäßigt revolutionäre Dichter tatsächlich besessen hatte: Aus dem Anhänger einer konstitutionellen Monarchie, der im Zuge der Französischen Revolution zwar gegen die Hinrichtung Ludwig XVI. gestimmt hatte, aber durchaus auch Oden verfasste, in denen er zum Mord an politisch Andersdenkenden aufrief, wurde in der Oper trotz des vorherrschenden veristischen Grundcharakters eine tiefromantische Figur, deren Aufrührertum vor allem in seinem sozialen Empfinden gegenüber den unteren Gesellschaftsschichten bestand. 

Der Bühnenfigur ist jede Art von Gewalt fremd. Ebenso die Oberflächlichkeit des Lebemannes. Unterhielt der originale Chénier lockere, oft wechselnde Verhältnisse zu adeligen Damen, steht in der Oper ein wahrhaft Liebender vor dem Zuschauer, der schlussendlich gemeinsam mit der ihm ebenbürtigen Maddalena di Coigny mutig der Guillotin entgegen geht. Natürlich gibt es in der Oper auch einen persönlichen Widersacher in Sachen Liebe – den Revolutionär Carlo Gérard. Einen zum Bösewicht gewordenen Kämpfer für Gerechtigkeit, den die unerwiderte Liebe zu Maddalena zu einem teuflischen Intriganten hat werden lassen. Der aber im Letzten bereut und ebenso verzweifelt wie chancenlos den von ihm angestoßenen blutigen Lauf aufzuhalten versucht.

Dem Librettisten Luigi Illica (der bekanntlich auch mehrfach mit Puccini zusammenarbeitete) und Umberto Giordano gelang es jedenfalls, mit dieser charakterlichen Veredelung Chéniers vor dem Hintergrund von Tribunal und Schafott eine ergreifende Liebesromanze in bester italienischer Manier des späten 19. Jahrhunderts aufzubauen. Da die Musik dieser Oper zum einen alle Eigenheiten des Verismo aufweist – Leidenschaft, Spannung, Expressivität, lyrische Emphase, affektbetonte Kantilene, Kurzweil – und zum anderen vor einem eingängigen Melodienreichtum nur so strotzt (man denke nur an die effektvollen Arien) nimmt es nicht Wunder, dass das Werk von Anfang an sowohl beim Publikum als auch bei den Interpreten jene Popularität für sich erringen konnte, die es bis heute auszeichnet. 

An der Wiener Staatsoper fand die Erstaufführung (in deutscher Sprache) allerdings überraschen spät statt – erst 1926. Dafür war das Stück von diesem Zeitpunkt an, nicht mehr aus dem Spielplan des Hauses wegzudenken. Und so ist es nahliegend, dass die Andrea Chénier-Aufführungen auch im Haus am Ring mit den Namen der besten Sängerinnen und Sänger der jeweiligen Generation, für deren Aufzählungen der Platz kaum reichen würde, verbunden sind. Die aktuelle Serie im April schließt da nahtlos an: In Otto Schenks Inszenierung sind neben Michael Fabiano als Andrea Chénier (zuletzt Calaf in Turandot), Sonya Yoncheva als Maddalena (zuletzt als Tosca und in der aktuellen Iolanta-Neuproduktion als Titelheldin gefeiert) und der große italienische Bariton Luca Salsi als Gérard zu erleben.

 

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