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Drei Herzen in einer Brust

Wenn man Ihre Auftritte an der Staatsoper in der letzten Zeit überblickt, kommt man auf Lucia, Donna Anna und nun die drei Frauenrollen in Offenbachs Les Contes d’Hoffmann. Abgesehen von den letztgenannten drei Frauenrollen im Detail – wie unterschiedlich empfinden Sie rein fachtechnisch diese Partien?

Olga Peretyatko: Grundsätzlich denke ich, dass es immer um die richtige Reihenfolge geht. Zuerst Lucia di Lammermoor, dann Donna Anna in Don Giovanni und nun Olympia, Antonia und Giulietta. Und nicht zu vergessen: ich singe noch die Mathilde in Guillaume Tell im April/Mai – aber das ist wieder eine eigene Geschichte. Wissen Sie, seit Jahren habe ich es mir zum Prinzip gemacht, der Entwicklung meiner Stimme zu folgen – und nicht umgekehrt, also meine Stimme in eine Richtung zu drängen. Für mich passen diese unterschiedlichen Rollen stimmlich gut zusammen, weil sie in eine Richtung zeigen.

Es sind aber, wenn man Ihre Auftritte außerhalb Wiens dazu nimmt, noch viele weitere Partien: etwa Pamina, Figaro-Contessa oder Rosina, und das sind nur einige Beispiele. Gehört das zu einem Masterplan, der auf genaue Ausbalancierung achtet? Oder spielen da Angebot und Nachfrage auch eine Rolle?
Olga Peretyatko: Ohne von einem Fachwechsel sprechen zu wollen, steht fest: meine Stimme verändert sich, sie ist größer geworden, hat „mehr Fleisch“. Das eröffnet mir natürlich auch neue, spannende Möglichkeiten an zusätzlichen Rollen. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich vom ganz hohen Koloraturfach schön langsam Abschied nehmen werde. Allmählich werde ich zum Beispiel die Lucia hinter mir lassen: einmal singe ich sie noch in Monte Carlo, aber dann ist damit Schluss. Und weil Sie Mozart angesprochen haben: Mozart ist einfach genial gut für meine Stimme! Als Sopranistin hat man ja ein weites Feld vor sich, alleine in Nozze kann man als Sopranistin die Barbarina, die Susanna und die Gräfin singen. Ich sang in Hamburg eine Zeitlang die Barbarina, dann oft die Susanna und wechsle nun zur Gräfin. Ich empfinde diese Partien sehr komfortabel für meine Stimme.

Im September also der Hoffmann ...
Olga Peretyatko: ... so ein großartiges Stück! Fantastisch! Alleine von der Handlung her. Im Hoffmann ist alles: Das Gute und das Böse, das Dunkle und das Geheimnis, Liebe und Ironie, Philosophie und Leidenschaft. Und das ohne Ende. Wunderbar! Es gibt nur ein kleines Problem: Dass Offenbach keine verbindliche Fassung hinterlassen hat. So richtet jedes Opernhaus seine eigene Fassung ein, und diese Versionen unterscheiden sich zum Teil gravierend voneinander. Das bedeutet: Man kann nicht einfach Contes d’Hoffmann singen, sondern muss jedes Mal neu lernen und umlernen. Ich sang meinen ersten Hoffmann in Monte Carlo, das war die kürzeste Fassung überhaupt. Dann folgte Marc Minkowski in Baden-Baden, und er erstellte eine sehr ungewöhnliche, ausgesprochen ausführliche Fassung. Plus zwei Stunden Musik! Hier noch ein Ensemble, da ein Duett und so weiter. Und: Das Schlimmste war, dass mein Bühnenpartner Charles Castronovo meine Musik sang und ich seine. Es war alles verkehrt. Sehr herausfordernd ... Ich freue mich also, dass ich hier in Wien wieder meine Noten habe ...

Sie singen, im Gegensatz zu vielen anderen Kolleginnen, alle drei Frauenrollen. Was steckt dahinter? Der Wille zur umfassenden Gestaltung? Oder lieben Sie einfach die Herausforderung?
Olga Peretyatko: Die drei Frauenrollen gehören einfach zusammen! Das war ja schon bei der Uraufführung so, als Adèle Isaac 1881 in Paris alle drei gestaltete. Es war also Offenbachs Plan, und es macht die Sache erst so richtig spannend. Denn die drei Frauen, das sind doch alles Projektionen, sie werden im Kopf von Hoffmann zusammengeführt. Wenn man die drei verbindet, erreicht man eine psychologische Tiefe, die die Deutung des Werks schärft. Insofern folge ich gerne den Intentionen Offenbachs.

Auch wenn sie zusammengehören, sind es natürlich bewusst divergierende Charaktere. Die erste ist gar nicht menschlich, die zweite eine Künstlerin, die dritte eine Kurtisane. Wo liegt die Klammer, die die drei für Sie verbindet?
Olga Peretyatko: Die erste Klammer ist Hoffmann: er liebt sie alle drei, man erlebt sie also mit ihm als Bezugspunkt – und es sind immer unglückliche Lieben. Man könnte fast sagen, dass es drei Facetten sind, die aufeinander verweisen. Die zweite Klammer bin natürlich ich! Auch wenn ich in eine andere Rolle schlüpfe, so verbinde ich die drei.

Drei unterschiedliche Figuren spielen und singen: ist ersteres oder zweiteres für Sie kniffliger?
Olga Peretyatko: Eigentlich sind die drei Frauen stimmlich gar nicht so weit auseinanderliegend, oder besser gesagt: sie waren es nicht. Offenbach hat die Olympia ursprünglich eine Terz tiefer notiert, da war sie zwar weniger ein Feuerwerk, aber sie lag eher im Radius der beiden anderen. Und Giulietta, die ja oft von Mezzosopranistinnen gesungen wird, liegt nicht so tief, eher im Gegenteil – im Ensemble geht es ganz schön hoch hinauf. Giulietta liegt eigentlich im Bereich des typischen französischen Soprans. Antonia ist sicherlich die dramatischste, und auch die schwierigste. Das Terzett ist ausgesprochen heikel – aber in Wien haben wir ja Frédéric Chaslin als Dirigenten, der sich auf dieses Fach versteht. Selbstverständlich haben alle drei ihre eigene Persönlichkeit, die entsprechend unterschiedlich gezeigt werden soll. Olympia ist eine Puppe, aber sie muss doch etwas in sich haben, das Hoffmann verliebt macht. Antonia ist die größte Rolle, sie hat ein bisschen was von La traviata, vor allem in ihrem Sterben. Und Giulietta ist das Gegenteil, sie ist böse – und sie ist super-sexy, spielt mit Hoffmann. Das ist sicherlich eine Herausforderung, zwischen den Charakteren umzuschalten. Denn auch wenn mich Kostüm und Maske unterstützen, so muss ich mich doch in kürzester Zeit verwandeln. Das ist nicht einfach, aber macht unglaublich Spaß! Im Grunde sind die drei Rollen aber so, wie wir Frauen sind: wir haben einfach sehr viele verschiedene Facetten!

Das Gespräch führte Oliver Láng


Jacques Offenbach | Les Contes d´Hoffmann
5., 8., 11., 15. September 2019

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