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© Johannes Ifkovits

Eine Liebe über den Tod hinaus

Bevor KS Krassimira Stoyanova – unbestritten eine der besten Sängerinnen der Gegenwart – im Juni in der Maskenball-­Premiere als Amelia zu erleben sein wird, singt sie im Jänner/Februar vier Mal die Desdemona und kehrt damit ans Haus am Ring zurück, dessen Ensemble sie für mehrere Jahre veredelt hatte. Ein Gespräch mit Andreas Láng.

Sie haben die Desdemona weltweit in den unter­ schiedlichsten Inszenierungen erfolgreich gesun­gen – inwieweit hat sich für Sie das Bild ihres Charakters im Laufe der Zeit gewandelt?
KS Krassimira Stoyanova: In der Tat, diese Rolle begleitet mich schon eine gewisse Zeit und entsprechend viel habe ich über sie nachgedacht, gelesen, mit Regisseuren, Dirigenten und Kollegen diskutiert, um letztlich immer wieder zum selben Ergebnis zu gelangen: Egal wie man sie äußerlich anlegt, egal in welches konzeptuelle Umfeld man sie bettet – der Kern ihres Wesens ist für mich unverändert geblieben. Desdemona selbst macht natürlich eine Entwicklung im Laufe der Handlung durch, doch ihre Emotionen, ihre Liebe, die Art ihres Leidens sind von Verdi und Boito beziehungsweise von Shakespeare sehr eindeutig gezeichnet.

Aber ist Desdemona in ihrer fast schon überirdi­schen Reinheit überhaupt real? Ist sie nicht nur eine Fiktion?
KS Krassimira Stoyanova: Doch, doch, sie ist absolut glaubwürdig. Im Gegensatz zum Beispiel zur Margarete in Faust ist Desdemona viel bodenständiger und sich ihrer Weiblichkeit durchaus bewusst. Sie ist lediglich, wie Verdi einmal sinngemäß schrieb, etwas naiv. Oder anders ausgedrückt: Desdemona ist zu jung, um ausreichend Lebenserfahrung haben zu können, sie war der Liebling ihres Vaters, ist wohlbehütet aufgewachsen und hat sich nun unsterblich in Otello verliebt. Diese große Liebe wirkt allerdings, zugegebener Weise, manches Mal etwas platonisch, in ihrem Drang ihn zu beruhigen, ihm Glück zu schenken, sogar richtiggehend mütterlich.

Und mit Jagos Intrige ist sie zwangsläufig überfor­dert ...
KS Krassimira Stoyanova: Zumal alles sehr rasch geht. In nicht einmal 48 Stunden wird Grundlegendes auf den Kopf gestellt, greifen tödliche Missverständnisse um sich: Desdemona hat keine Zeit darüber nachzudenken, warum sich der Mensch, den sie geheiratet hat, plötzlich so verändern konnte und Otello hat seinerseits keine Chance, sich über die Treue oder Untreue Desdemonas ein vernünftiges Urteil zu bilden. Wenn Jagos Intrige nicht gleich gegriffen oder ein, zwei Wochen in Anspruch genommen hätte, sähe das Ende vielleicht ganz anders aus.

Könnte Desdemona – gewissermaßen im Jenseits – Otello verzeihen, würde sie ihm den letzten Kuss gewähren?
KS Krassimira Stoyanova: Sie hat sein Verhalten nicht verstanden, musste im wahrsten Sinn des Wortes am Ende ihres Lebens Todesängste ausstehen, aber ihrer Liebe konnte das nichts anhaben. Und wenn es für Bühnenfiguren ein Wiedersehen im Jenseits gäbe und er sie um Verzeihung bäte, – ja, dann würde sie ihm sicherlich den Versöhnungskuss geben, da bin ich überzeugt.

Verdi und Boito planten ursprünglich, die Oper, im Gegensatz zur Shakespeare­Vorlage, „ Jago“ zu nennen und haben sich erst später auf „Otello“ geeinigt – wäre „Desdemona“ nicht auch passend gewesen? Schließlich ist sie eine zentrale Figur in diesem tragischen Geschehen?
KS Krassimira Stoyanova: Sie ist eine zentrale Figur, das stimmt. Aber der Grundkonflikt spielt sich dennoch nur zwischen den beiden Männern ab. Jago kann Otello nicht akzeptieren, fühlt sich von ihm übergangen und ist ganz grundsätzlich einfach eine dämonische Figur, die aus Prinzip eine Intrige in Gang setzt, um den Widersacher zu vernichten. Desdemona ist für ihn lediglich ein Objekt, das für diesen Vernichtungszweck zielbringend eingesetzt wird – übrigens ganz anders als in Cinthios Othello-Urversion, in der Jago seinerseits in Desdemona verliebt ist und seine persönlichen Gefühle eine Rolle spielen. Die Oper Desdemona zu nennen wäre darum meines Erachtens nach genauso falsch, wie es unrichtig ist Gounods Faust in Margarete umzubenennen – wie es im deutschsprachigen Raum so lange der Fall war.

