Johann Strauss und Ballett

Ballett |

Zum 200. Ge­burts­tag von Jo­hann Strauß: Wie Ro­land Petits »Die Fle­der­maus« den Wal­zer­klang tan­zen lässt.

Jo­hann Straußʼ zu­nächst für den Ball­saal, bald auch für Kon­zert­sä­le und Thea­ter kom­po­nier­te Mu­sik scheint wie ge­schaf­fen für die Bal­lett­büh­ne, be­in­hal­tet doch vor al­lem der Wal­zer im ¾-Takt vie­les, was Tanz aus­macht: Schwung und Lei­den­schaft, aber auch Zart­heit. Das wir­beln­de Dreh­mo­ment hat nicht zu­letzt et­was Vir­tuo­ses. So be­dien­ten sich im­mer wie­der Cho­reo­gra­f*in­nen Straußʼ meis­ter­haf­ten Kom­po­si­tio­nen, je­doch nicht nur des­sen Wal­zer. Auf der in­ter­na­tio­na­len Büh­ne grif­fen al­lein das Fledermaus-The­ma Cho­reo­gra­f*in­nen wie George Ba­lan­chi­ne (The Bat, 1936), Ruth Page (Die Fledermaus, 1961) oder Ronald Hynd (Rosalinda, 1978) auf.

An der Wie­ner Staats­oper ge­lang­ten bis­her un­ter an­de­rem fol­gen­de Wer­ke zu Mu­sik von Jo­hann Strauß zur Auf­füh­rung: Hein­rich Kröl­lers G’schichten aus dem Wienerwald (1926), To­ni Birk­mey­ers Kaiserwalzer (1932), Va­le­ria Kra­ti­nas Johann Strauß-Tänze (1933), Eri­ka Han­kas Titus Feuerfuchs (1942), Ger­lin­de Dills Wiener

»Das Cha­rak­te­ris­ti­sche je­der gro­ßen Kunst ist auch der von Jo­hann Strauß zu ei­gen: Sie las­tet nicht, sie schwebt und macht, dass wir mit ihr schwe­ben (…).«

Skizzen (1983) oder Gre­te Wie­sen­thals Wiesenthal Tänze II (1984).

In der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit kre­ier­te Re­na­to Za­nel­la Alles Walzer (1997) als »Best of« zahl­rei­cher Strauß-Me­lo­dien, das abend­fül­len­de Bal­lett Aschenbrödel (1999) – das letz­te, un­voll­ende­te Werk von Jo­hann Strauß Sohn und zu­gleich sein ein­zi­ges Bal­lett – so­wie Kadettenball (2003).

2006 war Ha­ran­gozó sen. Platzkonzert zu se­hen. 2009 fei­er­te Ro­land Petits Die Fledermaus Pre­mie­re, die nun zur Wie­der­auf­nah­me ge­langt. Mar­tin Schläp­fer zeig­te mit Marsch, Walzer, Polka 2021 ei­ne durch­aus iro­ni­sche Sicht auf die Straußʼ­sche Wal­zer­se­lig­keit.

Ei­nen Blick in die Zu­kunft warf erst kürz­lich im NEST die viel­be­ach­te­te Ur­auf­füh­rung Strauss 2225: Dances for the Future des ka­na­di­schen Cho­reo­gra­fen Ro­bert Bi­net in Ko­ope­ra­ti­on mit Johann Strauss 2025 Wien. Die Tän­ze­r*in­nen der Ju­gend­kom­pa­nie der Bal­lett­aka­de­mie der Wie­ner Staats­oper zeig­ten zu vier zeit­ge­nös­si­schen Kom­po­si­tio­nen, de­nen Straußʼ Mu­sik als Ba­sis und In­spi­ra­ti­on dien­te, ei­ne be­rüh­ren­de In­ter­pre­ta­ti­on und war­fen u. a. die Fra­gen auf: »Wie le­ben wir … Wie tan­zen wir … Wie mu­si­zie­ren wir … in 200 Jah­ren?«

Zu­letzt ein klei­ner Aus­blick an die­ser Stel­le: Im Rah­men der Bal­lett-Ga­la 2026 wird mit dem Wie­ner Staats­bal­lett erst­mals Fre­de­rick Ash­tons Voices of Spring, ein Pas de deux zu Jo­hann Strauß Sohns Frühlingsstimmen-Walzer op. 410, ge­zeigt.

