Der Kerl ist ein Star
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Nach seinem erfolgreichen Staatsopern-Debüt in der letzten Spielzeit singt Jonathan Tetelman eine weitere seiner Leibpartien: den Cavaradossi in Tosca.
Es gibt sie, die entscheidenden Momente. Als Leonard Bernstein für den großen Dirigenten Bruno Walter einsprang, wurde sein Name überall in der Kulturwelt bekannt. Ähnlich erging es der Pianistin Yuja Wang, die für Martha Argerich übernahm. Und auch Jonathan Tetelmans Karriere erhielt einen entscheidenden Schub, als er beim Tanglewood-Festival als Rodolfo für Piotr Beczała auf die Bühne trat.
Natürlich: Alle diese Karrieren hätten sich ohnehin entwickelt. Doch der »Breitwandeffekt«, der plötzliche Karriere-Wumms, entsteht oft aus so einem einzigen Abend. Doch weiß man in solchen Momenten, dass es jetzt passiert? Dass alle Ohren gespannt sind, dass Erwartungen wachsen, dass die große Chance greifbar ist?
Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, worauf ich mich einließ, als ich kurzfristig zusagte.
Zum Glück hatte ich die Rolle bereits gesungen und kam direkt von einem anderen La bohème-Projekt. Die Sterne standen günstig – es war ein von Gott geschenkter Moment. Ich hatte das Glück, diese Chance zu bekommen – und zu nutzen.
Das war 2018. Heute ist eingelöst, was sich damals spektakulär ankündigte. Tetelman singt in Wien und San Francisco, in New York und London, in Berlin und Salzburg. Die New York Times nannte ihn »absoluten Star«, die Salzburger Nachrichten frohlockten: »Die Zukunft gehört dieser Stimme.«
Wie kam er bis hierher? Geboren in Chile, aufgewachsen in Princeton (USA), entdeckte ihn ein Musiklehrer, als er als Achtjähriger sang. Es folgte ein Musikstudium – aber auch Umwege: Tetelman arbeitete als DJ und Promoter, spürte aber immer, dass dies nicht seine wahre Spur war. Die fand er in der klassischen Musik. Zunächst als Bariton, bis er seine Berufung als Tenor entdeckte.
»Ich sage gerne, dass ich als Bariton ›fehldiagnostiziert‹ wurde«, so Tetelman. »Aber es war ein notwendiger Teil meiner Entwicklung. Mit 18 Tenorrollen zu singen, ist sehr anspruchsvoll. Etwas Baritonrepertoire kann da ein Katalysator sein.« Und er zitiert Daniel Barenboim: »Wir müssen aufpassen, dass unsere Ambitionen nicht unsere aktuellen Fähigkeiten überschatten.«



Damit ist ein Schlüsselwort genannt: »Nein« sagen können. »Nein« zur falschen Rolle, zum falschen Moment – das kann über eine lange, gesunde Karriere entscheiden. Aber dazu kommen natürlich Begabung, Technik, starke Nerven, Leidenschaft und Schauspielkraft. Und trotzdem reicht das allein nicht. »Das Wichtigste ist Hingabe«, betont Tetelman. »Man muss besessen sein davon, seine Stimme und seine Fähigkeiten zu entwickeln. Talent allein reicht nicht. Um sich von Zehntausenden abzuheben, braucht es einen tiefen Hunger nach Lernen und Ausdruck.«
Blickt man in seinen Kalender, taucht ein Name immer wieder auf: Giacomo Puccini. Pinkerton, Ruggero, Rodolfo, Cavaradossi – quer über die Metropols der Opernwelt. Dazu eine 2023 erschienene Puccini-CD mit Highlights aus Turandot, Manon Lescaut, La bohème, Tosca, Le villi. »Puccini treibt einen ständig an die Grenzen des Instruments und der Gefühle«, sagt Tetelman. Besonders der Cavaradossi sei für ihn nicht nur eine großartige Rolle, sondern auch ein Charaktervorbild.
Im Jänner 2025 gab er sein Staatsopern-Debüt als Turiddu in Cavalleria rusticana. Zuvor sagte er im Magazin Opernring 2: »Ich glaube, dass meine Stimme mein wahres Ich ist. Sie ist der Teil von mir, der immer etwas sagen möchte – und nur in Musik und Theater die Gelegenheit dazu findet. Ohne meine Stimme wäre ich verloren.«
Und wie sieht er die Oper im 21. Jahrhundert?
Wir leben nicht mehr im Zeitalter des reinen Steh- und Sing-Theaters. Aber wir sind auch nicht in einer totalen Abhängigkeit von digitalen Mitteln.
Es gibt viele neue Ideen, auch Risiken.
Ich wünsche mir mehr digitale Bühnenbilder, um die nächste Generation zu erreichen. Oper ist Teilhabe – daher müssen wir weitere Wege finden, sie zu präsentieren und die Aufmerksamkeit einer technologisch versierten Generation zu gewinnen.