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Der Vielseitige mit der schönen Stimme

Seit seinem Debüt an der Wiener Staatsoper als Barbiere-Figaro im Jahre 2001 kehrt der aus Rumänien stammende Bariton George Petean mit seinem edlen, runden und warmen Timbre regelmäßig in den unterschiedlichsten Partien an das Haus zurück. Hatte er hier zum Beispiel den Enrico in Lucia di Lammermoor schon 2009 in einigen Repertoirevorstellungen verkörpert, so wird er ihn nun in seiner zweiten Staatsopernpremiere (nach Macbeth 2015) erneut geben. Aus diesem Anlass entstand das folgende Interview.

Eine wahrscheinlich einfache Aufwärmfrage: Wissen Sie, seit wann Sie den Enrico schon im Repertoire haben?
George Petean: So einfach ist das gar nicht zu sagen, weil ich nicht genau Buch führe (lacht). Ich war ab 2002 fest im Hamburger Ensemble – dort sang ich ihn damals des Öfteren, ebenso in Frankfurt, aber das erste Mal dürfte 2001 oder 2002 in Düsseldorf gewesen sein.

Bei so vielen unterschiedlichen Produktionen lernt man schon, die Rolle aus sehr vielen verschiedenen Perspektiven zu sehen…
George Petean: Ohne Zweifel, selbst das musikalische Material variiert von Mal zu Mal: Da ist ein Stückchen gestrichen, dort ist ein üblicher Sprung aufgemacht, dieses Haus verwendet die kritische Ausgabe, das andere eine traditionelle, das dritte wieder eine andere – da fallen mehr Unterschiede an, als man annehmen würde. Aber das gilt für viele Partien. Neulich, durfte ich den Ezio bei der Saisoneröffnung an der Scala singen – dieser Produktion liegt ebenfalls die kritische Ausgabe zugrunde und da gab es auch einige Besonderheiten, zum Beispiel fünf Takte von Gioachino Rossini, die dieser für Verdi hineinkomponiert hatte.

An der Wiener Staatsoper singen Sie allein in dieser Spielzeit Enrico, Macbeth und Tonio: Ein Belcanto-Werk, eine dramatischere Verdi-Partie und eine veristische Oper. Das funktioniert so nebeneinander?
George Petean: Ich denke schon. Schließlich kommt alles vom Belcanto, basiert alles auf dem Belcanto – bekanntlich hat ihn selbst Richard Wagner als Basis für seine eigenen Werke empfohlen. Und wenn die Technik gut ist, sollte der betreffende Sänger die Unterschiede, die
natürlich vorhanden sind, problemlos meistern. Bei einem unerfahrenen Sänger sieht die Sache natürlich anders aus: Als ich meinen ersten Barbier sang, war ich noch viel zu jung, wusste nicht auf welch raffinierte Weise man den Figaro interpretieren kann, wie man die Witze serviert, hatte meinen Atem noch nicht recht unter Kontrolle, kämpfte mit dem Lampenfieber. Die meisten Sänger kommen erst nach und nach drauf, was technisch beim Singen genau vor sich geht, aber mit der Zeit lernt man den eigenen Körper und die Funktionsweise des Stimmapparates besser kennen – und dann sind solche unterschiedlichen Stile nebeneinander eigentlich kein Problem. Selbst dann nicht, wenn die Belastung kurzzeitig sehr groß wird: In den letzten Wochen pendelte ich fast im Stundentakt zwischen Mailand, wo ich in Attila auftrat, Berlin, wo ich Nabucco sang und den Lucia-Proben in Wien hin und her – und es hat geklappt.

