Cookie-Einstellungen

Dieses Tool hilft Ihnen bei der Auswahl und Deaktivierung verschiedener Tags / Tracker / Analysetools, die auf dieser Website verwendet werden.

Essentiell

Funktional

Marketing

Statistik
© Gerard Collett
Caroline Wettergreen

Brillanter Höhenflug

Die junge Sopranistin Caroline Wettergreen studierte in Norwegen und Dänemark und erobert seit einigen Jahren die Opernwelt. Sie singt an zentralen Häusern wie dem Royal Opera House, Covent Garden in London oder der Bayerischen Staatsoper in München, in Paris, Berlin und Glyndebourne, zu ihren Rollen zählen unter anderem die Königin der Nacht, Blonde, Zerbinetta und Gilda. In der Partie des Luftgeists Ariel gibt sie ihr Debüt an der Wiener Staatsoper.


In Ihrer Biografie liest man, dass Sie mit zehn Jahren den Gedanken fassten, Sängerin zu werden. Wie kam das? War es eine plötzliche Eingebung?

Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau daran, aber ich weiß, dass die Musik von Anfang an ein wichtiger Teil meines Lebens war. So spielte ich seit meinem fünften Lebensjahr Klavier, sang seit meinem achten Lebensjahr in einem Chor. Dazu kommt, dass meine Mutter ein absoluter Opernfan ist. Daher war es fast naheliegend, dass ich Sängerin werden wollte. Und seither habe ich nie an einen anderen Beruf gedacht. Es war immer das Singen.

Also auch kein Plan B wie etwa Pilotin.

Lustig, dass Sie das sagen! Wenn es nicht die Gesangskarriere geworden wäre, hätte mich tatsächlich der Beruf der Pilotin interessiert. Ich liebe alles, was mit dem Fliegen zu tun hat!

Aber es gab keine Krise, keine Zweifel, etwa als Teenager?

Die Krisen kommen eher im Studium oder wenn man sich entschließt, als freie Sängerin zu wirken (lacht). Aber nein. Eigentlich war es immer ein sehr gerader Weg.

Eine Ihrer Paraderollen ist die Königin der Nacht. Bekommen Sie noch Herzklopfen, wenn es an die Koloraturen geht? Oder gehört das schon fast zum Alltag?

Nein, leider nicht. Ich wünschte, es wäre so! (lacht) Die Rolle der Königin der Nacht ist in vielerlei Hinsicht komplex, vor allem aber hat die Partie etwas, was sie schwierig zu singen macht – das haben mir auch viele meiner Kolleginnen bestätigt. Und: Es ist eine so bekannte Rolle! Das bedeutet, dass das Publikum ganz besondere Erwartungen mitbringt. Ich würde nicht sagen, dass ich extra-nervös bin, aber die Königin bringt schon einen gewissen Druck mit sich. Ich glaube nicht, dass ich jemals zu 100 Prozent entspannt sein werde, wenn ich die Partie singe.

Auch Ariel, der Luftgeist, den Sie in The Tempest singen, fördert keine 100prozentige Entspannung, oder? Es ist ja nicht nur der stratosphärische Gesang, sondern auch die fast zirkushafte Artistik, die von der Inszenierung gefordert wird.

Ja, die Rolle ist eine doppelte Herausforderung! Ich bin gerade im Probenprozess und versuche, die Körperlichkeit dieser Rolle mithilfe der Musik zu entwickeln. Der Regisseur und die Choreographin hatten für die Produktion etwas ganz Spezielles im Kopf – das kann ich erfüllen, aber es ist sehr herausfordernd. Aber reden wir nächste Woche, wenn die Orchesterproben beginnen. Ich bin mir sicher, dass mein Gehirn kochen wird. Also, eigentlich kocht es jetzt schon…

»Wenn man eine Woche lang nicht joggen geht, spürt man es einfach in und an seinem Körper. Geht man hingegen jeden Tag oder jeden zweiten, dann fällt einem das Laufen leichter. Und so ist es auch mit der Stimme.«

Sie gestalten den Luftgeist Ariel. Wie klingt ein solcher in der Musik von Thomas Adès?

