Schläpfers Finale

Ballett |

Mit Pathétique, Mahler, live und Dornröschen sind ein letztes Mal drei große Produktionen aus der Direktion zu erleben

In einer Stadt, in der die Musiktradition ein maßgebliches ästhetisches Koordinatensystem bildet und dem Ensemble mit den Orchestern der Wiener Staatsoper und der Volksoper Wien zwei exzellente Klangkörper als Partner zur Seite stehen, eröffnete das Wiener Staatsballett immer wieder auch Resonanzräume für choreographische Reflexionen von Musik. Dies gilt für Marco Goeckes Uraufführung Fly Paper Bird zum Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Symphonie ebenso wie für Martin Schläpfers Auseinandersetzungen mit den Komponisten Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven, Johann Strauß, Gustav Mahler und Piotr I. Tschaikowski in seinen zehn eigenen Uraufführungen für das Wiener Staatsballett. Denn nicht nur als ein Direktor, der neben allen kuratorischen und administrativen Aufgaben auch regelmäßig die Compagnie trainierte, stand der Schweizer an der Spitze des Ensembles, sondern auch als ein Tanzschaffender, über den die Journalistin Silvia Kargl im Wiener Kurier anlässlich der Premiere Pathétique im April schrieb:

»Es gibt weltweit nicht viele Choreographen, die auf derart hohem Niveau solche Ballette schaffen.«

Doch nicht nur programmatisch, sondern auch strukturell wurde das Wiener Staatsballett durchlässiger: Nachwuchschoreograph*innen aus dem Ensemble erhielten mit der Plattform Choreographie innerhalb der eigenen Institution Raum, um zu kreieren und ihre Stücke auf der Bühne der Volksoper zu zeigen, neue Formate wie die Gesprächsreihe Tanzpodium, die in Zusammenarbeit mit dem Filmcasino begründete Tanzfilmreihe DANCE MOVIES, ein vielseitiges Outreach-Programm, Matineen vor den Premieren und nicht zuletzt eine grundlegende Neuaufstellung und -ausrichtung des Freundeskreises Wiener Staatsballett öffneten das Haus in Richtung Stadtraum, schufen Vernetzungen mit anderen Kulturinstitutionen sowie Gesprächs- und Gedankenräume – Dialoge, welche Rolle der Tanz in einer Zeit globaler Herausforderungen und gesellschaftlicher Verunsicherungen heute spielen kann und muss. Erneuerung und Pflege der Tradition, technische Exzellenz und Ausdruckskraft und ein Verständnis eines Ensembles als eine lebendige, diverse, auch für reifere Tänzerpersönlichkeiten offene Gemeinschaft von Menschen, die sich voller Hingabe der Tanzkunst als eine der aufregendsten und lebendigsten Künste der Gegenwart verschrieben hat – all das zeigte sich in fünf Jahren Direktion Martin Schläpfer und ist im Monat Juni nun zum letzten Mal in der Wiener Staatsoper und Volksoper Wien zu erleben.


Noch dreimal am Programm ist die aktuelle Premiere Pathétique – eine Kombination aus George Balanchines Divertimento Nr. 15, Merce Cunninghams Summerspace und Martin Schläpfers titelgebendem neuesten Werk. Für zwei Vorstellungen kehrt Mahler, live auf die Bühne der Wiener Staatsoper zurück und zeigt noch einmal Hans van Manens ebenso ikonisches wie selten zu sehendes Videoballett Live sowie Martin Schläpfers großes Welttheater 4 zu Gustav Mahlers 4. Symphonie, in dem sich das gesamte Ensemble inklusive des Corps de ballet der Volksoper noch einmal vereinen wird. Zum Abschluss folgt mit Dornröschen ein finales Tanzfest.

Neu, unerwartet, jung: Mit einem Ausblick in die Zukunft öffnet Martin Schläpfer mit der Premiere Kreationen in der Volksoper aber auch noch ein weiteres Fenster in seiner so vielfältigen Planung mit drei choreographischen Uraufführungen und einer musikalischen Neukomposition. Mit dem Thema menschlicher Identität beschäftigt sich Alessandra Corti in Aerea. Louis Stiens beschreibt seine Kreation High als ein bedrohliches Fest, das nicht enden will und in seiner Polarität von »high« und »low«, Göttlichem und Alltäglichem, einen ironischen Blick auf unser gegenwärtiges Leben wirft. Die Musik zu diesem Stück ist ein Auftragswerk von einer der interessantesten Komponistinnen unserer Zeit: der Schwedin Lisa Streich. »Woher kommen wir, wo stehen wir, wohin gehen wir?«, fragt sich wiederum Martin Chaix in M to M und kreiert ein Ballett auf Spitze für die große Besetzung von 46 Tänzer*innen. Damit endet eine Direktion, in der sich das Wiener Staatsballett verwandelt hat in ein Ensemble, das die Klassik nicht nur beherrscht, sondern auch befragt und den Tanz als eine universelle Sprache begreift, die nie stillsteht.

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