In diesem Zusammenhang wird gern lobend festgestellt: dieser oder jener Sänger sänge „klug“.
George Petean: Wenn Sie wollen: ja. Klug heißt nicht zuletzt, seine Stärken technisch optimal einzusetzen. Beim Gesang ist es wie beim Automotor: man kennt die Leistungsfähigkeit, sollte die Gegebenheiten nicht über Gebühr beanspruchen und regelmäßig zum Service gehen, denn eine kleine Unaufmerksamkeit, ein kleiner Fehler kann à la longue zur Katastrophe führen. Nur kann ein Automotor zur Not ausgewechselt werden, was bei unseren Stimmbändern leider nicht möglich ist.

Und Ihr Service heißt?
George Petean: Giorgio Zancanaro. Ich besuche ihn regelmäßig, um meine Stimme kontrollieren zu lassen und um etwaige neue Partien mit ihm durchzugehen. Außerdem übe ich heikle Stellen – etwa Passagen mit schnelleren Läufen – so, als ob ich auf einem Instrument spielen würde: ich singe die Töne langsam, dann immer schneller, punktiere in die eine und dann in die andere Richtung, so lange bis alles am richtigen „Platz sitzt“, die Intonation sauber ist.

Enrico ist in dieser Produktion von Laurent Pelly nicht nur der übliche Bösewicht, sondern zusätzlich noch psychisch auffällig …
George Petean: Enrico ist sicherlich für jedender später Jago oder Scarpia singen will, eine perfekte charakterliche Vorstudie: Ein mehrfacher Verbrecher zwar, der aber zum Schluss doch noch Gewissenbisse verspürt. Man kann sich also belcantesk im Bösen üben, ohne gleich kopfüber ins veristische schwarze Grundschlechte eines Jago zu springen. Dass Enrico in dieser Inszenierung auch noch Verhaltensauffälligkeiten aufweist, finde ich eine originelle Idee – sie erlaubt einen ganz eigenen Blick auf diese ganze Ashton-Familie, in der offenbar entweder ein genetisches Problem vorherrscht oder ein gravierender Erziehungsfehler die geschwisterliche Psyche aus der Bahn geworfen hat.

Ganz kurz noch zum Tonio im März: handelt es sich tatsächlich um Ihr weltweites Rollendebüt?
George Petean: Ja, das ist korrekt. Den großartigen Prolog durfte ich allerdings schon oft singen, zum ersten Mal mit 16 in Rumänien – das war damals sogar mein erster öffentlicher Auftritt überhaupt. Aber die Partie in ihrer Gesamtheit ist neu mich. Sie ist nicht sehr groß, aber äußerst interessant. Ein böser, auch innerlich komplett verkrüppelter Rigoletto … ich freue mich sehr auf die Vorstellungen.

Apropos freuen: Wie sehr muss, wie sehr darf ein Künstler Ihrer Meinung nach das komplette Leben der Profession unterordnen? Da gibt es ja sehr unterschiedliche Ansatzpunkte …
George Petean: Wissen Sie, ich liebe meine Arbeit. Sehr sogar. Ich genieße die Auftritte in den bedeutenden internationalen Opernhäusern, die Zusammenarbeit mit großartigen Kollegen, Dirigenten, Orchestern, Chören. Aber ich bin mir im Klaren darüber, dass es sich eben „nur“ um meine Arbeit handelt, die jederzeit schlagartig zum Beispiel durch ein Unglück beendet sein kann. Meine Interessen sind, Gott sei Dank, vielfältig. Ich habe Klavier und Posaune studiert, war ebenso klassischer Orchestermusiker wie Mitglied einer Big Band, war professioneller Tischtennisspieler, habe mich im Basketball versucht, höre klassische Musik, Jazz und Pop … es gibt, ich spreche da ganz für mich, ein echtes Leben neben und nach dem Beruf, das allerdings seinerseits wieder befruchtend auf mein Künstlertum einwirkt.

Das Gespräch fürhte Andreas Láng


Lucia di Lammermoor | Gaetano Donizetti
Premiere: 9. Februar 2019
Reprisen: 12., 15., 18., 21. Februar 2019
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Pagliacci | Ruggero Leoncavallo
11., 15., 18., 23. März 2019
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