Eine getanzte Operette

Nach 14 Jah­ren kehrt Ro­land Petits be­lieb­tes Bal­lett Die Fledermaus, das 2009 an der Wie­ner Staats­oper Pre­mie­re hat­te und zu­letzt 2011 ge­zeigt wur­de, zu­rück auf die Büh­ne. Mit der be­kann­ten gleich­na­mi­gen Ope­ret­te, die 1874 ih­re Ur­auf­füh­rung im Theater an der Wien fei­er­te, hat die­ses Bal­lett je­doch nur we­nig ge­mein, ist viel­mehr ei­ne Ad­ap­ti­on die­ser.

In Petits als »operette dansée« be­zeich­ne­tem Werk, das un­ter dem Ti­tel La Chauve-souris am 2. Juni 1979 mit den Ballets de Marseille an der Opéra de Monte-Carlo zur Pre­mie­re ge­lang­te, ist die Hand­lung im We­sent­li­chen auf drei Haupt­cha­rak­te­re re­du­ziert: Bel­la, Jo­hann und Ul­rich. Ähn­lich wie in der Ope­ret­te dreht sich aber auch hier al­les um Mas­ke­ra­de, Ver­wech­se­lun­gen und amou­rö­se Aben­teu­er.

Die an­fäng­li­che Fa­mi­li­en­idyl­le mit fünf ent­zück­en­den Kin­dern, die – mehr oder we­ni­ger ar­tig – um den gro­ßen Ess­tisch sit­zen, trügt. Bei Pe­tit ist es die char­man­te Bel­la, die durch Roll­spiel und Ver­wand­lun­gen von ih­rem Ehe­mann Jo­hann wie­der be­gehrt wer­den möch­te – sucht die­ser doch au­ßer­ehe­li­ches Ver­gnü­gen, in­dem er sich nachts in ei­ne Fle­der­maus ver­wan­delt und da­von­fliegt.

Un­ter­stützt von ih­rem eben­so ge­treu­en wie ge­riss­e­nen Freund Ul­rich, der stets zur rich­ti­gen Zeit am rich­ti­gen Ort zu sein scheint und die Fä­den spinnt, um die aus dem ero­ti­schen Gleich­ge­wicht ge­ra­te­ne Ehe zu ret­ten, ge­lingt es Bel­la schließ­lich, ih­ren Mann wie­der zur Ein­sicht zu brin­gen und ihm im wahrs­ten Sinn des Wor­tes die Flü­gel zu stut­zen.

Roland Petit, der vielseitige Geschichtenerzähler

Der fran­zö­si­sche Cho­reo­graf Ro­land Pe­tit (1924–2011) zeich­ne­te sich als äu­ßerst viel­sei­tig aus und ge­lang­te vor al­lem im Gen­re des Un­ter­hal­tungs­bal­letts zu Welt­ruhm, aber auch als gro­ßer Ge­schich­ten­er­zäh­ler von Si­tua­tio­nen und Ge­füh­len aus dem ech­ten Le­ben. So reicht sein Schaf­fen von Cho­reo­gra­fi­en für Hol­ly­wood­fil­me wie Anything goes (1955) bis zu Bal­let­ten für gro­ße klas­si­sche Com­pa­gni­en, da­run­ter je­ne der Pa­ri­ser O­per, der Mai­län­der Sca­la und das Royal Ballet London – vor al­lem aber für die Ballets de Marseille, des­sen Di­rek­tor er 1972 wur­de.

Füh­ren­de Com­pa­gni­en welt­weit über­nah­men in der Fol­ge Bal­let­te aus sei­nem rund 165 Wer­ke zäh­len­den Œu­vre. An der Wie­ner Staats­o­per ka­men bis­her ne­ben Die Fledermaus auch sein Ein­ak­ter LʼArlésienne (2012) zur Auf­füh­rung und bei Ga­las Le Jeune homme et la mort so­wie Aus­schnit­te aus Carmen, Notre-Dame de Paris und Proust ou les intermittences du cœur.

