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© Wiener Staatsoper GmbH / Ashley Taylor © The George Balanchine Trust
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Liebeserklärung an den Walzer

Als »ein choreographisches Füllhorn, das überquillt an Variationen über das unsterbliche Thema ›Walzer‹«, beschrieb Tanzjournalist Klaus Geitel 1962 eine Aufführung von George Balanchines Liebeslieder Walzern mit dem New York City Ballet. In der vergangenen Saison kam das ikonische Werk nach einer über 30-jährigen Pause wieder auf die in einen Ballsaal verwandelte Bühne der Wiener Staatsoper zurück, auf der sich wie zu einer ausgelassenen Schubertiade acht Tänzer*innen, vier Sänger*innen und zwei Pianist*innen treffen. Passend zum Opernball-Monat Februar tanzt das Wiener Staatsballett eine Serie des Triple Bills Liebeslieder, in der George Balanchines hinreißendes Kammertanzwerk dem romantischen Pas de deux Other Dances von Jerome Robbins und Lucinda Childs’ streng geometrisch angelegter »Minimal«-Choreographie Concerto begegnet.

Balanchines Liebeslieder Walzer haben die ehemaligen Principals des New York City Ballet Maria Calegari und Bart Cook mit dem Ensemble des Wiener Staatsballetts vor einem Jahr neu einstudiert. Im Interview sprechen sie über diese besondere Arbeit.

Die Liebeslieder Walzer haben einen besonderen Stellenwert in George Balanchines Œuvre. Wie kann man das Ballett einordnen?

BART COOK Liebeslieder Walzer ist ein außergewöhnliches Stück. George Balanchine liebte Johannes Brahms und hat sechs Jahre nach der Premiere der Liebeslieder Walzer auch das Ballett Brahms-Schoenberg Quartet choreographiert. Aber Liedkompositionen zu verwenden, war etwas, das er selten tat. Ich erinnere mich an kein Balanchine-Ballett mit Gesang auf der Bühne. Meist arbeitete er zu Musik von Strawinski oder anderen großen Orchesterwerken. Liebeslieder Walzer ist ein sehr persönliches Werk. Zu der Zeit, als er es choreographierte, gab es mit Diana Adams, Melissa Hayden, Jillana und Violette Verdy vier wunderbare Frauen, die ihn besonders inspirierten.

Balanchine wählte die beiden Liederzyklen Liebeslieder-Walzer op. 52 und Neue Liebeslieder op. 65 von Brahms für seine Choreographie. Die Lieder werden von vier Sänger*innen und vierhändig von zwei Pianist*innen auf der Bühne gesungen und gespielt.

BC Das Arrangement und Bühnenbild inkludiert das Klavier und die Sänger*innen. Das Setting erinnert an eine Soiree, wie sie früher oft in Wien und an anderen Orten veranstaltet wurde: Zuhause, also im privaten Rahmen, trug man die neueste Musik vor. Bei Balanchine sind die Sänger*innen und Pianist*innen die Künstler*innen, die Tänzer*innen portraitieren die zuhörenden Gäste und vielleicht ist das, was diese tanzen, was diese hören. Die Herausforderung ist dabei, dass der Tanz der Schönheit der Stimme, die aufgrund der Bühnensituation viel direkter daherkommt, standhalten muss. Brahms’ Liederzyklen werden wahrscheinlich wegen der ungewöhnlichen Besetzung nur selten aufgeführt. So ist die Ballettaufführung auch eine große Chance für alle – das Gesangsquartett, die Pianist*innen und das Publikum – diese großartige Musik zu erleben.

MARIA CALEGARI Die ganze Choreographie entwickelt sich aus der Musik. Es gibt vier Paare, jedes hat eine andere Qualität und die Choreographie reflektiert das. Da ist Freude, Traurigkeit, Sehnsucht, Melancholie, aber auch Überschwang und Kraft …

BC … und es gibt Enttäuschung und sogar Betrug. Als ich dieses Ballett in den 1980er Jahren selbst getanzt habe, hat sich meine Fähigkeit erweitert, mit jedem Schritt auch Emotionen und Stimmungen zu portraitieren. Das war zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere sehr erleuchtend.

Was hat Balanchine inspiriert, die Liebeslieder Walzer zu kreieren?

BC Einer der Lieblingstänzer George Balanchines war Fred Astaire. Er und Ginger Rogers haben eine Jazz-Version des Walzers kreiert. Eine Kombination dieser mit der Eleganz einer edwardianischen Zeit wollte er mit den Liebeslieder Walzern erreichen.

