Komödie und Thriller
Interview |
Vergleicht man die späte Janáček-Oper Věc Makropulos mit einer früheren wie Jenůfa – was zeichnet Makropulos aus?
Dass sie in jeder Hinsicht extremer ist – auch, was den Schwierigkeitsgrad betrifft.
Věc Makropulos ist mit Abstand die schwierigste Oper von Janáček!
Und nicht nur von Janáček, sondern überhaupt in der Operngeschichte.
Worin liegen diese extremen Schwierigkeiten?
Zunächst einmal: Alles passiert nicht in »Opernzeit«, sondern in Echtzeit.
Es läuft also das ganze Werk in einem schnellen Tempo durch, sehr plötzlich, sehr dicht.
Manchmal wird in 20 Sekunden das gesagt, was in anderen Opern in einer Stunde ausformuliert wird.
Dazu kommen große technische Herausforderungen, es ist einfach eine sehr schwer zu spielende Musik.
Immer wieder gibt es im Orchester etwa virtuose Solo-Stellen, manches erinnert an eine komplizierte Etüde.
Dazu kommen rhythmische Besonderheiten wie zahlreiche Taktwechsel, die gerade auch für die Sängerinnen und Sänger nicht einfach sind.
Und jetzt die Pointe: Wenn man das alles schafft, dann wirkt das Ganze sehr leicht und organisch.
Man hört gar nicht, wie groß die Herausforderungen sind.
Janáček ging einen ganz persönlichen Weg einer Musiksprache, die ihr Material auch aus der Sprachmelodie schöpfte.
Ist das bei Věc Makropulos noch der Fall?
Ja, es gibt in dieser Oper durchaus auch Passagen, deren Melodien sich aus den Keimzellen der Sprache formen.
Wenn auch vielleicht weniger bewusst als in anderen seiner Werke – es passierte also fast schon automatisch.
Besonderes Augenmerk möchte ich jedenfalls auf das Orchester legen, denn über weite Strecken liegt dort die musikalische Hauptgestaltung – darüber laufen die Gesangspartien oftmals im Konversationston.
Was mich immer wieder fasziniert, ist, wie weit der musikalische Ausdruck und der gesprochene Text auseinanderklaffen können.
Mitunter wird der härteste und brutalste Text von der allerschönsten und schwärmerischsten Musik begleitet.
Hörte man nur auf den Klang, würde man auf eine Liebesszene tippen.
Die Musik weiß da mehr über die Personen, als ausgesprochen wird.
Wie soll man sich, wenn man das Werk nicht kennt, dieser Oper nähern?
Die Handlung in ihrer Hauptlinie ist ja einfach: Emilia Marty hat dank eines Wunderelixiers ein sehr sehr langes Leben: 337 Jahre.
Und nun denkt sie daran, es noch einmal um 300 Jahre zu verlängern.
Es ist aber so, dass ich – nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit diesem Werk – immer noch regelmäßig Neues entdecke.
Věc Makropulos ist nicht auszuschöpfen!
Denn genau genommen bekommt man an einem Abend gleich fünf Stücke: Eine Tragödie, eine Komödie, einen Thriller, eine Liebesgeschichte und ein Märchen.
Die Oper nur einmal anzuhören, ist einfach zu wenig!