Wie zulässig ist es Desdemona und Jago als Ge­ gensatzpaar zu sehen? Beide haben zum Beispiel – wohl nicht ganz zufällig – von Boito und Verdi je ein Gebet erhalten, das bei Shakespeare so nicht vorkommt...
KS Krassimira Stoyanova: Nein, als Gegensatzpaar würde ich sie nicht sehen. Die beiden Gebete haben außerdem ganz unterschiedliche dramaturgische Funktionen innerhalb der Handlung, weswegen ich sie auch nicht in einem Verhältnis zueinander setzen würde. Desdemonas Ave Ma­ria soll ausdrücken, dass sich hier eine tiefgläubige Seele (unterbewusst) auf eine andere Welt vorbereitet – Verdi stimmt also das Publikum auf das bevorstehende Ende Desdemonas ein, ohne damit auf Jagos Credo verweisen zu wollen.

Als Zuschauer hat man gelegentlich, trotz besseren Wissens, während einer Vorstellung so eine merkwürdige, kaum bewusste Hoffnung, dass die Handlung einmal ausnahmsweise, wider Erwar­ten gut ausgeht. Dass Siegfried zum Beispiel den Rheintöchtern doch den Ring gibt, Otello Desdemo­ na nicht erwürgt ... „passiert“ so etwas auch einer Sängerin auf der Bühne während der Vorstellung?
KS Krassimira Stoyanova: Es gibt ein ungeschriebenes Schauspielergesetz, nach dem wir Darsteller innerlich immer einen gewissen Abstand von den Emotionen der von uns präsentierten Charaktere haben sollten, weil wir uns andernfalls im Moment selbst gefährden könnten. Ein Beispiel: Als Sängerin kann ich in einer tragischen Rolle natürlich nicht in echte Tränen ausbrechen, da es dann um das Weitersingen geschehen wäre. Wir sind also mit der paradoxen Situation konfrontiert, eine Partie glaubwürdig zu gestalten, beim Zuschauer Emotionen auszulösen, ohne uns selbst von diesen Emotionen forttragen zu lassen. Ich gebe aber zu, dass ich beim Interpretieren der Desdemona, trotz der eingehaltenen Distanz, immer eine Traurigkeit verspüre, was mich andererseits wiederum freut – denn das zeigt, wie sehr ich nach wie vor mit Herz und Seele an der Musik und den Rollen hänge, mit ihnen verbunden bin. Also, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ja, so eine Hoffnung kann es durchaus geben.

Und eine Katharsis nach der Vorstellung?
KS Krassimira Stoyanova: Selbstverständlich – wenn alles gut geht. Speziell bei Verdi ... Verdi scheint mit Gott gesprochen zu haben.

Wann ist der Moment in Otello erreicht, bei dem Sie sich denken – jetzt sind die größten Herausfor­derungen überstanden?
KS Krassimira Stoyanova: (lacht) Nie! Nicht in Otello und überhaupt nie bei Verdi. Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, die intensivsten Momente kommen bei ihm meist gegen Ende seiner Opern: Das ist bei Elisabetta so, bei der Trovatore-Leonora, genau genommen auch bei Violetta und nicht zu vergessen Luisa Miller, die sogar die letzten 40 Minuten auf der Bühne verbringt, ohne abgehen zu können.

Für Arthur Rubinstein entsprach die Musik Cho­pins der schönsten Form einer Liebeserklärung. Wie sieht es diesbezüglich für Sie in Hinblick auf Verdi aus?
KS Krassimira Stoyanova: Verdi zu singen bedeutet für mich ein anderes, zutiefst humanes, aber dennoch reales Universum zu betreten. Dieser Gigant Verdi wusste um das Geheimnis der Verbindung von Text-Melodie-Harmonie-Emotion, wusste wie Liebe, Ewigkeit, Schmerz, Göttlichkeit, Heldentum u.ä. auf ideale Weise in Klang umzusetzen ist und wie diese Gefühle beim Zuhörer ausgelöst werden können.

Und in jedem Werk, in jeder Rolle wird ein ande­rer Aspekt dieses Universums beleuchtet?
KS Krassimira Stoyanova: Genau so ist es – und das Schöne daran: Während ich eine Partie singe, entdecke ich in ihr oft bestimmte Elemente meines Lebens, meines Charakters, fühle mich dadurch in Musik aufgehoben. Und das hat etwas ungemein Magisches ...


Otello | Giuseppe Verdi 
28., 31.Jänner
3., 7. Februar 
KARTEN & MEHR 

Un ballo in maschera | Giuseppe Verdi
15., 18., 21., 24., 29. Juni 2019
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