Wie gestaltet sich die Struktur der Choreographie?

BC Es gibt ein wundervolles Zitat von Mr. B, in welchem er sagt, dass im ersten Akt der Liebeslieder Walzer die Menschen tanzen und im zweiten ihre Seelen. Balanchine hat in diesem Stück jede Möglichkeit, wie man einen Walzer tanzen kann, untersucht. Er hat ihn vorwärts angelegt, rückwärts – unendlich viele Varianten choreographiert und damit auch die Imaginationen des Publikums, was ein Walzer alles sein kann, erweitert. Zugleich hat Balanchine dem Walzer eine Emotionalität verliehen, wodurch die Persönlichkeiten der Tänzer*innen stärker hervortreten. Der erste Teil widmet sich ganz dem Gesellschaftstanz, durch den verschiedene Liebesbeziehungen ausgedrückt werden. Nach dem ersten Akt verlassen die Tänzer*innen die Bühne, diese öffnet sich und ein Sternenhimmel tut sich auf. Das Walzerthema wird ephemerer. Es entwickelt sich eine tiefere Ebene der Poesie und der menschlichen Beziehung zwischen den Frauen und Männern. Der zweite Akt ist somit ein anderes Genre im gleichen Stück. Das Besondere in dieser Choreographie ist, dass der Gesellschaftswalzer zur Basis einer klassischen Ballettchoreographie wurde. Es ist die Mischung dieser beiden Kunstformen, die im zweiten Teil zu einer Erhöhung führt, zum Berühren eines ewigen Ortes durch den Tanz.

MC Die Frauen können sich im zweiten Akt wirklich zeigen und die Männer helfen ihnen dabei. Es ist, als könnte man fliegen und das ist sehr ausdrucksstark. Ich erinnere mich sehr gut an das Gefühl, das ich als Tänzerin in den Aufführungen der Liebeslieder hatte. Es war eine wahrhaft außergewöhnliche Erfahrung und das Eintauchen in den zweiten Teil des Stückes sehr besonders.

BC Im ersten Teil tragen die Männer Handschuhe, die Damen sind in Satin und Tanzschuhe gekleidet. Die Satinkleider sind wunderschön. Es sind richtige Ballkleider, vielleicht ähnlich zu jenen, die man hier auf dem Wiener Opernball sehen kann, vielleicht war Balanchine sogar davon inspiriert. Alles gestaltet sich im Äußeren sehr formell. Im zweiten Teil werden die Handschuhe und Ballroben ausgezogen. Nun tragen die Frauen balletttypische Tüllröcke und die Tanzschuhe werden in Spitzenschuhe getauscht. Jetzt sieht das Publikum auch die Beine der Tänzerinnen, die in Balanchines Choreographien ja stets eine zentrale Rolle spielen, der Fuß wird durch den Spitzenschuh zum Ausdrucksmittel.

Worin liegen die Herausforderungen bei der Einstudierung?

BC Das Ballett mit einer jüngeren Generation einzustudieren, birgt einige Schwierigkeiten. Der Gesellschaftstanz ist von den großen Bühnen verschwunden, bevor die meisten heutigen Tänzer*innen geboren wurden. Wir bewegen uns in einem Genre, das ihnen nicht vertraut ist.

MC Schon damals sagte Mr. B: »Ihr wisst nicht, wie ihr Walzer tanzen sollt.« Dabei war er so eingenommen vom Walzer und von allem Wienerischen. Er war sehr bestürzt, dass wir Amerikaner*innen keinen Walzer tanzen konnten. Wir haben also zunächst Stunden damit verbracht, diesen Tanz zu lernen. Wichtig bei der Einstudierung ist vor allem, die Ensemblearbeit zu fixieren. Das Spacing und Arrangement der Gruppe ist essentiell, weil sich alle in einem sehr limitierten Raum aufhalten. Dann geht es darum, die Identität der Charaktere zu finden ...

BC ... und das Schrittmaterial, das sich aus den unterschiedlichen Beziehungen, die auf der Bühne dargestellt werden, zu entwickeln.

Welche Aspekte sind für die Besetzung entscheidend?

MC Das Ballett wird von vier Paaren getanzt. Man bekommt diese Rollen, wenn man ein erfahrener Interpret ist. Es ist ein Werk für Principals und Solist*innen. Ich habe es damals als Privileg empfunden, Liebeslieder Walzer tanzen zu dürfen.

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