Pe­tits Grund­la­ge ist die klas­si­sche Bal­lett­tech­nik, aber stets mit ei­nem zeit­ge­nös­si­schen Touch und dem ty­pi­schen fran­zö­si­schen Es­prit ver­se­hen so­wie mit Ele­men­ten ver­schie­de­ner Tanz­sti­le an­ge­rei­chert, wo­bei das Schau­spiel ei­nen wich­ti­gen Stel­len­wert ein­nimmt. So bie­tet auch Die Fledermaus pu­ren klas­si­schen Tanz, ge­paart mit Can-Can, Csár­dás, Wal­zer und poin­ten­rei­cher Pan­to­mi­me.

»Best of« von Johann Strauss

Die mit­rei­ßen­de Mu­sik zu Die Fledermaus mu­tet wie ein »best of« von Jo­hann Strauß an und ist ein Ar­ran­ge­ment des aus­tra­li­schen Kom­po­nis­ten Dou­glas Gam­ley (1924–1998). Ne­ben haupt­säch­lich Mu­sik von Jo­hann Strauß Sohn – wie die Ou­ver­tü­re und die Pol­ka Ma­zur Glücklich ist, wer vergisst aus der Ope­ret­te Die Fledermaus – zog Gam­ley wei­te­re Kom­po­si­tio­nen des Wal­zer­kö­nigs her­an, da­run­ter den Wal­zer Künstlerleben oder die Schnell-Pol­ka Leichtes Blut, zu der drei Kell­ner ei­ne vir­tuo­se Num­mer tan­zen.

Über­dies fand auch zu­sätz­li­che Mu­sik von Jo­hann Strauß Va­ter und von Bru­der Jo­sef Strauß – wie der Wal­zer Sphärenklänge in der »Ge­fäng­nis-Sze­ne« – Ein­gang in die Par­ti­tur.

Weitergabe an die neue Generation

Für die Ein­stu­die­rung sind wah­re Voll­pro­fis am Werk. Der ehe­ma­li­ge ita­lie­ni­sche Tän­zer Lui­gi Bo­ni­no ver­kör­per­te be­reits in der Pre­mie­re 1979 die Rol­le des Ul­rich, wirk­te bis zum Tod von Ro­land Pe­tit im Jahr 2011 als des­sen As­sis­tent und zeich­net seit­her für die Ein­stu­die­rung all sei­ner Wer­ke ver­ant­wort­lich. Nun stu­diert er, wie be­reits 2009, in ers­ter Li­nie die so­lis­ti­schen Rol­len ein, hat aber ein Au­ge auf das ge­sam­te Bal­lett.

Tat­kräf­tig un­ter­stützt wird er da­bei von der Di­rek­to­rin des Wie­ner Staats­bal­letts A­les­san­dra Fer­ri, die einst als Bel­la Er­fol­ge fei­er­te – un­ter an­de­rem an der Sei­te von Bo­ni­no. Ge­ar­bei­tet wird mit gleich drei un­ter­schied­li­chen Be­set­zun­gen, da­run­ter zahl­rei­che De­büts, mit Aus­nah­me von Ol­ga E­si­na und E­no Pe­ci, die be­reits in der Wie­ner Pre­mie­re 2009 tanz­ten.

Die ge­bür­ti­ge Bri­tin Gil­li­an Whit­ting­ham, die un­ter an­de­rem Ers­te Bal­lett­meis­te­rin an der Mai­län­der Sca­la war, stu­diert – wie bei zahl­rei­chen an­de­ren Wer­ken Pe­tits – das Corps de ballet ein.

Am Pult des Or­ches­ters der Wie­ner Staats­o­per de­bü­tiert Lu­cia­no Di Mar­ti­no, der be­reits die Giselle-Se­rie im Sep­tem­ber die­ses Jah­res er­folg­reich lei­te­te.

Die Fledermaus ist ein gro­ßes Tanz­fest für Groß und Klein, aber kei­nes­wegs nur lieb­lich-sü­ßes Bal­lett im Wal­zer­tau­mel, son­dern mit ei­ner gu­ten Por­ti­on Iro­nie und Au­gen­zwin­kern ge­würzt.

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