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Im Headquarter der Feenwelt

Irina Brook wurde als Tochter eines Künstlerehepaares (die Mutter war die Filmschauspielerin Natasha Parry, ihr Vater ist der legendäre Regisseur Peter Brook) schon in frühester Kindheit durch das Theater geradezu infiltriert und so war der Lebensweg – zuerst Theater- und Filmschauspielerin, später selbst eine weltweit gefragte Produzentin und Regisseurin, Gründerin einer eigenen Kompanie, zusätzlich seit 2014 Theaterleiterin in Nizza – geradezu vorgezeichnet und schließlich durch die Ernennung zum Offizier des Ordre des Arts et des Lettres und die Aufnahme in die französische Ehrenlegion entsprechend gewürdigt. An der Wiener Staatsoper hat die mittlerweile auch auf dem Opernsektor erfolgreiche Brook 2015 Donizettis Don Pasquale inszeniert – nun kehrt sie mit der Regie von Brittens Midsummer Night’s Dream zurück an das Haus am Ring. Mit der vielseitigen Künstlerin sprach Andreas Láng.

Besteht, rein atmosphärisch, ein Unterschied zwischen der Shakespeare-Vorlage des Sommernachtstraums und der Vertonung von Britten?
Irina Brook: Wissen Sie, als ich das Angebot bekam, hier an der Wiener Staatsoper Brittens Midsummer Night’s Dream zu inszenieren, war ich zunächst etwas unschlüssig. Die Shakespeare-Version war mein erstes großes Theatererlebnis und trotz des doch komplexen Inhalts schon in der Kindheit für mich die Einführung in die Welt des Theaters. Oftmals besuchte ich die Inszenierung meines Vaters mehrere Abende hintereinander, beherrschte als ungefähr Zehnjährige den gesamten Text von vorn und von hinten, kannte die Regie bis ins kleinste Detail, spielte es zu Hause nach und war schließlich ein regelrechtes Sommernachtstraum-Groupie. Wesentlich später inszenierte ich das Stück selbst – unter anderem mit lediglich sechs Männern, die alle Partien spielten, dann erneut mit meiner eigenen Kompanie in Nizza. Als ich mich dann aber mit der Britten-Oper intensiver auseinandersetzte, hatte ich zunächst das Gefühl, dass sich das Werk aufgrund der Musik doch deutlich vom Schauspiel unterscheidet, zum Teil in einigen Szenen ein ganz andere Grundtempo aufweist und weniger leichtfüßig daherkommt. Aber je mehr ich in die Britten’sche Vertonung hineinwuchs, desto mehr wuchs auch meine Liebe zu dieser Musik, die einen regelecht in den Bann zu ziehen vermag und ich erkannte, dass ich hier eine ideale Vertonung des Stoffes vor mir habe.

Aber ist die Britten-Oper nicht dunkler, weniger komödienhaft als die Shakespeare-Vorlage?
Irina Brook: Das Geniale an Shakespeare und überhaupt an allen großen Dramatikern ist, dass ihre Werke jeweils ein komplettes Universum abbilden und daher aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln aus gesehen werden dürfen. Jeder Regisseur wird, je nach Wunsch, daher andere Aspekte zeigen können – und das gilt auch für den Sommernachtstraum: Wer zum Beispiel an der dunklen Seite interessiert ist, kann das Stück dunkelschwarz machen, wer die Komödie hervorkehren will, vermag einen wirklich lustigen Abend auf die Bühne zu stellen, wer das Magische liebt, wird diese Seite betonen, und wer das Stück in all seinen Facetten, so wie es geschrieben wurde, präsentieren möchte, wird eine reiche Mixtur aus allem anbieten: Dunkles, Romantisches, Lustiges, Tragisches. Und Britten hat es fertiggebracht, all diese Elemente einzufangen und ein musikalisches Äquivalent zum Schauspiel zu schaffen. Und weil Sie nach dem Dunklen gefragt haben – das könnte im Stück wie in der Oper derselbe Aspekt sein: Die Tatsache, dass Verliebtheit blind macht! Nicht umsonst wird im Sommernachtstraum der Zaubersaft in die Augen geträufelt.