Eine gute Frage. Ariels Musik ist hoch. Nicht nur hoch, sondern extrem hoch. Das erzeugt den Eindruck von etwas Übernatürlichem, es ist nicht mehr menschlich. Das ist es, was Thomas Adès zeigen wollte: Ariel ist kein Mensch, sondern ein Geist.

Es gibt von Jascha Heifetz eine bekannte Aussage zum Thema Üben. Nach eigener Angabe merkte er es, wenn er einen Tag nicht übte. Bei zwei Tagen merkten es die Fachleute und nach drei das Publikum. Können Sie mit diesem Diagramm etwas anfangen?

Ich glaube, man merkt es eher selbst. Das ist einfach nachzuvollziehen, wenn man zum Beispiel an den Sport denkt. Wenn man eine Woche lang nicht joggen geht, spürt man es einfach in und an seinem Körper. Geht man hingegen jeden Tag oder jeden zweiten, dann fällt einem das Laufen leichter. Und so ist es auch mit der Stimme. Denn bei der Stimme handelt es sich ja auch um Muskeln, die wir benutzen und die trainiert werden müssen. Andererseits es ist auch wichtig zu verstehen, wo die Grenzen liegen. Denn die Stimme ist etwas Lebendiges, kein Instrument, das sich außerhalb des Körpers befindet. Wenn sie eine Pause braucht, dann muss man sie ihr auch geben. Es ist kontraproduktiv zu denken, dass eine Pause nichts bringt und man immer weiterüben muss – manchmal ist es besser sich auszuruhen als zu arbeiten.

Und wie sieht das in der gelebten Praxis aus? Nehmen Sie sich in jeder Saison eine fest definierte Auszeit? Einen Urlaub?

Ich wünsche es mir zumindest! Ich plane regelmäßig Urlaub zu machen, aber es kommt dann oft nicht dazu. Derzeit bin ich in einer Phase meiner Karriere, in der ich wichtige, sich mir bietende Gelegenheiten ergreife und sie nicht aufgrund eines Urlaubs verfallen lasse. Doch davon abgesehen versuche ich, pro Jahr zumindest einmal richtig Urlaub zu machen. Damit meine ich nicht jene Form von Urlaub, in der man Noten und Aufnahmen mithat und dann doch arbeitet. Sondern so richtigen Urlaub, in dem ich nichts für meinen Beruf mache.

Wenn Sie sich einer Rolle wie Ariel nähern – woher nehmen Sie die Inspiration? Aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen? Aus der Literatur? Oder auch aus ganz anderen Dingen?

Natürlich brauche ich zunächst einmal die Noten, nur die Noten, um einen Überblick zu bekommen, was zu singen ist. Wenn ich die Partie musikalisch gelernt habe, binde ich weitere Dinge ein: Mit etwas Glück gibt es eine Aufnahme, die ich anhören kann. Da ich aber sehr viel zeitgenössische Musik mache, existiert eine solche nicht immer. Wenn ein Werk eine literarische Vorlage hat, lese ich diese. Und danach versuche ich, Inspiration aus anderen Elementen zu gewinnen: Ein Spaziergang in der Natur etwa ist wunderbar. Oder ein Besuch in einem Museum, denn das erweitert die Kreativität, die ja nicht nur aus der Musik entspringen kann.

Und hören Sie viel Musik? Nicht nur in der Vorbereitung, sondern ganz allgemein?

Eigentlich gar nicht so viel. Aber natürlich, die Aufnahme vom Tempest habe ich in letzter Zeit sehr oft angehört… Dazu kann ich Ihnen eine schöne Geschichte erzählen. Ich habe eine Bekannte, eine Fotografin. Sie war nie in der Oper, sie hat absolut nichts mit Oper zu tun. Eines Tages bat sie mich um Beispiele von Musik, die ich singe. Ich gab ihr unter anderem den Tempest – und sie war so fasziniert! Nun hört sie laufend diese Oper, ist ganz von ihr gefangen. Ist das nicht großartig?