Figaro heiratet in Tokio
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Wenn ein spanisches Schloss inklusive nächtlichem Garten, zwei Wiener Palais samt ausreichend Personal und ein Beisl sich auf die Reise begeben, dann weiß man: Es ist Tourneezeit an der Wiener Staatsoper. Diesmal geht es nach Tokio, zum zehnten Mal, und es sind zwei Opern aus dem Wiener Kernrepertoire, die gezeigt werden: Mozarts Le nozze di Figaround Richard Straussʼ Der Rosenkavalier. Was 1980 mit einer ersten Tournee begann, hat sich über die Jahrzehnte zu einer großen Partnerschaft und Freundschaft entwickelt. Umso größer ist die Freude, wieder in Tokio zu Gast sein zu dürfen.
Große szenische Gastspiele werfen ihre Schatten voraus. Im Falle der Staatsoper: ungefähr vier Jahre voraus. Denn dann beginnen die ersten Vorbereitungen für eine solche Tournee.
Schon zu Beginn stellen sich ganz konkrete Fragen:
- Wie viele Musikerinnen und Musiker werden für dieses oder jenes Opernwerk benötigt?
- Welche Mitglieder des Ensembles wirken mit?
- Wie viele Mitarbeiter aus den technischen Abteilungen müssen mit auf Reise gehen?
- Und vor allem: Was bedeutet das für das Haus am Ring?
Wenn man mit kompletten szenischen Produktionen unterwegs ist, muss das natürlich in der eigentlichen Saisonplanung berücksichtigt werden.
»Es gibt in so einem Fall zwei Spielpläne, jenen im Haus am Ring und jenen in Japan. Beide sind exakt aufeinander abgestimmt. So spielen wir in der Bunka Kaikan in Tokio den Rosenkavalier als zweites Stück und Nozze di Figaro als erstes, weil der Rosenkavalier deutlich chorintensiver ist, die entsprechenden Sängerinnen und Sänger jedoch bis Mitte Oktober in Wien noch für die Verkaufte Braut benötigt werden. Erst nach der letzten Verkauften Braut-Vorstellung reisen viele Choristinnen und Choristen nach Tokio.«
Bühnenbilder und Logistik
Doch nicht nur besetzungstechnische Fragen gibt es zu klären. Es müssen komplette Bühnenbilder und Kostümlandschaften nach Japan verschickt werden, fein säuberlich in große Container verpackt. »Allein der Figaro braucht neun Container mit je 76 m³ Volumen«, zählt Markus Oberecker aus der technischen Direktion auf. Diese wurden frühzeitig, also noch vor der Sommerpause, auf Schiffe verladen, die sie nach Yokohama bringen. Nicht nur Dekorationen, Requisiten, Bühnenbild, Kostüme, Perücken und dergleichen mehr sind unterwegs, sondern auch Notfallmaterialien für kleine Reparaturen und Anpassungen. »Unter anderem Bauteile, Farben und andere Werkstoffe, um schnelle Instandsetzungen vornehmen zu können«, so Oberecker. »Und das für alle Abteilungen.«
Zahlen und Dimensionen
Und, um noch ein paar Zahlen zu nennen: 17 vollbehängte Kostümwagen für Nozze, 23 für den Rosenkavalier sind unterwegs, jeder Wagen eineinhalb Meter lang. In Summe also 60 Meter Kostüme. Vergessen darf man beim Container-Packen freilich nichts, denn das meiste wäre einfach zu groß, um es nachträglich per Flugzeug auf die Reise zu schicken. Die erwartbare Frage, ob Markus Oberecker schlaflose Nächte hat, quittiert er mit einem professionellen Lächeln.
Menschen und Organisation
Sind die Schiffe unterwegs, gilt es nun für die insgesamt 305 an der Tournee beteiligten Personen entsprechende Visa und Arbeitsgenehmigungen zu organisieren sowie Flüge zu buchen. Auch dafür ist Stephanie Wippel zuständig, wie auch für die präzisen Reisepläne: Wer muss wann in Tokio sein, welche Technikerinnen, welche Musiker, welche Solistinnen und welche Choristen braucht man wann?
Ein Mini-Staatsopernkosmos in Tokio
Und während das Haus am Ring in Wien weiterspielt, als gäbe es keine Tournee, entsteht »ein Mini-Staatsopernkosmos in Tokio. Es sind alle Abteilungen vertreten, von den künstlerischen über die organisatorischen«, erläutert Wippel. »Denn schließlich müssen auch in Tokio Probenpläne erstellt, Künstler betreut, muss Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Dazu kommen Ärzte und Geigenbauer, Orchesterinspektoren und alle Gruppen der Technik.«
Unterstützung vor Ort
Unterstützt wird all das natürlich von den Kolleginnen und Kollegen des Veranstalters NBS Performing Arts Foundation, mit denen die Wiener Staatsoper seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. Wie auch Hotelbuchungen und anderes mehr von Partnern vor Ort abgewickelt werden.
Gemeinschaft und Erfahrung
Dass ein solches Gastspiel nicht nur eine Brücke zwischen Staaten schlägt, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wiener Staatsoper zusammenschweißt, weiß Stephanie Wippel: »Man wohnt im selben Hotel, frühstückt gemeinsam, verbringt sehr viel Zeit miteinander, lernt einander noch einmal ganz anders kennen. Und das ist stets eine schöne Erfahrung!«