Wie konkret ist der Schauplatz bei Ihnen definiert?
Irina Brook: Das Einheitsbühnenbild zeigt einen alten, verfallenen Palast, das Dach ist eingestürzt und an allen Ecken und Enden erobert die Natur durch hereinrankenden Blätter ihren Platz wieder zurück. Ich verstehe diesen Raum als eine Art Headquarter der Feenwelt inmitten des Waldes – vergessen wir nicht, dass Britten im Gegensatz zu Shakespeare die Geschichte direkt im Wald beginnen lässt. Allzu konkret möchte ich den Raum allerdings nicht verorten, denn das Publikum soll die Fantasie und Imaginationsfähigkeit spielen lassen und sich nicht alles feinsäuberlich, wie im Fernsehen, servieren lassen. Auch Shakespeare schrieb seine Stücke für Einheitsbühnenbilder ohne Dekor – und wenn man sich als Zuschauer nichts mehr vorstellen darf, weil alles bis ins kleinste Detail entschieden und vorgegeben ist, hört Theater auf Theater zu sein.

Wie real ist denn nun die Eben der Feenwelt?
Irina Brook: Feen sind etwas typisch Englisches und es zieht sich eine diesbezüglich rote Linie quer durch die englische Literatur – denken Sie nur an Peter Pan und die verlorenen Jungen, oder an den Herrn der Fliegen – da gibt es sicher eine direkte Beeinflussung durch Shakespeare. Was mich übrigens an diesem Streit zwischen Oberon und Tytania zusätzlich beeindruckt, ist die Tatsache, dass sie eine Art erste Klimarede der Geschichte hält: Tytania spricht von den unnatürlichen Veränderungen der Jahreszeiten, von Überschwemmungen, Seuchen, Hungersnöten und führt das alles auf den Streit zurück, der alles aus der Balance wirft. Oberon und Tytania als Zentrum des Universums – die beiden sym- bolisieren quasi die Menschheit – bewirken und bedingen das gesamte Geschehen im Positiven wie im Negativen. Shakespeare hat sich schon von hunderten von Jahren als Prophet erwiesen!

Durch den Liebestrank wird das Spiel erst so richtig in Gang gebracht, aber auch wesentliche Probleme bereinigt. Steht aber im Falle von Demetrius diese magisch gesteuerte Liebe einem echten Happy End nicht im Wege? Demetrius liebt Helena am Ende letztlich nicht aus eigenen Stücken ...
Irina Brook: Zu den großen Themenfeldern bei Shakespeare gehören Vergebung, Versöhnung und Selbstfindung. Natürlich wurde Demetrius verzaubert, aber er hat Helena ja schon einmal geliebt und hat durch diesen Zauber wieder zu seinem wahren Ich und seiner ursprünglichen Liebe zurückgefunden. Und so gesehen liegt sehr wohl ein Happy End vor.

Und wie soll das Publikum aus dieser Vorstellung herauskommen, in welcher Weise sollen die Zuschauer verändert, verzaubert werden?
Irina Brook: Die Zuschauer werden in dieser Sommernacht Zeuge verschiedener Abenteuer. Ich möchte keine Vorgaben machen, auf welche Weise jemand aus der Aufführung herauskommen soll, welche Schlüsse er aus dem Ganzen zieht, aber ich würde mir als Theatermensch wünschen, dass jeder und jede einzelne im Publikum uns auf dieser Reise durch das Stück, durch diesen magischen Wald, mit größter Anteilnahme begleitet – und das wird wiederum zweifels ohne irgendeine Veränderung hervorrufen.


Benjamin Britten
A Midsummer Night's Dream
Premiere: 2. Oktober 2019
Reprisen: 5., 9., 13., 17., 21. Oktober 2019

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