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VERDIS NEUER WEG

Mitte Juni kommt die letzte Neuproduktion dieser Spielzeit zur Premiere: Verdis Macbeth, dirigiert von Philippe Jordan und inszeniert von Barrie Kosky. Ein dunkel-faszinierender Wurf, der tief in die menschliche Psyche greift.


Fangen wir mit dem Messbaren an. Es war seine Oper Macbeth, bei der Verdi erstmals in seinem Leben Metronomzahlen in der Partitur notierte, also ein nun allgemein nachvollziehbares, auch verbindliches Tempomaß vorschrieb. Und damit so etwas wie eine Richtlinie vorgab. Und: Das Honorar für Macbeth, das Verdi erhielt, überrundete erstmals jene, die der früh verstorbene, umschwärmte Vincenzo Bellini erhalten hatte. Das mag nicht wesentlich erscheinen, doch weist es auf die Anerkennung und den Status, den der Komponist bereits Ende der 1840er-Jahre innehatte, hin. Denn Macbeth entstand in den sogenannten Galeerenjahren, also jenem Jahrzehnt, in dem Verdi ohne Unterlass Oper auf Oper schrieb und in dem er bald den Rang des ersten italienischen Komponisten errang; ein Aufstieg, der schließlich von der gerne so genannten Trilogia popolare, also den Opern Rigoletto, Il trovatore und La traviata, gekrönt wurde, jenen drei Werken, die ihn vollends zum unumstritten Idol machten und bis heute zum Populärsten der Operngeschichte zählen.

Was nun die Librettovorlagen betrifft, umkreiste Verdi seit längerem die Großen. Victor Hugo, Lord Byron, Friedrich Schiller, Voltaire: die Stoffvorlagen boten nicht nur einen literarischen hohen Ausgangspunkt, sondern auch eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erzählweisen und dramaturgischen Modellen. Und nun war die Zeit reif für eine erste Annäherung an William Shakespeare. Seit seiner Jugend kannte, las und schätze er den englischen Dichter, 1838 war zudem eine neue italienische Übersetzung der Dramen erschienen, die zu einem Rezeptionsschub führte und ein verstärktes Shakespeare-Verständnis ermöglichte.

So war auch, als der Florentiner Impresario Alessandro Lanari Verdi für die Karnevalssaison 1847 um ein neues Werk bat, unter den Vorschläge ein Shakespeare-Stoff. Neben Grillparzers Ahnfrau, Schillers Räuber eben Macbeth. Dass Verdis Wahl auf Macbeth fiel, hatte neben ganz pragmatischen, besetzungstechnischen Fragen auch mit seiner Suche nach einem möglichst numinosen Sujet zu tun. Denn in Florenz hatten eben zwei entsprechende Opern in den letzten Jahren besondere Erfolge gefeiert: Robert le diable von Giacomo Meyerbeer und Der Freischütz von Carl Maria von Weber. Etwas Fantasievolles, Mystisches musste also her, und genau das thematisierte Verdi in einem Brief an Lanari: Nicht politisch oder religiös sei der neue Stoff, sondern fantastisch.

Doch Verdi wollte mehr als nur eine Mord- und Schauergeschichte schottischen Ursprungs liefern. Es sollte ein neuartiges Werk werden, mit starkem Ausdruck. Von einer »neuen Richtung« sprach Verdi und bekannt sind die Briefstellen, in denen er den rechten, nicht nur dem Schönklang, sondern der Wahrheit verpflichteten Gesangs- und Klangausdruck einfordert. Im nebenstehenden Interview erläutert der neue Wiener Macbeth, Luca Salsi, welch besondere Lautstärkenbezeichnungen sich in der Partitur finden: vor allem auch im Bereich des Leisen – und fast Unhörbaren. Die Macbeth-Uraufführung fand 1847 statt, knapp 20 Jahre sp.ter sollte Verdi die Oper für Paris überarbeiten.

An das Haus am Ring kam Macbeth freilich erst spät: 1933, im Zuge der sogenannten Verdi-Renaissance, in der auch hier in Wien nie gespielte Opern des Komponisten entdeckt wurden. Doch dann ging es Schlag auf Schlag: Es ist die inzwischen achte Macbeth-Neuproduktion, die in der Staatsoper stattfindet, und das bei nur knapp 120 Aufführungen. Kürzer als bei vielen anderen Opern war bei Macbeth bisher also die Halbwertszeit, keine einzige der sieben Produktionen kam über 50 Aufführungen – und doch sind sie sehr oft hoch besetzt: Clemens Krauss, Josef Krips, Karl Böhm, Giuseppe Sinopoli, Charles Mackerras lauten klingende Namen unter den Wiener Macbeth-Dirigenten, bei der aktuellen Premiere ist es Musikdirektor Philippe Jordan, der nach den Premieren von Madama Butterfly und Parsifal nun seine dritte Neuproduktion in dieser Spielzeit leitet. Mit Regisseur Barrie Kosky kehrt ein Regisseur wieder, den mit Wien einiges verbindet: Neben seinem Lohengrin im Jahr 2005 vor allem auch, dass er seinerzeit als Leiter des Wiener Schauspielhauses ein feines Programm servierte, zu dem unter anderem auch eine Produktion von Monteverdis L’incoronazione di Poppea zählte.

Dass ein besonderes Augenmerk auf Anna Netrebko liegt, die hier in Wien erstmals ihre Lady Macbeth singt, liegt auf der Hand. Es ist eine Rolle, für die sie an der New Yorker Metropolitan Opera, in London und Berlin gefeiert wurde und die sie am Gipfel ihrer Ausdruckskunst zeigt. »Düster, dunkel und kompliziert«, beschreibt Netrebko ihre Bühnenfigur, aber dann doch auch mitleiderregend. Eine verwirrte Gestalt sei die Lady Macbeth, nachdem sie ihre immense Kraft, ihren Ehrgeiz verloren habe. Mit dem jungen Ensemblemitglied Freddie De Tommaso und dem Bass Roberto Tagliavini wird die attraktive Solistenbesetzung vervollständigt.


MACBETH
10., 14., 17., 21., 24*. & 28*. Juni 2021, jeweils 18.30 Uhr

Musikalische Leitung Philippe Jordan
Inszenierung Barrie Kosky
Szenische Einstudierung Sylvie Döring
Bühne und Licht Klaus Grünberg
Kostüme Klaus Bruns
Dramaturgie Claus Spahn

Macbeth Luca Salsi
Banquo Roberto Tagliavini
Lady Macbeth Anna Netrebko / Anna Pirozzi*
Macduff Freddie De Tommaso
Malcolm Carlos Osuna
Ein Arzt Ilja Kazakov
Kammerfrau Aurora Marthens